Andreas Dünser

Chefredakteur "thema vorarlberg" (andreas.duenser@themavorarlberg.at)

Auf beschränkter Fläche den Bedarf decken

März 2019

Mit 1. März sind in Vorarlberg die Novellen zum Raumplanungs- und Grundverkehrsgesetz in Kraft getreten. Wirtschafts­landesrat und Statthalter Karlheinz Rüdisser (64) sagt im Interview, dass die Absicht, damit langfristig ausreichend und erschwinglicher Wohnraum für die Bevölkerung gewähr­leisten zu können, zwar „ein hochgestecktes Ziel, aber keine Illusion“ sei. Ein Gespräch über Baulandhortung, Vorarlbergs spezielle Situation – und vererbte Grundstücke.

Bei der Präsentation der Novellen hieß es, Ziel sei ein sorgsamer und verantwortungsbewusster Umgang mit Grund und Boden. Was heißt denn das konkret?

Die Novellen haben mehrere Zielsetzungen. Eine dieser Zielsetzungen lautet, zu versuchen, die Siedlungsränder zu halten. Wenn wir in unserem dynamischen Umfeld dieses Ziel auch erreichen wollen, dann bedeutet das, dass auf Siedlungsverdichtung nach innen, auf Verdichtung, gesetzt werden muss. Vorhandene, gewidmete Flächen müssen bestmöglich genutzt werden, die Baunutzzahlen sind zu erhöhen, bei künftigen Neuwidmungen von Bauflächen sowie in den Verdichtungszonen ist das Mindestmaß der baulichen Nutzung festzulegen. In Vorarlberg soll künftig auf der beschränkten zur Verfügung stehenden Fläche der notwendige Bedarf an Wohnraum und Arbeitsplätzen gedeckt werden.

Das scheint im Land Vorarlberg zur Notwendigkeit geworden zu sein.

Im Ballungsraum zwischen Bregenz und Bludenz leben auf etwa 19 Prozent der Landesfläche ungefähr 80 Prozent der Bevölkerung. Grund und Boden sind ein nicht vermehrbarer Rohstoff. Und die Entwicklung der Bodenpreise in den vergangenen Jahren mit einem massiven Anstieg hat deutlich gezeigt, dass Grund und Boden eigentlich die härteste Währung in der Veranlagung von Kapital ist. Vor diesem Hintergrund war es notwendig, einerseits Maßnahmen gegen Baulandhortung zu ergreifen, andererseits aber auch zu schauen, wie wir durch raumplanerische Maßnahmen den zusätzlichen Bedarf an Wohnungen und Betriebsflächen decken und gleichzeitig Lebensqualität und naturlandschaftliche Vielfalt gewährleisten können. Bei uns in Vorarlberg herrscht da größerer Druck als etwa in Niederösterreich oder im Allgäu; dort hat man nicht diese beengte Situation. Wir sind sicher in einer speziellen Situation, mit diesem urbanen Raum, mit diesem Ballungsraum. Da sind die Herausforderungen ganz andere.

Sie sprachen von Baulandhortung. War das in der Dimension denn tatsächlich ein Problem?

Immobilien und Grundstücke dienen heute wesentlich stärker Veranlagungszwecken, als das früher der Fall war. Wobei das Grundverkehrsgesetz ja ursprünglich geregelt hatte, dass der Erwerb einer unbebauten und gewidmeten Liegenschaft nur möglich war, wenn Bedarf nachgewiesen werden konnte. Bis dann der Europäische Gerichtshof darin eine potenzielle Diskriminierung sah – und die Bedarfsprüfung 2006 dem europäischen Recht geopfert werden musste. Damit waren Grund und Boden im Land Vorarlberg dem völlig freien Kräftespiel des Marktes überlassen, mit der Folge, dass sich die Preise geradezu extrem nach oben entwickelt haben.

Da setzt nun die Novelle zum Grundverkehrsgesetz an.

