Andreas Dünser

Chefredakteur "thema vorarlberg" (andreas.duenser@themavorarlberg.at)

Internationale Fachkräfte: Rekrutieren und Integrieren

Mai 2025

Der Wirtschaftsstandort Vorarlberg ist auf internationale, hochqualifizierte Fachkräfte angewiesen. Industrie-Unternehmen rekrutieren, Expats verlassen das Land oftmals aber wieder recht schnell. Unternehmer Thomas Gabriel bietet einen Ausweg.

Vorarlbergs große Weltmarktführer und Hidden Champions stehen im Wettbewerb um internationale und hochqualifizierte Fachkräfte, sie rekrutieren international, bieten diesen sogenannten Expats interessante Jobs, gute Gehälter und attraktive Bedingungen. Wobei die Bedeutung hochqualifizierter ausländischer Arbeitskräfte in Österreich generell, aber gerade in unserem Bundesland überdurchschnittlich hoch ist. Einer Erhebung des Instituts für höhere Studien zufolge gehen knapp 12 Prozent des österreichischen BIP auf Expats zurück – und „hängen allein in Vorarlberg 35.000 Jobs von der Wertschöpfung solcher internationalen Arbeitskräfte ab“. Angesichts des Arbeitskräftemangels wären dringend weitere Kräfte zu rekrutieren. Die Wirtschaftskammer Vorarlberg und die Industriellenvereinigung haben deswegen vor knapp zwei Jahren gemeinsam den Expat Service Vorarlberg gegründet, mit dem Ziel, hiesige Unternehmen bei ihrer Rekrutierung von internationalen, hochqualifizierten Fachkräften bestmöglich zu unterstützen. Denn die Zuwanderung wird durch bürokratische Hürden verkompliziert, und – erstmals – in Vorarlberg angekommen, tun sich viele internationale Fachkräfte schwer, sich zu integrieren. Und das hat unbeabsichtigte Folgen: Viele Expats verlassen das Land überdurchschnittlich schnell wieder. Vor allem mangelnde soziale Integration verkürze die Beschäftigungsverhältnisse, heißt es. Anders formuliert: Die hochqualifizierten Fachkräfte, die ins Land kommen, schließen kaum Bekanntschaften in Vorarlberg, finden kaum Anschluss.

Neue Wohnformen
Doch ist der Umstand, dass viele das Land recht schnell wieder verlassen, auch auf andere Umstände zurückzuführen: Die Menschen begeben sich nach der erfolgten Jobzusage vom Ausland aus digital auf Wohnungssuche, ohne Ortskenntnis, mit all den damit verbundenen Schwierigkeiten. „Bei Einzug“, sagt Thomas Gabriel, „sind sie dann oftmals zum ersten Mal in Vorarlberg.“ Und haben dann in neuem, fremdem Umfeld Behördengänge zu absolvieren, Wohnungen zu möblieren, sich um Internetanschlüsse zu erkundigen und vieles mehr. Alles ist neu, nichts bekannt, vieles umständlich. Dabei müsste und möchte man sich doch in erster Linie um den neuen Job kümmern. Und da schließt Gabriels Projekt an. Denn die Expats „benötigen nicht nur einen attraktiven Arbeitsplatz, sondern auch ein funktionierendes Lebensumfeld.“ Ausgehend von der Überlegung, dass Fachkräfte nicht in typischen Werkswohnungen unterkommen wollen und klassische Mietmodelle oft zu unflexibel sind, schuf Gabriel gemeinsam mit Partnern etwas Neues: Eigene, an den Bedürfnissen dieser internationalen Fachkräfte ausgerichtete neue Wohnformen. Interessierte können sich „vollständig online und unkompliziert“ für bereits möblierte Appartements an Standorten mit guter öffentlicher Anbindung bewerben, die Laufzeiten sind flexibel, ohne langfristige Bindung – aber mit der Option auf Verlängerung.
Zwei Häuser, das Schorenhaus in Dornbirn und das Walgauhaus in Nüziders, sind bereits in Betrieb, ein drittes ist in Fertigstellung, im August ziehen dort die ersten ein, in Ludesch. Und in Dornbirn wird ein weiteres Haus errichtet, geplant von Hermann Kaufmann Architekten. Knapp 100 Wohnungen werden den Expats dann insgesamt zur Verfügung stehen. Pia Kneutgen kommt aus Deutschland. Sie wohnt im Walgauhaus, Nüziders, und sagt: „Als Trainee hatte ich keine Zeit, mich wochenlang um eine Wohnungssuche und Möblierung zu kümmern. Die fixfertig ausgestattete Wohnung im Walgauhaus hat mir den Start enorm erleichtert.“
Gabriel zufolge lassen sich diese Häuser zwar grundsätzlich als temporäre Unterkünfte für Berufstätige bezeichnen, „sie unterscheiden sich allerdings deutlich von klassischen Personalunterkünften, wie man sie etwa noch aus Zeiten der Textilindustrie kennt.“ Gabriels Häuser sind in diesem Sinne betriebsübergreifend: Die Bewohner kommen aus den unterschiedlichsten Branchen und von den verschiedensten Unternehmen. Man hat ergo nicht ausschließlich Kontakt mit der Kollegenschaft am Arbeitsort, sondern auch mit anderen, in einem quasi neutralen Umfeld. 

International und lokal
Die Bewohner und Bewohnerinnen arbeiten in Bereichen wie Architektur, IT, Lichtdesign, Maschinenbau, Werbung oder Medizintechnik, sie kommen aus Deutschland, Spanien, Italien, Südafrika oder England. Gleichgesinnte treffen sich dort, Gleichgesinnte helfen sich dort bei der Akklimatisierung, bei der Einordnung des Neuen. Gabriel versucht bei der Vergabe der Wohnungen möglichst Leute mit gleichem Mindset zu berücksichtigen, er schaut ganz bewusst aber auch darauf, „dass auch Hiesige in diese Häuser einziehen. Das kann also durchaus auch die Vorarlberger Studentin sein, die aus Wien zurückkommt, um hier zu arbeiten.“ Die Mieterinnen und Mieter in diesen Häusern, mit Durchschnittsalter um die 30 Jahre, wollen sich zwar in ihre Wohnungen zurückziehen können, aber trotzdem nicht alleine sein, erklärt Gabriel. Er konnte bislang eines ganz gut beobachten: „Wer Anschluss findet, bleibt tendenziell länger im Land.“ Das gilt übrigens vor allem für jene, die sich in einem Sportverein, oder generell in einem Verein engagieren. Gabriel sagt: „Unser digitaler Bewerbungsprozess sowie der unkomplizierte Einzug in eine möblierte Wohnung unter Gleichgesinnten erleichtern ihnen den Start in Vorarlberg enorm. Es ist anschlussfähig an das Leben, das viele junge Fachkräfte heute führen wollen.“
Das Ziel war bereits vom Expat Service Vorarlberg formuliert worden: „Expats sollen sich in Vorarlberg zu Hause fühlen – und dem Arbeitsmarkt möglichst lange erhalten bleiben.“

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