Michael Grahammer

Unternehmensberater

„Wir sind Europa“ im Finale – Fortsetzung folgt…

November 2018

Mit der österreichischen EU-Rats­präsidentschaft geht auch die Initiative der Wirtschaftskammer, die gemeinsam mit der Industriellenvereinigung und dem Land Vorarl­berg ins Leben gerufen und umgesetzt wurde, in ein vorläufiges Finale. Dank der breiten Unterstützung und dem hohen Engagement der zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter konnte ein buntes und vielfältiges Programm realisiert werden, das nicht zuletzt parteipolitisch motivierte Kritiken Lügen straft, die der Initiative zu Beginn einseitige Manipulation im Sinne der Unternehmerschaft unterstellte. 

Vielmehr war auch die ursprüngliche Idee von der Einsicht getragen, dass Europa und die Europäische Union uns alle angeht und wir alle – Politik und Wähler, Arbeitgeber und Arbeitnehmer, Jung und Alt – für die Entwicklung unserer europäischen Heimat Verantwortung tragen. Allerdings existieren sehr unterschiedliche Auffassungen, in welche Richtung sich die EU entwickeln soll. Während einige meinen, sie sollte ein möglichst loser Bund von Nationalstaaten bleiben, den hauptsächlich der freie Waren- und Kapitalverkehr verbindet, können sich andere durchaus mit dem Gedanken einer politischen Union mit einer europäischen Regierung anfreunden. Nun – aus meiner bescheidenen Perspektive ist diese Entscheidung zumindest für alle Staaten der Euro-Zone längst gefallen. Mit der Währungsunion sind Fakten geschaffen worden, die sich nicht einfach umkehren lassen. Viel zu groß sind die gegenseitigen Abhängigkeiten, viel zu weitgehend die finanzielle und wirtschaftliche Verflechtung. Die meisten derer, die – wie ich – während der Finanzkrise sehr nahe am Geschehen waren, wissen, dass uns nur eine möglichst rasche weitere Integration in Richtung einer politischen Union dauerhaft davor schützt, dass die EU eines Tages in einer Apokalypse endet. Die Zahlungsunfähigkeit oder der Austritt eines mittleren bis großen Mitgliedsstaats der Währungsunion hätte eben dies zur Folge und ist langfristig nur durch eine gemeinsame Wirtschafts-, Budget- und Finanzpolitik zu verhindern, die weitgehende Durchgriffsrechte in nationale Staatshaushalte schafft. Im Gegenzug werden wir wohl oder übel auch eine Art Transferunion in Kauf nehmen müssen.

Es gibt jedoch vier gute Gründe, sich damit abzufinden: 1. de facto existiert die Transferunion seit Einführung des Euro, 2. jeder europäische Nationalstaat – vom kleinen Luxemburg vielleicht abgesehen – ist selbst eine Transfer­union und lebt ganz gut damit, 3. gerade Österreich und Deutschland haben als Exporteure bislang stark davon profitiert und 4. die Alternative erscheint wenig begehrenswert.
Es liegt daher an uns, ob es gelingt, die EU zu einem Staatenbund zu entwickeln, der nach außen geeint auftritt und nach innen den Mitgliedern Freiheit und Autonomie so weit zugesteht, soweit diese auch bereit und in der Lage sind, die Verantwortung und Konsequenzen ihrer Entscheidungen selbst zu tragen. Gleichzeitig muss gewährleistet sein, dass Souveränität mit umfassenden Kompetenzen an europäische Institutionen delegiert wird, wo sich einerseits Probleme nur länderübergreifend regeln lassen und wo andererseits ohne Zweifel europäische und nicht bloß nationale Interessen tangiert werden.

