David Stadelmann

* 1982, aufgewachsen in Sibratsgfäll, ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Bayreuth, Fellow bei CREMA – Center for Research in Economics, Managemant and the Arts; Fellow beim Centre for Behavioural Economics, Society and Technology (BEST); Fellow beim IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues; Fellow am Ostrom Workshop (Indiana University); Mitglied des Walter-Eucken-Instituts.

 

Kostenwahrheit statt erneutem „Klimanotstand“

Juni 2021

Nach dem Corona-Notstand dürften Forderungen zur Ausrufung eines erneuten „Klimanotstands“ drohen. Dabei wäre das Problem des Klimawandels mit umfassender Kostenwahrheit einfach zu lösen.

Kranke Klimapolitik

Die Politik will die Erderwärmung auf 1,5 Grad regulieren. Seit der vorindustriellen Zeit hat sich die globale Mitteltemperatur um etwa 1,0 Grad erhöht, und in Österreich ist die Zunahme rund doppelt so hoch. Allerdings wünschen sich nur wenige die Temperaturen von 1850 zurück. 
Die Regierung rechtfertigt ihre Klimaziele mit internationalen Abkommen wie jenem von Paris. Doch die internationale Klimapolitik ist teuer und weitgehend unwirksam. Darüber hinaus beruht sie auf Verträgen mit vielen Regierungen, die oft die Menschenrechte bestenfalls auf dem Papier würdigen, Oppositionelle einsperren, kritische Medienschaffende beseitigen oder ganze Volksgruppen internieren. Es erstaunt, wie genau dieselben Regierungen im Klimabereich das Wohl aller Weltbürger repräsentieren sollen. Naheliegender wäre, dass für sie die internationale Klimapolitik als eine Art Macht­instrument dient.

Es braucht gesunden Klimaschutz

Der Klimawandel wird nach den Erkenntnissen des Weltklimarates der Vereinten Nationen das Wachstum des Wohlstands senken. Während der weltweite Wohlstand bis Ende des 21. Jahrhunderts im Vergleich zu heute um etwa 450 Prozent steigen würde, könnte sich die Steigerung nach verschiedenen Modellrechnungen aufgrund von Klimaschäden auf 434 Prozent reduzieren. Klimaschäden senken also den erwartbaren Wohlstandsgewinn. Kein ernsthaftes Szenario geht bei anhaltendem technischen Fortschritt  davon aus, dass zukünftige Generationen aufgrund des Klimawandels ärmer wären als die heutige. Bekanntlich unterliegen Modellrechnungen für die ferne Zukunft zahlreichen Unsicherheiten, die sich positiv oder negativ auswirken können. 
Klar ist, dass Klimaschutz wichtig ist. Dabei gilt es, nicht das Klima in den Mittelpunkt zu stellen, sondern den Menschen mit all seinen Facetten. Neben Klimaschutz gibt es weitere Ziele. Dazu gehören etwa das Ende von Armut und Hunger in der Welt, die Reduktion der Gefahr zukünftiger Pandemien, gute Arbeitsbedingungen oder die Verhinderung von kriegerischen Konflikten. Viele dieser Ziele benötigen substanzielle Mittel, um sie zu erreichen. Wer den Klimaschutz über alles stellt, tut dies auf Kosten anderer wichtiger Ziele und so zum Schaden vieler Menschen. Daher braucht es ein gesundes Maß an Klimaschutz. 

Kostenwahrheit als Retter

Gesunder Klimaschutz ist erstaunlich einfach zu erreichen: Klimabelastende Aktivitäten sollen sich weniger lohnen, zugleich muss sich Arbeit wieder mehr lohnen. Dazu muss Arbeit steuerlich entlastet werden, und diese Entlastung soll über eine CO2-Abgabe finanziert werden, sodass die Nettobelastung für die Bürger gleich bleibt. Für die CO2-Abgabe müssen zukünftige Schäden wissenschaftlich geschätzt und den heutigen Verursachern in Rechnung gestellt werden. Es muss also Kostenwahrheit gelten. Kostenwahrheit setzt die richtigen Anreize, Emissionen zu mindern und klima­freundliche Technologien zu entwickeln. Da klimabelastende Aktivitäten bepreist werden, erübrigen sich die meisten bestehenden Regulierungen und Subventionen zum Klimaschutz. Sie können aufgehoben werden. 
Eine optimale CO2-Abgabe sollte international möglichst einheitlich sein, ausnahmslos alle Emissionen erfassen und heute rund 40 Euro pro Tonne CO2 betragen. Bis 2030 sollte sie auf 75 Euro steigen. Da eine derartige Abgabe effizienten Klimaschutz bringt, liegt sie tiefer als manche der heutigen Lenkungsabgaben, die oft viele Ausnahmen bieten und unrealistische Klimaziele in Branchen mit sehr hohen Vermeidungskosten erzwingen wollen.

Die Feinde der Kostenwahrheit

Die echte Schwierigkeit ist, Kostenwahrheit im Klimabereich umzusetzen. Manche Politiker reden vornehmlich über Kostenwahrheit. Im Regelfall sind sie aber auf der Jagd nach zusätzlichen Einnahmen und wollen das liebe, schöne Geld nicht direkt wieder an die Bevölkerung zurückgeben. Unternehmer-Lobbys kämpfen für Ausnahmeregelungen im CO2-Bereich und für Subventionen. Manche ideologischen Lobbys stellen das Klima über alles und lehnen Kostenwahrheit ab, weil es sich um eine marktwirtschaftlich orientierte Lösung handle. Die staatliche Verwaltung erhält ihre Macht durch das Regulieren, weshalb sie sich gegen eine Problemlösung durch Kostenwahrheit sträubt, da dadurch viele Vorschriften überflüssig würden. Diese Konstellation macht die Umsetzung gesunder Klimapolitik als Paket von CO2-Abgabe, Steuersenkung und Regulierungsreduktion in der repräsentativen Demokratie fast unmöglich.
Direktdemokratisch ginge es besser! Am 13. Juni stimmt das Schweizer Volk über ein CO2-Gesetz ab, das wenigstens vordergründig auf Kostenwahrheit setzt. Hauptelement ist eine CO2-Abgabe, die zu zwei Dritteln direkt an die Bevölkerung zurückgegeben wird. Doch selbst die Schweiz betreibt Kostenwahrheit nur halbherzig: Die geplante CO2-Abgabe ist deutlich höher als weltweit optimal, was sich nicht wirklich damit entschuldigen lässt, dass die Schweiz auch deutlich reicher als der Weltdurchschnitt ist. Das Schweizer Gesetz subventioniert mit einem Drittel der Einnahmen gut organisierte Interessengruppen. Ideologen sind gegen das CO2-Gesetz, weil es „grünen Kapitalismus“ darstelle. Und die Schweizer Verwaltung will nicht weniger regulieren, sondern eher mehr. Trotz alledem würde die Schweiz, sofern das CO2-Gesetz angenommen wird, wohl ab dann einen gesünderen Klimaschutz verfolgen als die meisten anderen Länder Europas. Deren Klimapolitik ist krank, und daran ändert ein baldiger, neuer „Klimanotstand“ nichts.

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