Michael Hellwig

*1984 in Korbach, Deutschland, studierte Mathematik an der TU Dortmund und promovierte 2017 in theoretischer Informatik an der Universität Ulm. Seit 2021 ist Michael Hellwig Leiter des Josef Ressel Zentrums für Robuste Entscheidungen im Forschungszentrum Business Informatics an der Fachhochschule Vorarlberg.

Auf den Spuren Künstlicher Intelligenz in Vorarlberg

August 2023

Was Künstliche Intelligenz ist und wo wir diesen Technologien in unserem Alltag bereits ausgesetzt sind. Plus: Beispiele von Vorarlberger Unternehmen, die KI bereits einsetzen oder zunehmend die Einsatzmöglichkeiten entsprechender Systeme prüfen.

Die vergleichsweise einfache Handhabung, die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten und hervorragenden Resultate von automatischen Sprach-Assistenten wie ChatGPT lenken derzeit besonders große mediale Aufmerksamkeit auf das Forschungsgebiet der Künstlichen Intelligenz. Doch die Mechanismen, welche sich hinter dem Begriff Künstliche Intelligenz (kurz KI) und den verbundenen Erfolgsmeldungen verbergen, bleiben vielen Menschen häufig verborgen. 
Allerdings sind wir diesen Technologien auch in unserem Alltag zunehmend wissentlich oder unwissentlich ausgesetzt. Bei der Verwendung von Internet-Suchmaschinen wie Google ist die KI für die automatisierte Vervollständigung einer Suchanfrage und für den Umgang mit Rechtschreibfehlern während des Tippens der Suchanfrage verantwortlich. Sie hilft dem Anwender so schneller zu erwarteten Suchergebnissen zu kommen und Fehler zu vermeiden. In Online-Shops analysieren KI-Verfahren unsere Kaufentscheidungen und beeinflussen anschließend die Auswahl und Reihenfolge der angezeigten Produkte. Das erlangte Wissen über die Zahlungsbereitschaft der Kundschaft kann auch in einer personenbezogenen Preisgestaltung gipfeln. Ob Sprachassistent und Gesichtserkennung am Mobiltelefon, personalisierte Werbung auf Internetseiten oder Vorschläge für alternative Routen zur Stauvermeidung im Navigationssystem, alle diese Anwendungen beruhen auf dem Einsatz von KI-Systemen. Wir füttern sie durch die Inanspruchnahme digitaler Services mit unseren Daten und folgen oft unreflektiert ihren Empfehlungen. Deshalb ist es wichtig, sich bewusst zu machen, um was es sich bei dem Begriff der Künstlichen Intelligenz handelt und wo diese zum Einsatz kommt.

Muster identifizieren
Als Künstliche Intelligenz bezeichnet man im Allgemeinen die Fähigkeit von Computersystemen, kognitive menschliche Leistungen nachzuahmen. Beispiele dafür sind das Lernen aus Erfahrung, das Ziehen von Schlussfolgerungen oder das Lösen von Problemstellungen. Aus technischer Sicht handelt es sich bei KI-Verfahren um Sammlungen von mathematischen Handlungsanweisungen, sogenannten Algorithmen, deren Beschaffenheit genau auf die zu bearbeitenden Aufgaben angepasst wird. Diese KI-Algorithmen erlauben es anschließend, Muster in großen Mengen von Informationen zu identifizieren und auf Grundlage dieses Lernprozesses fundierte Entscheidungen zu treffen. Auf diese Weise ist es häufig möglich, Aufgaben zu automatisieren, welche ansonsten menschliche Kompetenzen erfordert hätten.
Um vergleichbare Resultate zu menschlichen Leistungen zu erreichen, müssen KI-Systeme auf eine große Menge von aufgabenspezifischen Daten abgestimmt werden. Man spricht in diesem Zusammenhang vom Trainieren der KI-Algorithmen. Im Anschluss an dieses Training sind die KI-Algorithmen in der Lage, auch neue, bisher unbekannte Daten der betrachteten Situation im Sinne der im Training erlernten Zusammenhänge zu verarbeiten. 

