Robert Seeberger

* 1960 in Bludenz, Diplomstudium Physik an der Universität Innsbruck bis 1986, Dissertation 1994 (Universität Innsbruck und Max-Planck-Institut für Radioastronomie, Bonn, Deutschland), Wirtschaftsingenieurstudium in Liechtenstein bis 1994; Forschungsaufenthalte an Instituten und Observatorien in Deutschland, Italien, Frankreich und Spanien. Seit 1995 beim Arbeitsinspektorat Bregenz. 2000: Mitarbeit beim Zentralarbeitsinspektorat Wien und bei der Europäischen Agentur für Sicherheit in Bilbao, Spanien.

Der Mond – wie er unser Leben prägt

April 2022

Erde und Mond sind ein prächtiges Paar. Gemeinsam haben sie eine stürmische Vergangenheit. Ohne den Mond wäre dauerhaft kein Leben auf der Erde denkbar. Doch manche Menschen machen ihn auch für Unfälle und schlechtes Brennholz verantwortlich.

Drehen wir die Zeit um 4,56 Milliarden Jahre zurück. Eine Gas- und Staubwolke kollabiert und beginnt sich zu drehen. Der Gasball aus Wasserstoff und Helium wird immer dichter und heißer, wirft in seinem Zentrum den Fusionsreaktor an und wird damit zum Stern, zu unserer Sonne. Um die Sonne herum schließen sich Materieklumpen, sogenannte Planetesimale, zusammen und werden zu Planeten. Im Vergleich zu den heute so stabilen Planetenbahnen herrschte vor 4,5 Milliarden Jahren Chaos. Ein marsgroßer Himmelskörper, den man nach der Mutter der griechischen Mondgöttin Theia nannte, kollidierte mit der jungen Erde. Große Teile des Erdmantels und der Theia wurden weggerissen und formten nach zirka 10.000 Jahren den Mond.

Stabile Verhältnisse

Mond und Erde haben sich im Laufe der Jahrmillionen immer weiter voneinander entfernt. Zur Zeit wächst der Abstand jährlich um 3,8 Zentimeter. Dank Lasermessungen weiß man das so genau. Die Astronauten der Apollomissionen haben Spezialspiegel am Mond hinterlassen, die Laserstrahlen reflektieren. Aus der Lichtlaufzeit lässt sich die Mondentfernung sehr präzise bestimmen. Die zunehmende Distanz zwischen Erde und Mond ließ die Tageslänge anwachsen. Vor 1,4 Milliarden Jahren dauerte ein Tag nur 18 Stunden. 
Die Erdachse ist um 23,5 Grad geneigt, der unterschiedliche Lichteinfall der Sonne verschafft uns die Jahreszeiten. Wegen des massereichen Erdmondes verändert sich der Neigungswinkel innerhalb von Jahrzehntausenden kaum. Stabile Klimaverhältnisse über lange Zeiträume ermöglichten die Entwicklung von Leben. Neuere Simulationen zeigen zwar, dass auch der Jupiter seinen Anteil an der Stabilisierung der Erdachse hat, aber der Mond ist deutlich prägender.

Gezeiten

Das Zusammenwirken der Mondanziehung mit der Erdrotation führt zu Ebbe und Flut. Nicht nur die Wassermassen großer Ozeane, auch die feste Erdoberfläche wird periodisch angehoben und gesenkt. Dieser Mondeinfluss ist naturwissenschaftlich gut untersucht. Eine technische Anwendung der Tidenhübe ist das Gezeitenkraftwerk von St. Malo in Frankreich.
Der Mond reflektiert nur wenige Prozent des einfallenden Sonnenlichts. Dennoch ist die Beleuchtungsstärke des Vollmondes beachtlich. Die Sicherheitsleuchten, die zur Orientierung in Veranstaltungsräumen vorgeschrieben werden, sind nur unwesentlich leuchtstarker, als der Vollmond. Wanderer, Schitourengeher und Zeitungsleser kommen in einer Vollmondnacht ohne zusätzliches Licht zurecht. Untersuchungen legen nahe, dass sich Tiere, beispielsweise Meeresschildkröten, am Mondlicht orientieren.

