Robert Seeberger

* 1960 in Bludenz, Diplomstudium Physik an der Universität Innsbruck bis 1986, Dissertation 1994 (Universität Innsbruck und Max-Planck-Institut für Radioastronomie, Bonn, Deutschland), Wirtschaftsingenieurstudium in Liechtenstein bis 1994; Forschungsaufenthalte an Instituten und Observatorien in Deutschland, Italien, Frankreich und Spanien. Seit 1995 beim Arbeitsinspektorat Bregenz. 2000: Mitarbeit beim Zentralarbeitsinspektorat Wien und bei der Europäischen Agentur für Sicherheit in Bilbao, Spanien.

Wenn mit 65 für alle Schluss wäre

Juni 2025

Das Pensionsantrittsalter steht zur Diskussion. Es geht um die Finanzierbarkeit des Systems und um das Wohlbefinden der älteren Generation. Die Schaffenskraft kann im Alter beachtlich sein. Bekannte Astrophysiker haben das vorgelebt.

Der Finanzminister berichtete in seiner aktuellen Budgetrede, dass der Zugang zur Korridorpension auf ein Mindestalter von 63 Jahren erhöht wird. Gleichzeitig wird gefordert, das gesetzliche Pensionsantrittsalter stufenweise auf etwa 67 Jahre zu erhöhen. Seit vielen Jahren warnt der Sozialforscher und Wirtschaftsexperte Bernd Marin, Jahrgang 1948, vor der Altersarmut insbesondere bei Teilzeitbeschäftigung und davor, dass das Pensionssystem auf Dauer nicht finanzierbar sein wird.

Papst, Schauspielerin 
Neben dem volkswirtschaftlichen Aspekt zeigen Persönlichkeiten aus unterschiedlichsten Berufen, dass sie ein Arbeitsleben weit nach dem 65. Lebensjahr erfüllend und positiv empfinden. Leo XIV gilt mit 69 Jahren als ein eher junger Papst. Der letzte Papst Leo starb im Jahre 1903 im Alter von 93 Jahren.
Die Schauspielerin Chris Lohner (81) erklärte in einem Interview mit „Thema Vorarlberg“, dass sie für die Abschaffung des Pensionsalters sei. „Es gibt Berufe, in denen so viel Expertise da ist, so viel Know-how. Und dann muss man damit aufhören, obwohl man alles noch kann und alles noch weiß.“
 
Vom Beruf zur Berufung
Der Geschäftsführer von Spar Österreich, Gerhard Drexel (69), ist seit 2021 Autor und Keynote-Speaker sowie seit 2023 Honorarprofessor an der Universität Innsbruck. Er befasste sich mit der Sinnfindung im Alter und bezieht sich dabei auf den Psychiater und Neurologen Viktor Frankl. In seinem Buch mit dem Titel „Irrtum Ruhestand – wie die späten Jahre die besten werden“, bezeichnet Drexel den Ruhestand als fatalen Irrtum. Dabei nennt er volkswirtschaftliche Gründe, wie die stark steigende Lebenserwartung und der Mangel an Fachkräften.
Individuelle Vorteile für Tätigkeiten im Alter sind die Erhaltung des Selbstwertgefühls und der Nutzen der Arbeit, um das Gehirn leistungsfähig zu halten. Drexel schreibt, dass es weder im alten Griechenland noch bei den Römern einen Ruhestand gab. Der Ältestenrat, der Senat hatte ein hohes Ansehen. Auf die Arbeitsfähigkeit der Alten wurde bewusst gesetzt. Selbst bis ins späte 19. Jahrhundert gab es keinen Ruhestand, erklärt Drexel weiter.
Wenn in der Vergangenheit mit 65 Jahren Schluss gewesen wäre, hätte die Welt auf große Leistungen verzichten müssen. Die Mystikerin Hildegard von Bingen, die auch für ihre natur- und heilkundlichen Schriften bekannt wurde, gründete erst mit 67 Jahren ihr eigenes Kloster. Der Maler, Bildhauer und Baumeister Michelangelo Buonarroti stellte sein „Jüngstes Gericht“ in der Sixtinischen Kapelle im Alter von 66 Jahren fertig und übernahm sechs Jahre später die Bauleitung des Petersdoms. Der Schriftsteller und Philosoph Voltaire schrieb bis zu seinem 84. Lebensjahr bedeutende Werke. Benjamin Franklin setzte sich noch mit über 80 Jahren für die Abschaffung der Sklaverei ein. Konrad Adenauer war vom 73. bis zum 87. Lebensjahr deutscher Bundeskanzler.
 
Astronomen
Im Folgenden schauen wir auf bedeutende astronomische Entdeckungen, die es ohne Arbeit im Pensionsalter nicht gegeben hätte. Der Name des Nikolaus Kopernikus (1473-1543) ist eng mit dem heliozentrischen Weltbild verbunden. Sein einziger Schüler, der Feldkircher Georg Joachim Rheticus, ermutigte Kopernikus zur Veröffentlichung. Die Drucklegung seines Hauptwerks „De revolutionibus orbium coelestium – Über die Himmelsbahnen“ erfolgte in seinem Todesjahr mit 70 Jahren.
Galileo Galilei (1564-1642) kam die Erfindung des Fernrohres ab 1610 zugute. Vier Monde des Jupiter, die Phasen der Venus, Sonnenflecken, die Sterne der Milchstraße und Gebirge am Mond gehörten zu seinen frühen Entdeckungen. Im Sternenboten (Siderius Nuncius) brachte er die Forschungen zu Papier. Trotz nachlassender Sehkraft und trotz Auseinandersetzungen mit der Kirche, die seinen jahrelangen Hausarrest zur Folge hatten, teilte Galilei im Alter von 73 Jahren die Entdeckung der Librationsbewegung des Mondes brieflich mit. Der Mond zeigt uns zwar immer dieselbe Seite, „wackelt“ aber ein bisschen hin und her und so kann man circa 60 Prozent seiner Oberfläche beobachten.
Isaac Newton (1643-1727) veröffentlichte seine Gravitationstheorie recht früh mit 44 Jahren. Er baute und entwickelte Teleskope und schrieb bedeutende Arbeiten zur Optik und Mathematik. Noch mit 69 Jahren gab Newton gemeinsam mit anderen Forschern einen Sternenkatalog heraus.
Machen wir gedanklich einen Sprung ins 20. und 21. Jahrhundert. Edwin Hubble entdeckte 1929 die Ausdehnung des Universums. Er, Alain Sandage und Gustav Andreas Tammann forschten jahrzehntelang darüber, wie rasch diese Ausdehnung erfolgt. Die Letztgenannten arbeiteten auch im „Pensionsalter“ und Tammann publizierte bis 2013 in Fachzeitschriften – mit 81 Jahren!
Es ist verständlich, dass harte körperliche Arbeit nicht in jedem Alter möglich ist. Dennoch sind Tätigkeiten nach dem 65. Lebensjahr in vieler Hinsicht vorteilhaft.

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