Man kann künftig nur mehr dann eine unbebaute, gewidmete Baufläche erwerben, wenn die Erklärung abgegeben wird, das betreffende Grundstück innerhalb von zehn Jahren einer Bebauung zuzuführen. Geschieht das entgegen der Erklärung nicht, bestehen Möglichkeiten bis hin zu einer Versteigerung, das Grundstück käme dann wieder auf den Markt. Zudem gilt: Wenn man bereits Eigentümer von Liegenschaften ist, und durch einen Erwerb eines weiteren Grundstücks eine Gesamtfläche von fünf Hektar überschritten würde, bekommt man die Grundverkehrsgenehmigung nicht. Das sollte dann in Summe doch eine deutliche Wirkung gegen Baulandhortung erzielen. In Vorarlberg ist übrigens ein Drittel aller gewidmeten Bauflächen bislang nicht bebaut, also nicht genutzt. Da wird es künftig mehr Belebung in der Szene geben.

Wobei eher anzunehmen ist, dass besagte Versteigerung nur die Ultima Ratio sein dürfte, oder?

Gewiss, das ist die Ultima Ratio. Es wird auch geprüft, ob der Eigentümer selbstverschuldet oder unverschuldet, etwa durch Einsprüche der Nachbarn, die Bebauungsfrist nicht erfüllen konnte. Zudem gibt es auch gewisse Ausnahmemöglichkeiten, so ist der Grundstücksverkehr innerhalb der Familie – im ersten und zweiten Verwandtschaftsgrad – von dieser Regelung ausgenommen. Das heißt, wenn jemand seinem Bruder ein Grundstück verkaufen würde oder ein Grundstück auf den Sohn oder die Tochter übergeht, dann gibt es die Erklärungspflicht nicht. Darüber hinaus kann jede Privatperson einmalig bis zu 800 Quadratmeter Grund und Boden ohne Erklärungspflicht erwerben, damit wollen wir auch gewährleisten, dass Eltern eine Vorsorge für ihre Kinder treffen können. Darüber hinaus gibt es diese Pflicht aber – eben um der Spekulation entgegenzuwirken.

Und was ist Sache mit vererbten Grundstücken?

Mit vererbten Grundstücken wird sich in Zukunft eigentlich wenig ändern. Das Kunststück der Grundverkehrs- und Raumplanungsnovelle war ja, Maßnahmen zu setzen, die etwas bewirken, die aber auch den verfassungsgesetzlich verankerten Schutz des Eigentums gewährleisten. Deshalb haben wir uns in weiten Bereichen darum bemüht, in bestehende Rechte nicht einzugreifen. So sind beispielsweise bestehende Widmungen, die heute noch nicht konsumiert worden sind, von der Neuregelung nicht betroffen. Die Bebauungspflicht gilt nicht rückwirkend. Mit einer Ausnahme: Fällt das gewidmete Grundstück in die von der Gemeinde definierte Verdichtungszone, muss innerhalb einer Zehn-Jahres-Frist gebaut werden. Geschieht dies nicht, ist allerdings die äußerste Sanktion, dass dann die Widmung des Grundstücks von Bauland beispielsweise in Bauerwartungsland zurückfällt.

In einer Presseerklärung stand zu lesen, dass durch die Novellen langfristig ausreichend und erschwinglicher Wohnraum für die Bevölkerung gewährleistet werden soll. Klingt gut, aber ist das nicht eine Illusion?

Es ist ein hoch gestecktes Ziel, eine Illusion sollte es nicht sein. Wir haben derzeit eine Überlagerung von negativen Faktoren, was leistbares Wohnen betrifft, unter anderem auch die extreme Entwicklung der Grundkosten. Wird künftig nun aber dichter und auch mehr in die Höhe gebaut, dann besteht die realistische Möglichkeit, den Anteil der Grundkosten an der Gesamtwohnnutzfläche zu reduzieren. Und das sollte die Baukosten in ihrer bisherigen Tendenz nach oben schon nach unten drücken, die eingeleiteten Maßnahmen sind dazu jedenfalls geeignet.

Mit dem Fortschreiben des bisherigen Systems hätte man künftigen Anforderungen nicht genügen können?

Nein, sicher nicht. Mit Blick auf die Demografie und das dynamische wirtschaftliche Umfeld ist klar, dass es erheblichen Druck auf Grund und Boden geben wird. Es musste an Stellschrauben gedreht werden, damit wir auch in Zukunft noch Möglichkeiten zur Entwicklung haben werden. Zu glauben, mit dem Fortschreiben des bisherigen Systems künftigen Anforderungen genügen zu können, das wäre in der Tat eine Illusion.

Vielen Dank für das Gespräch!

 

 

Kommentare

To prevent automated spam submissions leave this field empty.