Ein erhebliches Ausmaß
Weitere Einsatzgebiete für KI-Systeme finden sich in der Industrie, der Landwirtschaft oder der Medizin. So hilft KI einerseits bei der Sicherung von Qualitätsstandards für produzierte Waren oder bei der Entscheidung über möglichst perfekte Pflanzenpflege- und Erntezeitpunkte. Andererseits können Ärzte bereits bei der Sichtung von Röntgen­aufnahmen zur Diagnose von Krankheiten unterstützt werden. Viele der eingesetzten Verfahren basieren auf der Verarbeitung von Bildinformationen.
Die KI-Algorithmen wandeln die vorhandenen Bildinformationen in Zahlenkolonnen und erlernen, wiederkehrende Muster mit menschlichen Bildbeschreibungen in Verbindung zu setzen. Um beispielsweise mit hoher Sicherheit einen Hund auf einem Foto identifizieren zu können, muss das KI-System zuvor hunderte Abbildungen von Hunden verarbeitet haben. Es muss also auf diese Aufgabe trainiert worden sein. Um diesen Trainingsvorgang zu ermöglichen, ist ein erhebliches Ausmaß an menschlichen Vorarbeiten notwendig, denn die Trainingsdatensätze müssen von Menschen gesammelt, bereinigt und gekennzeichnet werden. Ohne den damit verbundenen Aufwand wäre auch der derzeitige Erfolg der Sprach-Assistenten (ChatGPT) nicht möglich gewesen. 

Beispiele aus Vorarlberg
Auch die Unternehmen in Vorarlberg setzen diese Technologien bereits ein oder prüfen zunehmend die Einsatzmöglichkeiten von KI-Systemen. Die bei Doppelmayr in Wolfurt hergestellten Seilbahnen nutzen bereits teilweise bildverarbeitende KI-Algorithmen, um im autonomen Fahrbetrieb die Sicherheit bei Ein- und Ausstieg zu gewährleisten. Bei Omicron electronics in Klaus wird das Potenzial von KI-Systemen zur Sicherung der Stabilität unserer Energieversorgung untersucht und in Bregenz prüft Rhomberg Bau unter anderem den Einsatz von KI-Assistenzsystemen zur Wahrung der Baustellensicherheit. Und dies sind nur drei Beispiele unter vielen.
Im Forschungszentrum Business Informatics der Fachhochschule Vorarlberg (FHV) unterstützen wir unsere regionalen Partnerunternehmen beim Umgang mit den neuesten KI-Verfahren. Wir beraten hinsichtlich geeigneter KI-Algorithmen für das entsprechende Anwendungsgebiet und entwickeln anforderungsgerechte Prototypenlösungen für den Einsatz aktueller Technologien in unserer Region. Durch die große Abhängigkeit von den jeweiligen Trainingsdaten ist eine einfache Übertragung eines KI-Systems auf eine andere Arbeitsumgebung keineswegs selbstverständlich, sondern erfordert oftmals ein großes Maß an Feinabstimmung.

