David Stadelmann

* 1982, aufgewachsen in Sibratsgfäll, ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Bayreuth, Fellow bei CREMA – Center for Research in Economics, Managemant and the Arts; Fellow beim Centre for Behavioural Economics, Society and Technology (BEST); Fellow beim IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues; Fellow am Ostrom Workshop (Indiana University); Mitglied des Walter-Eucken-Instituts.

 

Nächste Krise: Inflation?

Februar 2022

Zwei Jahre Corona-Krise mit staatlichen Einschränkungen führen zu Nebenwirkungen. Bei den Krisenfolgen schneidet Österreich schlechter als die deutschsprachigen Nachbarn ab. Aus gesundheitlicher Perspektive beklagen wir bis Ende 2021 mehr Corona-Tote pro Einwohner als Deutschland und die Schweiz. Ein Blick auf den Arbeitsmarkt zeigt, dass bei den Nachbarn die Arbeitslosenrate niedriger ist als hierzulande. Bei den Staatsfinanzen weisen die Nachbarn tiefere Schulden im Vergleich zur Wirtschaftsleistung aus und das für 2022 vorausgesagte Budgetdefizit ist in Deutschland geringer als in Österreich – in der Schweiz rechnet man mit einem kleinen Überschuss. Erste Daten zur nominellen Wirtschaftsleistung legen nahe, dass sich die Nachbarn bis Ende 2021 wirtschaftlich besser erholt haben.
Doch ist die nominelle Wirtschaftsleistung um die Inflation zu korrigieren, denn es geht darum, wie viel sich die Bürger an Gütern und Dienstleistungen leisten können. Während das schlechte Abschneiden Österreichs im Vergleich zu den deutschsprachigen Nachbarn weitgehend hausgemacht ist, ist die Inflation nicht vorrangig der nationalen Politik geschuldet. 

Inflation ist bereits da

Unter Inflation versteht man einen allgemeinen Anstieg des Preisniveaus. Ein Anstieg des allgemeinen Preisniveaus bedeutet, dass das Geld weniger wert wird. Die Bürger können sich für ihr Geld weniger Güter und Dienstleistungen leisten. 
Nun muss man nicht philosophieren, ob Inflation kommt oder nicht. Sie ist bereits da. In der Eurozone herrschen derzeit rund fünf Prozent Inflation – ein Rekord. Zurückzuführen ist diese Inflation mitunter auf durch chinesische Null-COVID-Politik verursachte Brüche in internationalen Lieferketten, höhere Energiepreise, steigende oft wenig produktive Staatsausgaben und die extrem lockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB), die sich in tiefen Zinsen widerspiegelt. Diese tiefen Zinsen treiben seit Jahren die Immobilienpreise. Jetzt steigen auch die Konsumentenpreise.
Gemäß ihrem Mandat wäre es Aufgabe der EZB für Preisstabilität im Euroraum zu sorgen. Unter Preisstabilität wurde in der Vergangenheit eine Inflationsrate von knapp unter zwei Prozent verstanden. Mittlerweile strebt die EZB eher ein Inflationsziel von rund zwei Prozent mittelfristig an. Achtung! Das bedeutet, dass die EZB derzeit der Meinung ist, auf den starken Anstieg der Inflation würde ein spürbarer Rückgang folgen. Tatsächlich kann niemand die These der EZB widerlegen, dass die Inflation in vielleicht 2023 oder 2024 wieder klar unter zwei Prozent liegen könnte. 
Es könnte aber natürlich völlig anders kommen. Die Zukunft ist ungewiss. Selbstverständlich basieren die Entscheidungen und Prognosen der EZB auf Modellrechnungen. Umfragen zu den Erwartungen der privaten Haushalte und Unternehmen würden jedoch eher auf Aufwärtsrisiken der Inflation hinweisen.

Inflation ist inhärent instabil

Inflation ist in Modellen deutlich schwieriger vorauszusagen als Viruswellen. Bei der Seuche der Inflation hängt nämlich fast alles vom Verhalten und den Zukunftserwartungen der Menschen ab. Für eine halbwegs verlässliche Voraussage der Inflation muss man daher das Verhalten der Konsumenten, Unternehmen, Staaten, anderer Zentralbanken und noch vieler weiterer menschlicher Akteure sowie deren Zukunftserwartungen kennen. Noch dazu spielen sowohl vernünftiges wie unvernünftiges, erratisches Verhalten aller Beteiligten für die zukünftige Inflation eine Rolle. Sobald höhere Inflation einmal da ist, ist sie inhärent instabil. Das heißt, höhere Inflation kann zu noch höherer Inflation führen.
So scheint es plausibel, dass die Gewerkschaften bald fordern, eine Steigerung der Gehälter müsse mehr als die bereits akkumulierte Inflation abdecken. Kein von einer guten Gewerkschaft vertretener Arbeitnehmer möchte die Kaufkraft seines Gehaltes aufgrund höherer Preise geschmälert sehen. Wenn nun aber die Gehälter insgesamt steigen, werden die Firmen nicht nur den Kostendruck der bereits gestiegenen gewerblichen Erzeugerpreise an die Verbraucher weitergeben, sondern natürlich auch wenigstens Teile der Kosten der Gehaltserhöhungen. Damit kann eine Lohn-Preis-Spirale in Gang kommen und die Inflation könnte in Schüben stattfinden. Hinzu kommt, dass die amerikanische Zentralbank Fed bereits mehrere Zinserhöhungen plant. Das macht die Geldanlage in den USA attraktiver und der Euro sollte gegenüber dem Dollar an Wert verlieren. Ein höherer Dollar würde die Importpreise in Europa weiter steigern. Zuletzt dürfte das Mantra der „Vergrünung“ der Wirtschaft ebenfalls ein gewaltiger Kostentreiber sein. Diese Preissteigerungen sind nationaler Umwelt-, Klima- und Energiepolitik zuzuschreiben.
Warum versucht die EZB nicht zumindest in dem von ihr beeinflussbaren Rahmen, Preisstabilität herzustellen und die Inflation etwas zu bekämpfen? Immerhin steht ihr Ruf auf dem Spiel und das Vertrauen in den Euro. Zwar könnte die EZB Zinserhöhungen ähnlich der Fed in den USA durchführen. Allerdings würde es nicht reichen, eine Zinserhöhung nur anzukündigen, ohne tatsächlich auch die in den letzten Jahren ausgegebene Geldmenge zu verkleinern. Die EZB hat über Staatsanleihenkäufe im Wert von mehreren Billionen Euro indirekt hochverschuldete Eurostaaten mitfinanziert. Eine direkte Staatsfinanzierung ist der EZB zwar rechtlich verboten. Aber die EZB argumentierte immer, die Staatsanleihenkäufe dienten ihr als Mechanismus zur Durchführung ihrer geldpolitischen Aufgabe. Das ist zwar technisch richtig, aber das Inflationsdilemma bleibt und wächst. Denn wenn sie nun Inflation bekämpfen will, muss sie die Zinsen hoch setzen und wenigstens Teile der von ihr gehaltenen Staatspapiere abstoßen. Dadurch würden die Zinsen für Staatsanleihen steigen. Ob alle europäischen Staaten bei höheren Zinsen ihre Schulden vollständig bedienen könnten, ist eher fragwürdig. So manche Regierung eines hoch verschuldeten Staates der Eurozone mag insgeheim auf eine Entlastung durch die Inflation spekulieren, denn Inflation reduziert nicht nur den Geldwert für alle Bürger. Sie spült über das Steuersystem überproportional viel Geld in die Staatskassen. Man mag bald zurecht von einer Inflationssteuer sprechen.

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