Bis hierher und nicht weiter

Der Mensch besteht zu 60 bis 80 Prozent aus Wasser. Es ist verlockend, wie folgt zu argumentieren: wenn der Mond die Gezeiten bewirkt, beeinflusst er auch die Menschen, die großteils aus Wasser bestehen. Hier kann die Naturwissenschaft nicht mitgehen. Nach dem Schwerkraftgesetz von Isaac Newton ist die Anziehungskraft zwischen zwei Körpern proportional zu ihren Massen. Daher beobachten wir Ebbe und Flut bei großen Ozeanen, nicht jedoch beim schönsten Platz Österreichs des Jahres 2021, dem kleinen Wiegensee.
Oft vernimmt man die These: bei Vollmond kann ich nicht schlafen. Klar, weil es hell ist; Aber in einem völlig dunklen Raum? Man unterscheidet zwischen Koinzidenzen, das sind Ereignisse, die gleichzeitig auftreten und Kausalitäten, das sind Ereignisse, die in einem ursächlichen Zusammenhang zueinander stehen. Ich kann nicht schlafen, weil der Mond so hell leuchtet. Für ein Wachbleiben bei abgedunkeltem Raum können nur Koinzidenzen herhalten. Die Erklärung muss offen bleiben.

Mondzeichen

Sogenannte Mondratgeber sind Verkaufsschlager. Sie erklären uns, bei welchem Mondzeichen wir zum Friseur gehen sollen, Holz einlagern müssen, Salat anpflanzen sollten und vieles mehr. Sie erklären auch, wann die Unfallgefahr erhöht ist. Für all das wird der Mond verantwortlich gemacht.
Was bedeutet „der Mond steht im Tierkreiszeichen des Stiers“? Der Mond ist etwas mehr als eine Lichtsekunde entfernt. 67 Lichtjahre weiter hinten steht in der selben Richtung der Stern Aldebaran mit etlichen anderen Sternen im Sternbild beziehungsweise astrologisch gesprochen im Zeichen des Stiers. Ein Beobachter, der Mond und Aldebaran stehen in einer Linie. Der Stern ist zwei Milliarden Mal weiter vom Beobachter entfernt als der Mond. Welchen Einfluss soll das auf den Menschen haben und weshalb soll der Einfluss anders sein, wenn der Mond in derselben Richtung wie ein anderer beispielsweise zehn Milliarden Mal weiter entfernter Stern steht? 
Ich glaube, diese Idee des Einflusses auf den Menschen können wir getrost verwerfen. Dasselbe gilt für die Behauptung, Brennholz im richtigen Zeichen schlägern und einlagern zu müssen. Nur so könne Schimmel verhindert werden. Vielleicht würde die Analyse eines größeren Datensatzes Klarheit über den Wert solcher und ähnlicher Aussagen bringen.

Arbeitsunfälle

Gemeinsam mit Manfred Huber hat der Autor dieser Zeilen die zeitliche Verteilung von Arbeitsunfällen untersucht. In den Jahren 2000 bis 2004 ereigneten sich zirka 500.000 Arbeitsunfälle in Österreichs Betrieben. Weder Mondphase, Monddistanz noch die Zeitspannen, während derer der Mond über oder unter sich geht, hatten eine statistisch relevante Auswirkung auf das Unfallgeschehen.
Gerade in unserer Region hat die Orientierung an Regeln, die Mondeigenschaften oder die Tierkreiszeichen als Grundlage haben, eine lange Tradition.
Keiner dieser Zusammenhänge ist naturwissenschaftlich belegt, einige wurden in Studien eindeutig wider­legt.

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