Nora Weiß

Redakteurin Thema Vorarlberg

Foto: Weissengruber

Das wahre Wahrzeichen der Bregenzer

Juli 2023

Wer kennt ihn nicht, den Kiosk im Fliegenpilzlook beim Bahnübergang zum See in Bregenz. Im Juli feiert der „Milchpilz“ nun sein 40-Jahr-Jubiläum. 

Am 24. Juli 1953 versammelten sich die Vertreter der Stadt Bregenz, des hiesigen Verkehrsvereines sowie landwirtschaftliche Funktionäre, um den ersten Milchpilz Österreichs in den Seeanlagen feierlich zu eröffnen“, heißt es in einem Aufsatz zur Gründungszeit des Milchpilzes. Die Errichtung ging auf den damaligen Molkereidirektor Josef Lerchenmüller zurück, der die Anregung dazu gab. Landwirtschaftskammerpräsident Karl Zerlauth und Altbundesrat Eugen Leissing sprachen bei der Eröffnung „über die Notwendigkeit eines erhöhten Milchabsatzes, den Dienst am fremden Gast“ und lobten die Initiative der Molkerei Bregenz. Aber nicht alle waren begeistert vom Look des neuen Kiosks. Bürgermeister Karl Tizian betonte, dass derartige Bauwerke nicht zu einem schönen Stadtbild beitrügen und daher „hier nur eine Ausnahme gemacht worden sei, um den Erfordernissen der bäuerlichen Bevölkerung Rechnung zu tragen“. Zunächst gab es aber noch Anlaufschwierigkeiten, eine gewisse Scheu in der Öffentlichkeit Milch zu trinken, bestand. Molkereidirektor Josef Lerchenmüller erinnert sich, dass „in den ersten Lebensjahren des Milchpilzes einige Herren, die der Versuchung dieses Milchpilzes nicht entgehen konnten, noch hinter den vier Bäumen, (…) vor den Augen der anderen Schutz suchten.“

Einer von vielen, aber der letzte seiner Art
Das Design sowie das fertige Produkt Milchpilz entstammen der Waldner AG mit Sitz in Wangen im Allgäu. Waldner nannte den Kiosk den „Milchpilz als Milchverbrauchswerber“. Der erste Kiosk wurde 1952 in Bayreuth aufgestellt, bis 1958 wurden insgesamt 50 Milchpilze nach Deutschland, Italien, Österreich, Griechenland, in die Schweiz sowie in die Benelux-Staaten verkauft. Die Pilze wurden fertig montiert geliefert, „Einbaukühlschrank, Schlagsahnezapfer und Eismaschine ‚Rapidchen‘ inklusive“. Von den einst 50 Stück gibt es heute nur mehr vier Stück. Und zwar in Regensburg, Wangen im Allgäu, Lindau und eben in der Landeshauptstadt – der Stolz der Bregenzer am Rande der Seeanlagen. Letzterer ist zudem der einzige seiner Art, der nach wie vor seiner ursprünglichen Bestimmung, dem Verkauf von Milchgetränken, nachkommt. Allerdings tut er dies nicht mehr am ursprünglichen Errichtungsort, denn der Nostalgiekiosk musste den Folgen der Moderne weichen – dem Ausbau der Seestraße. 

Ein Denkmal gesetzt
Wie wichtig den Bregenzern ihr Milchpilz ist, zeigt sich auf verschiedenste Arten. So kam es fast zum Aufstand, als 2013, das charakteristische Rot-Weiß des Fliegenpilzdaches aufgrund der Design-Messe „Art Design“ in Feldkirch durch eine schwarz-weiße Lackierung ersetzt wurde. Als vernommen wurde, dass es sich nur um eine temporäre Veränderung handelt, waren die Gemüter wieder beruhigt. 
Das Aussehen sowie der Erhalt des kultigen Kiosks liegt aber nicht nur der Bevölkerung am Herzen, sondern auch dem Bundesdenkmalamt. Die Folge daraus: Der Milchpilz steht bereits seit 2011 unter Denkmalschutz. So heißt es in der Begründung: „Seine Herstellung als Serientyp in Holzfertigbauweise erinnert an die architektonischen Bestrebungen der Nachkriegszeit nach billig und schnell zu errichtenden Bauten, wie sie in größerer Dimension beispielsweise mit den Notkirchen Otto Bartnings entstanden. Die Kunst der Fünfziger Jahre lebte von der Improvisation: mit wenig Material und viel Form entsteht moderne Atmosphäre. Die rot-weiße Kunststoffbespannung des Pilzes entspricht dem Siegeszug der Plastikfolien in dieser Zeit als Vorhangbahnen, Möbelbezugsstoff oder Wandbespannung, die das Wohnen billig, farbig und zeitgemäß machte.“

Durch Zufall zur Milchpilz-Pächterin
Im heurigen Jubiläumsjahr hat der Milchpilz zudem eine neue Pächterin bekommen. Bei Tamara Faber, die bereits die benachbarte „Welle“ am Seeufer führt, kam der Wunsch nach einem zweiten Standort auf. „Wir haben dann ein bisschen überlegt und dann kam natürlich auch der Milchpilz zur Sprache, obwohl dieser zu diesem Zeitpunkt verpachtet war“, erzählt die Neo-Milch­shake-Expertin. Sie habe diesen Gedanken aber schnell wieder verworfen, da der Pilz ohnedies nicht zur Verpachtung stand. „Kurz darauf hat mich mein Vater aber darauf hingewiesen, dass in der Zeitung stand, dass neue Pächter für den Milchpilz gesucht werden. Da habe ich nicht lange gezögert, mich beworben und den Zuschlag erhalten“, freut sich Faber, deren Milchpilz bereits in die Sommersaison gestartet ist. Äußerlich hat der Kiosk einige kleine Änderungen erhalten, so schmücken Blumen den Gastgarten und grenzen diesen gemeinsam mit roten Bändern von der Straße ab. „Hinsichtlich des Sortiments ist, bis auf die Bechergrößen und die Auswahl der Geschmackrichtungen alles beim Alten geblieben. Wir haben dieselben Brötchen vom selben Bäcker und Klassiker wie der ‚Eiersemmel‘ sind natürlich weiterhin im Sortiment“, führt die neue Pächterin aus. Der Milchpilz solle schließlich genau so bleiben, wie er immer war und wofür in Einheimische und Gäste lieben.
Und damit das auch die kommenden Jahre und Jahrzehnte so bleibt, hat sich die Stadt Bregenz bereits vor längerer Zeit beim derzeitigen Eigentümer, der Vorarlberg Milch, das Vorkaufsrecht für das wahre Wahrzeichen von Bregenz gesichert. So werden wohl noch viele Generationen in den Genuss einer Bananenmilch aus dem Joghurtbecher kommen und diese Kindheitserinnerungen an ihren eigenen Nachwuchs weitergeben.

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