Bedauerlicherweise sind wir von diesem Zustand aktuell weit entfernt. Im Gegenteil: Durch das Aufkommen rechtsextremer und nationaler Bewegungen, die ohne Skrupel die Europäische Union zum Feindbild hochstilisieren, rückt dieses Ziel weiter weg denn je. Kritische Töne und Drohungen aus anderen Staaten sowie aus Brüssel kommen den Populisten gerade recht – sie werden gänzlich unabhängig von Fakten postwendend als Bestätigung der unfreundlichen Gesinnung interpretiert und befeuern das Feindbild EU. Dass es den Rattenfängern dieser Welt nicht um ihr Land oder ihr Volk, sondern einzig und allein um die eigene Macht und die Verteilung von Pfründen geht, haben wir in der Vergangenheit leider zu spät begriffen. Diesmal sollten wir früher reagieren. Das heißt vor allem, dass wir selbst Verantwortung übernehmen und von unserer Politik aber auch den Medien mit Nachdruck ein entsprechendes Verantwortungsbewusstsein einfordern und nötigenfalls kräftig auf die Finger klopfen. Denn Populismus und Feindbilder lassen sich eben nicht mit verbalen Angriffen und breitbeinigen Ansagen bekämpfen, sondern erfordern – im Gegenteil – einen intelligenten Mix aus bedachter Kommunikation, der Aufrechterhaltung des Dialogs und klarer Konsequenz. Wenn wir also beispielsweise in den Raum stellen, dass am Brenner Panzer auffahren, um unsere Grenzen zu schützen, mag das zwar die eine oder andere Stimme in Österreich bringen; gleichzeitig darf sich der Schöpfer dieser Idee aber möglicherweise auch damit brüsten, das Wahlergebnis in Italien ein wenig mit beeinflusst zu haben. Minder intelligente Parolen nützen also bestenfalls ihren geistigen Vätern, schaden aber uns allen. Dieserart Beispiele finden sich leider viele. Wir alle sind deshalb gefordert, unsere Stimme laut und deutlich gegen populistische Ansagen und nationalistische Strömungen zu erheben. Denn wer Wind säht, wird bekanntlich Sturm ernten …

Aus diesem Grund können und werden wir unsere EU-Kampagne nicht mit dem Ende der österreichischen Ratspräsidentschaft zu Grabe tragen, sondern diese konsequent weiter fortsetzen.

Im Rahmen dieses Projekts haben die Initiatoren über verschiedenste Wege versucht, das Thema „Europa“ zu transportieren und zu erläutern. Neben gut besuchten Vorträgen und Diskussionen zur Zukunft der EU, zum Euro, zum Verhältnis mit Russland und zum Brexit war es den Projektträgern ein besonderes Anliegen, speziell den Schülern die Europäische Union ein Stück weit näherzubringen. So erklärten sich auf der einen Seite die prominenten Vortragenden bereit, Schülern und Lehrern vor Ort Rede und Antwort zu stehen. Auf der anderen Seite wurden gemeinsam mit der Vorarlberger Volkswirtschaftlichen Gesellschaft jeweils eintägige Veranstaltungen für Schüler organisiert, bei denen neben Personen aus der Wirtschaft auch Vertreter der EU und Landeshauptmann Wallner persönlich zu Wort kamen. Insgesamt konnten auf diese Weise etwa 800 Schülerinnen und Schüler persönlich erreicht werden, viele weitere hatten die Gelegenheit die Europa-Wanderausstellung zu besuchen. Auch über Emotionen und Kultur wurde versucht, ein europäisches Gemeinschaftsgefühl zu vermitteln. Ein spektakulärer Flashmob, im Rahmen dessen die Europa-Hymne am Dornbirner Marktplatz inszeniert wurde, und die Europa-Konzerte in Schwarzenberg rundeten das Programm ab. Höhepunkt war schließlich das Wirtschaftsforum 2018, welches ganz im Zeichen der Initiative stand. Doch auch nach dem Ende der österreichischen Ratspräsidentschaft wird uns die Europäische Union weiter intensiv beschäftigen. Der Brexit steht unmittelbar vor der Tür und im Mai folgen die Wahlen zum Europäischen Parlament. Weitere Schwerpunkte sind deshalb bereits konkret geplant.

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