Peter Bussjäger

Peter Bussjäger (*4. Mai 1963 in Bludenz) ist Verfassungs- und Verwaltungsjurist. Bußjäger war zehn Jahre Direktor des Vorarlberger Landtags. Der Bludenzer ist Professor an der Universität Innsbruck, Direktor des Instituts für Föderalismus und Forschungsbeauftragter des Liechtenstein-Instituts sowie Mitglied des Liechtensteinischen Staatsgerichtshofs. 

(Foto: © Heinz Stanger)

Letzter Aufruf Steuerautonomie?

Juni 2015

Es gibt wieder Verhandlungen über den Finanzausgleich. Das gegenwärtige Finanzausgleichs­gesetz aus dem Jahre 2008 sollte ursprünglich 2013 auslaufen und wurde seither mehrmals verlängert. Es wird nun definitiv am 31. Dezember 2016 außer Kraft treten.

Um was geht es beim Finanzausgleich? Nach der bestehenden Finanzverfassung hebt der Bund die meisten Steuern ein und verteilt ihren Ertrag im Finanzausgleichsgesetz auf die drei Ebenen Bund, Länder und Gemeinden. Der Bund ist dabei verpflichtet, die Steuereinnahmen sachgerecht zu verteilen, sodass jede Ebene ihre Aufgaben erfüllen kann.

Natürlich denkt der Bund bei der Verteilung auch an sich selbst, was sich schon daran zeigt, dass er zwei Drittel der Steuereinnahmen für sich behält. Das dritte Drittel müssen sich Länder und Gemeinden teilen. Im internationalen Vergleich mit anderen föderalen Staaten ist Österreich damit ein Land, in dem der Anteil der zentralen Ebene an den Staatsausgaben ungewöhnlich hoch ist.

Grundsätzlich falsch ist es, wenn man davon spricht, dass Länder und Gemeinden das Geld des Bundes ausgeben. Alle drei Ebenen – Bund, Länder und Gemeinden – geben das Geld der Steuerzahler aus.

Der Bund hat in der rechtlichen Auseinandersetzung um die Finanzen eindeutig die besseren Karten. Das Finanzausgleichsgesetz wird vom Nationalrat beschlossen. Weder die Länder noch der Bundesrat haben dagegen ein wirksames Einspruchsrecht. Allerdings ist der Bund nach der Rechtssprechung des Verfassungsgerichtshofs verpflichtet, vor der Erlassung des Finanzausgleichsgesetzes mit den Ländern und Gemeinden Verhandlungen zu führen mit dem Ziel, eine Einigung über die Aufteilung der Steuereinnahmen zu erzielen. Um diese Verhandlungen geht es in den folgenden Monaten.

Die Finanzausgleichsverhandlungen sind in der Vergangenheit nach einem bestimmten Ritual abgelaufen: Der Bund hat den Ländern regelmäßig gedroht, ihre Anteile zu kürzen, und hat das in vielen Fällen auch durchgezogen. Meistens hat er auch die Wohnbauförderung infrage gestellt. Die Landeshauptleute haben ihren Bürgern dagegen versprochen, die Wohnbauförderung mit Zähnen und Klauen zu verteidigen. Das ist ihnen zwar regelmäßig gelungen, insgesamt ist das finanzielle Gewicht des Bundes aber über die Jahre gestiegen.

Mit dem Finanzausgleich 2008 konnte der Trend zugunsten des Bundes gestoppt werden. Entsprechend kritisch fielen auch die Reaktionen der bundesweiten Medien aus, die den damaligen Finanzminister Molterer bezichtigten, vor den Landeshauptleuten in die Knie gegangen zu sein, obwohl er nur das Übergewicht des Bundes ein bisschen korrigiert hatte.

Die Voraussetzungen für die neuen Verhandlungen sind für die Länder diesmal nicht besonders günstig: Vor allem Kärnten steht finanziell mit dem Rücken zur Wand. Das Kärnten-Debakel kann auch bei anderen Ländern zu Problemen führen, wenn sie Kredite aufnehmen wollen. Dazu kommt die von Politikern auf Bundesebene immer wieder fälschlicherweise verbreitete Meinung, die Länder würden nur das Geld des Bundes verschleudern. Auch das dümmliche Wort „Spendierföderalismus“ gehört in diese Kategorie.

Die Bürger werden die Verhandlungsergebnisse jedenfalls zu spüren bekommen: Die Standards der Gesundheitsversorgung, des öffentlichen Personennahverkehrs oder die Wohnbauförderung können nur dann im gewohnten Maße aufrechterhalten werden, wenn die finanziellen Mittel weiterhin fließen. Projekte wie die Energieautonomie Vorarlbergs hängen wesentlich davon ab, über welche finanziellen Spielräume das Land in Zukunft verfügt.

Man kann hoffen, dass das „bewährte“ Ritual beibehalten wird: Es wird einige schwierige Verhandlungsrunden geben, in denen alles infrage gestellt werden wird, um am Ende doch in einem Kompromiss zu enden, den alle mehr oder weniger mittragen können.

Eine wirklich spannende Frage wird sein, ob es im Rahmen des Finanzausgleichs gelingen wird, zumindest Ansätze einer Steuerautonomie der Länder zu verwirklichen. Ziel der Steuerautonomie ist es, dass die Länder in Zukunft sich zu einem wesentlich größeren Teil als derzeit aus eigenen Steuereinnahmen finanzieren und dadurch auch Einnahmen- und Ausgabenverantwortung stärker zusammengeführt werden. Gegenwärtig finanzieren die Länder nur zwei Prozent ihrer Ausgaben durch eigene Steuern wie die Naturschutz- oder die Kriegs­opferabgabe.

Durch die Steuerautonomie werden die Länder auch hinsichtlich der Einnahmen gegenüber ihren Bürgern verantwortlich, sodass sie, das lehrt die Erfahrung in der Schweiz, mit den Ausgaben besonders verantwortungsvoll umgehen. Steuer­autonomie ist eigentlich eine jahrzehntealte Forderung der Länder, die möglicherweise erstmals umgesetzt wird. Finanzminister Schelling scheint jedenfalls entschlossen zu sein, diese Frage ernsthaft zu diskutieren. Ob seine Beamten dieselbe Ernsthaftigkeit zeigen, wird sich weisen. Es wird sich zeigen, wie breit die Basis von Politikern ist, für die Steuerautonomie kein rotes Tuch ist, sondern einen sinnvollen Wettbewerb um mehr Effizienz ermöglichen kann.

Es ist nicht zu erwarten, dass am Ende der Verhandlungen ein Steuerföderalismus wie in der Schweiz steht. Aber es könnte einen ersten Schritt in diese Richtung geben, in dem die Länder beispielsweise über einen größeren Anteil an der Einkommen- und der Körperschaftsteuer eigenständig entscheiden. Umwälzende Neuerungen sollte man sich jedoch nicht erwarten. Am Ende wird das Glas – je nach Perspektive – vielmehr halb voll oder halb leer sein.

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