Birgit Sonnbichler

Birgit Sonnbichler * 1963 in Bregenz, ist Coach und Geschäftsführerin des Beratungsunternehmens Tag eins – Büro für Wandel: www.tageins.net

Sieben Tipps für die Firmenübergabe

März 2022

Viele Chefs wünschen sich Nachfolger aus der eigenen Familie. Aber gerade mal ein Drittel der Firmen übersteht den Generationenwechsel. Eine Gebrauchsanleitung.

Firmenübergaben innerhalb der Familie sind eine heikle Aufgabe. Wie ist es steuerlich am besten? Wer setzt die Verträge auf? Wer bekommt wie viel Geld? Das sind die Fragen, mit denen sich Firmenchefs bei der Übergabe innerhalb der Familie meist zuerst und oft ausschließlich befassen. Und dann wundern sie sich, warum sie trotzdem scheitern.
Ursachen liegen oft nicht im organisatorischen Teil. Steuerberater, Notare oder Banker leisten jeder für sich einen wichtigen Beitrag. Wenn es aber hakt, liegt es meist im Zwischenmenschlichen. Oft bleibt viel unausgesprochen. Beim Nachfolger zum Beispiel: Warum mischt sich Papa andauernd ein? Immer weiß er alles besser. Und auf Seiten des Gründers: Kriegt der Junior das alleine hin? Immer daheim ist eh fad, ich behalte ihn besser im Auge. Eine gelungene Zutatenliste für Konflikte.
Firmenweitergaben im familiären Umfeld lassen keinen Lebensbereich unangetastet. Privates verschwimmt gänzlich mit Beruflichem. Einzelfälle sind das nicht. Fast überall gibt es Hürden zu meistern. Ein Praxisbeispiel: 
Die Zahnarztpraxis mit rund 20 Mitarbeitern besteht seit 30 Jahren. Der Gründer: ein Pionier, Entwickler zahlreicher Patente, international anerkannter Experte und vom Typ her kreativ und nicht immer planbar. Der Sohn und Nachfolger: ein aufstrebender Experte der Zahnheilkunde, vom Typ her präzise, strukturiert, effizient und verlässlich. Explosiver Zündstoff, den es zu entschärfen galt. 

Tipp 1: Ran an die familiären Konflikte

Alles, was die Familie unausgesprochen belastet, wirkt sich auf die Firmenweitergabe aus. Schicksalsschläge, Verletzungen, Scheidungen, Kränkungen müssen für einen gelungenen Neustart ans Licht geholt werden. Gut möglich, dass auch außenstehende Familienmitglieder etwas dazu beitragen können. Der Nutzen: ein besseres gegenseitiges Verständnis und eine neue Gesprächskultur. 

Tipp 2: Wie ticke ich, und wie tickst du? 

Es gibt unterschiedlichste Persönlichkeitstypen. Nachfolger sind keine Abziehbilder von Vorgängern – oft sogar das Gegenteil. Dieses Anderssein ist häufig Grund für Ärger und Stress. Aber gerade in der Vielfalt liegt die Stärke. Gelungene Übergaben holen das Beste aus beiden Welten. 

Tipp 3: Es ist gut, wie es bisher war

So wichtig und so oft übergangen: Es geht darum, die Leistungen des Gründers zu würdigen. Auch das Team spielt hierbei eine entscheidende Rolle. Jedes Unternehmen hat seine eigene DNA, einen eigenen Charakter, der sich in vielen Jahren entwickelt hat. Diese Werte dürfen nicht von heute auf morgen auf den Kopf gestellt werden, sonst würde man das bisher Geleistete entwerten.

Tipp 4: Neun Monate für neues Leben 

Veränderungsprozesse brauchen Zeit. Alle Beteiligten müssen sie verstehen und den Weg mitgehen. Es braucht Spielraum für unvorhersehbare Ereignisse und Gewöhnung an das Neue. Neun Monate, wie bei einer Schwangerschaft, sind ein angemessener Zeitraum für den Wechsel. 

Tipp 5: Jeder braucht ein attraktives Zukunftsbild

Für den Gründer: Eine Zukunft auf dem Golfplatz? Vielleicht ja. Vielleicht aber auch ein kleines fixes Arbeitspaket in der Firma. Oder ein Einsatz für ein soziales Projekt? Wer kein verlockendes Bild für die Zukunft hat, bleibt im alten Leben hängen und kann nicht loslassen.
Für den Nachfolger: Kann ich wirklich mein ganzes Potenzial in diese Firma einbringen? Wie kann ich Arbeit, Familie, Freizeit vereinbaren? Wie kann ich meine Handschrift einbringen und ein guter Chef sein? Ein energievolles Zukunftsbild motiviert und gibt Kraft für alle Herausforderungen. 

Tipp 6: Wer ist noch betroffen? 

Sehr oft werden die Mitarbeiter vergessen oder sind nicht Bestandteil des Prozesses. Sie würden es gern beiden recht machen. Das kann sie im Alltag vor Zerreißproben stellen. Wer auf Mitarbeiter vergisst, sie im Unklaren lässt, riskiert schnell, dass sie sich beruflich neu orientieren.

Tipp 7: Unterstützung holen und am Ball bleiben 

Regelmäßiges Coaching während und nach dem Prozess hilft, aufkommende Konflikte konstruktiv zu lösen, Lernerfahrungen zu reflektieren und bei ungeplanten Veränderungen möglichst auf Kurs zu bleiben. Vor allem aber bringt es eine objektive Sicht auf die Dinge, um im bewegten Strudel der Übergabe nicht die Richtung zu verlieren.

Zur Person 

Birgit Sonnbichler * 1963 in Bregenz, ist Coach und Geschäftsführerin des Beratungsunternehmens Tag eins – Büro für Wandel: www.tageins.net

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