Simon Groß

Vorarlberger Gemeindeverband

Der Bauernschlächter von Hohenems

November 2018

Söldner und das Geschäft mit dem Krieg sind kein Phänomen der Gegenwart.
Eine nicht unbedeutende Persönlichkeit dieses Metiers stammt sogar aus Vorarlberg und hat sich im 16. Jahrhundert einen Namen gemacht – Marx Sittich I. von Ems.

Der Fall Konstantinopels, Eroberungen und Entdeckungen, Buchdruck und Renaissance, Martin Luther und die Reformation, Ketzerei und Hexenwahn und Bauernaufstände: Der Übergang vom Spätmittelalter in die frühe Neuzeit war wahrlich eine Zeit des Wandels – auch heutzutage wird der alle Lebensbereiche umfassende Veränderungsprozess gerne so betitelt. Globalisierung war ein noch rudimentärer Prozess, die „Neue Welt“ war erst wenige Jahre zuvor unter irrtümlichen geografischen Annahmen entdeckt worden. Religion hatte im Leben eine zentrale Bedeutung und war nichts Nebensächliches, das mit sonntäglichen Kirchgängen zu erledigen war. Dass viele Menschen im Zuge von Luthers Thesenanschlägen ihre Religion in neuer Sichtweise entdeckten, lesbaren und somit kirchenunabhängigen Zugang zur heiligen Schrift erhielten und bisherige Normen und oktroyierte Lebensentwürfe überdachten, missfiel den konservativen Mächtigen. Denn durch solche Umschwünge begann auch die politische Stabilität und Einflussnahme zu bröckeln, die gottgewollte Ordnung der Gesellschaft wurde zu einem der großen Zerwürfnisse zwischen Untertan und Obrigkeit – ganz zu schwiegen von der steigenden Steuerlast, die als Konflikt bis heute nicht an Bedeutung verloren hat. Im 16. Jahrhundert kam es im süddeutschen Raum und in vielen heutigen Bundesländern Österreichs zu zahlreichen „Bauernkriegen“, die aufgrund der militärischen Unterlegenheit der Bauern grausam niedergeschlagen wurden. Allein zwischen 1500 und 1525 fanden 18 Aufstände statt.

„Bauernschlächter“

Ein ambitionierter Adeliger namens Marx Sittich I. aus dem Geschlecht der Herren von Ems hatte zu dieser Zeit sein militärisches Geschick als „Kriegsunternehmer“ im Dienste der Herrschaft bereits in zahlreichen Konflikten wie dem Schweizerkrieg, den Schwabenkriegen und einer Reihe von Feldzügen in Italien unter Beweis gestellt und sich und seiner Familie einen exzellenten Ruf verschaffen. Marx war einer der großen Landsknechtführer Kaiser Maximilians I. und zeichnete sich unter Kaiser Karl V. vor allem in der Schlacht von Pavia 1525 aus. Nicht ganz so edel war allerdings sein tatsächliches Handwerk bei der Niederschlagung der Bauernaufstände beziehungsweise der „Revolution des Gemeinen Mannes“: Tatsächlich ließ Marx entlang der Leiblach unweit von Bregenz reihenweise aufständische Bauern an „Henker-Eichen“ erhängen, die Quellen sprechen von 50 Strängen. Die Bauern hatten im sogenannten Deutschen Bauernkrieg in Süddeutschland, der Schweiz und Österreich von 1524 bis 1526 für mehr Freiheit, Recht und Selbstbestimmung aufbegehrt – im Grund eigentlich für Menschenrechte. Die Massenexekution an der Leiblach schreckte nicht nur ab, sondern war für Marx, einen glühenden Verfechter der Gegenreformation, offenbar auch ein nötiger Schritt zur Erhaltung des katholischen Glaubens in der Region. Bald war er als „Bauernschlächter“ überregional bekannt und gefürchtet – auch unter Bergknappen, vereinzelten Handwerkern, Bürgern mancher Städte oder sogar Geistlichen und Rittern, die sich an die Seite der Bauern stellten und somit den sicheren Tod in Kauf nahmen.

Zur Räson gebracht

Auch in Vorarlberg waren die Untertanen „anfällig“ für reformatorisches Gedankengut – besonders die Bauern aus Lingenau und Riefensberg. Diese schlossen sich dem Aufstand an, hatten aber noch mehr Glück als jene, deren Aufbegehren an der Leiblach erlöschten – sie verloren statt dem Leben immerhin nur ihre althergebrachten Vorrechte. Ein gewisser Abt Jakob Murer beklagte, dass die Bauern im Bregenzerwald ihn nicht länger als Lehensherrn anerkennen wollten. Marx, der offensichtlich ebenso milde wie streng sein konnte, schritt zur Tat und brachte die Lingenauer Bauern in Lauterach zur Vernunft, indem er ihnen etwa das Recht, Waffen zu tragen, und das Recht der Ammannwahl, also praktisch des Bürgermeisters, entzog. Zuvor konnte eigenständig aus einem von der Regierung aufgestellten Kandidatentrios einer zum Ammann gewählt werden. Nun wurde das Amt von der Regierung allein besetzt – eine deutlich schmerzhafte Erinnerung daran, wie gütig die Obrigkeit zuvor doch mit der Kompetenzverteilung gewesen war. Und dennoch kam man damit noch milde davon, denn die Verhältnisse sollten sich noch länger nicht ändern, im Gegenteil: In Krain, der Steiermark und Kärnten etwa wurde auf Maximilians I. Anweisung hin konsequent enteignet, hingerichtet und empfindliche Strafsteuer eingehoben, nachdem die Aufständischen dort ihren Pfandherren getötet und Burgen besetzten. 
Marx‘ Engagement dehnte sich nach getaner Arbeit in den Vorlanden auf Tirol aus, wo er am Brenner den Tiroler Bauernrebell Michael Gaismair erfolglos jagte, dieser aber in die sichere Schweiz fliehen konnte. Bald aber bereiteten dem Landsknechtführer andere Probleme Sorgen. Die Türken drangen aus dem Osten immer weiter vor, und chronische Finanzierungsschwierigkeiten und der damit einhergehende Entgeltverzug und -wegfall im Söldnerheer Karls V. führten zum Sacco di Roma, der berühmten Plünderung der Hauptstadt der Christenheit. Das Landsknechtgeschäft war also gar nicht mehr so einfach zu bewerkstelligen, dann erkrankte Marx 1532 auch noch. Er musste trotz aller Entschlossenheit zum Zug gegen die Türken vor seinem Kaiser Karl V. resignieren. 1533 starb der Vogt von Bregenz nach langem Leiden auf der Burg Hohenbregenz und fand seine letzte Ruhe in Hohenems.

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