David Stadelmann

* 1982, aufgewachsen in Sibratsgfäll, ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Bayreuth, Fellow bei CREMA – Center for Research in Economics, Managemant and the Arts; Fellow beim Centre for Behavioural Economics, Society and Technology (BEST); Fellow beim IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues; Fellow am Ostrom Workshop (Indiana University); Mitglied des Walter-Eucken-Instituts.

 

Mit Freude investieren

September 2022

Viele Anleger und ihre Berater wollen mit aktiven Anlagestrategien den Finanzmarkt schlagen. Doch gemäß der Theorie effizienter Märkte ist das nicht möglich. Gut daran ist, dass Kleinanleger genau deshalb mit Freude investieren können und ihre Investitionen sollten ihnen auch Freude machen.

Effiziente Märkte und Zufallsbewegungen
Am Finanzmarkt versuchen unzählige Akteure die zukünftigen Wertpapierkurse vorauszusehen. Durch geschicktes Kaufen und Verkaufen von Wertpapieren hoffen sie, höhere Renditen als der Markt zu erzielen. Dabei passen sie ihre Strategien, Portfolios oder Handelsalgorithmen fortlaufend an. Die heutigen Wertpapierkurse spiegeln all diese Aktivitäten wider. Sie reflektieren insofern das derzeitige Wissen, die vorhandenen Informationen, Erwartungen und Einschätzungen der Marktteilnehmer.
Sobald neue Informationen an den Markt gelangen, nehmen sie die Marktteilnehmer auf. Sie passen ihre Erwartungen und Portfolios an, was zu Kursbewegungen führt. Doch die „neue Information“ war für sie eben neu! Sie war nicht voraussehbar. Entsprechend sind die Kursbewegungen von Wertpapieren nicht voraussehbar. Vielmehr folgen sie einer Art Zufallsbewegung, dem sogenannten Random Walk. 
Zwar ist im Nachhinein einfach erklärbar, warum ein bestimmtes Wertpapier im Kurs gestiegen oder gefallen ist. Doch die Kursbewegung vorab vorauszusehen ist gemäß der Theorie effizienter Märkte nicht möglich.
Manche Anleger behaupten trotzdem, sie könnten den Markt schlagen. Tatsächlich gibt es immer Anleger, die Glück hatten und höhere Renditen als der Markt erzielten. Entsprechend ist auch nicht ausgeschlossen, dass mancher Anleger den Markt über mehrere Jahre schlägt, einfach aus Zufall. Es gibt aber auch jene, die über viele Jahre Pech haben. 

Alles nur Theorie
Viele Berater lehnen die Theorie der Markteffizienz ab. Markteffizienz wäre nur Theorie und in der Realität wären die Finanzmärkte nicht effizient. Damit liegen sie richtig, denn es handelt sich nur um Theorie. Doch das ist nicht wichtig. 
Es ist klar, dass Finanzmärkte nicht vollständig effizient sind und damit nicht vollständig der Theorie entsprechen. Doch um höhere Gewinne als der Markt zu realisieren, ist es notwendig, die Kursentwicklung von Wertpapieren halbwegs verlässlich vorauszusagen. Genau das ist auf realen Finanzmärkten unmöglich: Eine Viruspanik, eine Gaskrise, Staatsbankrotte, kriegerische Auseinandersetzungen oder Herdenverhalten sind genauso wenig systematisch voraussagbar wie neue Impfstoffe, das Auffinden ungenutzter Energiequellen, erfolgreiche Friedensangebote oder neue Moden. Vorab die Kursentwicklung vorauszusehen ist daher in der Realität genauso wenig möglich wie auf theoretisch effizienten Märkten. Insofern bleibt die Kursentwicklung ein Zufall. 
Nur wer über Insiderwissen verfügt, kann systematisch Voraussagen über Kursentwicklungen machen. Er kann damit auch den Markt schlagen. Doch nur wenige Anleger verfügen über Insiderwissen und dessen aktive Nutzung zur Erwirtschaftung höherer Renditen ist illegal. Nun mag es vielleicht ab und an eine geniale Anlagestrategie geben, die höhere Renditen als der Markt ermöglicht. Doch wäre es mehr als verwunderlich, wenn die Entwickler einer solchen Strategie diese nicht geheim hielten, bis sie selbst wirklich steinreich sind. Denn wenn eine derartige Strategie tatsächlich besteht und publik würde, wäre sie bald nicht mehr gewinnbringend, da unzählige Anleger versuchen würden sie einzusetzen. Ihr Gewinnversprechen würde völlig wegspekuliert.
Die Tatsache, dass sich viele Banken aus dem Eigenhandel zurückgezogen haben, zeigt, dass es trotz ihrer Kompetenz und Markterfahrung auch für sie nicht möglich ist, den Markt systematisch zu schlagen. Geld verdienen sie offenbar einfacher mit dem Verkauf ihrer Finanzmarktprodukte und ihrer Beratungsdienstleistungen, als wenn sie ihre eigenen Anlagestrategien am Finanzmarkt anwenden würden. 

Anwendung von Theorie mit guter Beratung
Der einzelne Anleger kann gute Anlagemöglichkeiten vorab nicht identifizieren, genauso wenig wie er schlechte vorab vermeiden kann. Die Kursentwicklung ist nicht systematisch voraussagbar. Das hat weitreichende Konsequenzen, die eine angepasste Finanzberatung besonders bedeutsam machen. Zwar kann man als Anleger den Markt nicht schlagen. Gleichzeitig kann man aber auch nicht schlechter abschneiden als der Markt selbst, wenigstens sofern die Kosten der Wertpapiertransaktionen möglichst gering bleiben. Egal, was man macht, die erwartete, risikobereinigte Rendite jeder Anlage am Finanzmarkt ist gleich. Daher können Anleger ihr Geld einfach mit Freude breit investieren. Oder besser noch, sie können in das investieren, was ihnen Freude bereitet oder für sie persönlich Sinn stiftet. Sinnstiftend und Freude bereitend mag für den einen auch ein Investment in das eigene Haus sein, für den anderen ein Investment in die eigenen Kinder oder in einen lokalen Verein. Für Anleger ist es dementsprechend eine sinnvolle Anlagestrategie, möglichst die Summe aus einer finanziellen Rendite und immateriellen Rendite aufgrund der Freude an den getätigten Investments zu maximieren. 
Dabei gilt es weiterhin, gewisse Regeln zu beachten. So sind Risiken möglichst zu diversifizieren, wenn ein Anleger eher risikoavers ist. Gute Beratung zielt dabei insbesondere auf die richtige und auf den Anleger angepasste Diversifikation des Portfolios. Wenn Anleger mit Freude investieren und Investments auch Freude bereiten, müssen die Berater die Interessen, Wünsche und Gefühle ihrer Kunden sehr gut kennen, um gezielt kompensierende Möglichkeiten zur Risikodiversifikation anbieten zu können. Gemeinsam mit dem Anleger ein Portfolio zu optimieren, das die Summe aus finanziellen und immateriellen Renditen maximiert, bietet großartige Chancen für spezialisierte Finanzberater. Großbanken oder auch Direktbanken haben hierbei hingegen eher das Nachsehen, denn sie kennen ihre Kunden nicht ausreichend persönlich. Spezialisierte Finanzberater müssen nur die Theorie der effizienten Märkte konsequent zu Ende denken und ihren Kunden ein entsprechend individualisiertes Diversifikationsangebot unterbreiten, womit sie diese beim Ausleben der Freude an ihren Investments unterstützen.

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