Forschung
In unseren Projekten forschen wir an KI-Algorithmen zur Verarbeitung von Sensor-, Text-, oder Bilddaten. Einerseits entwickeln wir Verfahren, welche die Produktqualität anhand von Sensordaten begutachten und effiziente Qualitätssicherungsmaßnahmen unterstützen. Andererseits setzten wir aktuelle Sprachmodelle ein, um die Wissensplattformen unserer Partner durch die Auswertung von Textdaten zu erweitern. Auf diese Weise kann das angereicherte Wissen innerhalb eines Betriebs dauerhaft gesichert und abgerufen werden. Weiters forschen wir an der KI-gestützten Auswertung von Luftaufnahmen zur Prognose von Schadenshöhen bei Unwetterereignissen. Im Forschungsprojekt „Josef Ressel Zentrum für Robuste Entscheidungen“ arbeiten wir derzeit zusammen mit regionalen Partnerunternehmen an der Entwicklung von maßgeschneiderten KI-Verfahren zur Reduktion von Unsicherheiten und zur Unterstützung ziel­orientierter Entscheidungen in unterschiedlichen Geschäftsprozessen. Zu den Partnerunternehmen in diesem Projekt zählen unter anderem die Firma Hirschmann Automotive GmbH aus Rankweil oder die Hypo Vorarlberg Bank AG mit Sitz in Bregenz. Zusammen mit der Hypo Vorarlberg untersuchen wir die Auswirkungen von Klimaveränderungen auf das Risikomanagement. Mit Hirschmann Automotive werden unterstützende Verfahren für die Gewährleistung stabiler Produktionsprozesse entwickelt.

Einsatzmöglichkeiten
Wie man an den obigen Beispielen gut erkennen kann, sind die Einsatzmöglichkeiten solcher KI-Systeme üblicherweise auf individuelle Einsatzgebiete spezialisiert und nur sehr eingeschränkt direkt auf verwandte Fragestellungen übertragbar. Deshalb bezeichnet man sie üblicherweise als „Schwache KI“. In Gegensatz dazu versprechen „Starke KI-Systeme“ eine umfassende Nachbildung menschlicher kognitiver Leistungen, um Wissen über mehrere verschiedene Themenkomplexe beherrschen und erfolgreich kombinierte Aufgabenstellungen bearbeiten zu können. 

Philosophische Fragen
Das Streben nach „starker KI“ ist mit komplexen Herausforderungen und philosophischen Fragen zu Bewusstsein, Selbstwahrnehmung und der Natur der Intelligenz selbst verbunden. Solche Systeme, und die damit verbundenen oft heraufbeschworenen Bedrohungen, sind bisher nur theoretische Konzepte beziehungsweise Science-Fiction. Nichtsdestotrotz bringt auch die zunehmende Automatisierung durch „Schwache KI“ gesellschaftliche Herausforderungen mit sich. Sorgen um den Erhalt von Arbeitsplätzen, um die Verwendung von KI-Algorithmen im Bildungssystem oder um Sicherheitsbedenken für computergestützten Entscheidungen sollten ernstgenommen und offen diskutiert werden. Ähnlich zu vorhergegangenen technologischen Veränderungen müssen wir als Gesellschaft den zukünftigen Umgang mit den stetig verbesserten KI-Systemen gemeinsam verhandeln und die damit einhergehenden Veränderungen ausgleichen.

Bewusstsein und Transparenz
Es ist deshalb unbedingt notwendig, ein breites Bewusstsein über den wachsenden Einsatz und die Grundfunktionsweise von KI-Systemen in der Allgemeinheit zu verankern und diese Systeme möglichst transparent zu gestalten. Die breite Integration von Künstlicher Intelligenz stellt sicherlich die konsequente Weiterführung der Digitalisierung dar und bietet eine veritable Möglichkeit, auf den zunehmenden Fachkräftemangel zu reagieren. Jedoch erfordert insbesondere die zuvor genannte Transparenz die Entwicklung interpretierbarer beziehungsweise erklärbarer KI-Systeme. Denn die Grundlage und der Weg der Entscheidungsfindung müssen gerade für sicherheitsrelevante Anwendungen menschlich nachvollziehbar und offen einsehbar sein. Nur auf diese Weise können Vertrauen und Akzeptanz in diese Technologien geschaffen und ethische Probleme, wie die Voreingenommenheit gegenüber Geschlecht oder Hautfarbe, umgangen werden. Wenn es in Zukunft gelingt, diese Herausforderungen erfolgreich zu meistern, dann bietet die Unterstützung durch Künstliche Intelligenz das große Potenzial, unsere Lebenswelt langfristig zu revolutionieren. 

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