Sabine Barbisch

„Das Feststellen und Erleben von Kontrasten fasziniert mich“

Dezember 2020

Seit rund acht Jahren lebt Philipp Winkler, mit nur einem Jahr Unterbrechung, im Ausland.
Seine Ausbildung hat er schon früh international ausgerichtet, heute berät er als stellvertretender Wirtschaftsdelegierter in Seoul Unternehmen aus Österreich, die in Südkorea tätig sein wollen.

In Südkorea hat Philipp Winkler, der in Feldkirch aufgewachsen ist, seit August 2019 seine neue Heimat gefunden. Nach zahlreichen Auslandserfahrungen, etwa in den USA, Belgien, der Schweiz und Kasachstan, ist er hier als stellvertretender Wirtschaftsdelegierter der Aussenwirtschaft Austria tätig. „Die Aufgabe unseres Büros ist es, österreichische Unternehmen bei ihren wirtschaftlichen Interessen in Korea zu unterstützen. Das ist ein sehr weites Spektrum, denn die Unternehmen können sich mit allen Anliegen an uns wenden, und es ist unsere Aufgabe, diese bestmöglich in Korea zu betreuen“, berichtet der 34-Jährige. Unmittelbar vor dem Wechsel nach Südkorea verantwortete er dieselben Aufgaben, allerdings für die Länder Kasachstan, Kirgistan, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan: „Anfangs war es schwierig, den Arbeitsfokus zu ändern: Während wir in Zentralasien viele Unternehmen im Infrastrukturbereich oder anderen grundlegenden Wirtschaftsbereichen betreut haben, dreht es sich in Korea stark um Hochtechnologie, Innovation und moderne Industriethemen.“ So bestand die erste Zeit darin, das neue Land kennenzulernen und zu verstehen, wie es funktioniert, erzählt Winkler: „Korea ist eines der konfuzianischsten Länder der Welt: Man muss die sozialen Strukturen, Kommunikationslinien und Verhaltensweisen kennen, um bestimmte Abläufe und Entwicklungen richtig interpretieren zu können.“

Fokus auf „internationalen Bezugspunkt“

Der Feldkircher lebt im Zentrum von Seoul, in Jongno-gu, nur rund 300 Meter vom Gyeongbokgung-Palast und etwa 500 Meter vom Blauen Haus, vergleichbar mit dem Weißen Haus in den USA, entfernt. „Was mich dabei besonders freut, ist, dass ich jeden Tag zu Fuß in die Arbeit spazieren kann. Dabei überquere ich den Jogyesa Tempel und beobachte die Leute beim Beten und genieße den prachtvollen Blumenschmuck, für den dort immer gesorgt wird.“ Winkler fühlt sich in diesem internationalen Umfeld absolut wohl, die Reiselust hat ihn früh gepackt: „Wir sind als Familie viel gereist, und als ich mit 16 Jahren ein Austauschjahr in den USA absolviert habe, stand für mich fest, dass ich ‚rausgehen‘ will. Ab diesem Zeitpunkt habe ich immer darauf geachtet, dass meine Ausbildung und meine Interessen einen internationalen Bezugspunkt haben.“ So hat er sich im Studium in Innsbruck vor allem für Fächer wie Völkerrecht, Internationale Politik oder Verfassungsrecht interessiert. Neben einem Erasmus-Semester in Belgien hat Winkler auch Praktika in anderen Ländern wahrgenommen: „Eines davon als Volontär am AußenwirtschaftsCenter Teheran, hier kam ich das erste Mal mit der Aussenwirtschaft Austria in Berührung“ – seinem heutigen Arbeitgeber.
Bis auf ein Jahr Unterbrechung lebt der 34-Jährige seit 2012 ständig im Ausland. An den bisherigen Stationen seiner „beruflichen Reise“ haben ihn drei Orte besonders geprägt: „Die USA, weil ich dort für ein Jahr lang als Teenager in das amerikanische Leben komplett eintauchen konnte. Dann die drei Monate in Teheran als Volontär, die ein sehr großes Abenteuer waren. Und schlussendlich die drei Jahre in Kasachstan: Zentralasien ist eine andere Welt, etwas abgelegen und geheimnisvoll mit einer sehr langen und interessanten Geschichte.“ Das „Feststellen und Erleben von Kontrasten“ fasziniert ihn nach wie vor: „Eine Alltäglichkeit in Österreich kann eine Herausforderung in Korea sein oder gar etwas Undenkbares in Zentralasien – oder umgekehrt. Der Geist muss ständig in Bewegung bleiben, man muss beobachten und verstehen lernen.“ 
Die Veränderungen, die die Covid-19-Pandemie mit sich bringen, fühlen sich aber auch für Philipp Winkler wie eine „Zäsur“ an: „Früher war es selbstverständlich, dass man sich untertags mit vielen Menschen zu Gesprächen und Verhandlungen persönlich trifft. Derzeit ist das größtenteils undenkbar. In unserem Beruf müssen wir mobil, flexibel und kontaktfreudig sein.“ All’ diese Eigenschaften würden unter der Pandemie leiden, und die Arbeit nur noch vor dem Computerbildschirm ausüben zu können, sei frustrierend. In „normalen“ Zeiten nutzt Winkler sein Leben im Ausland gerne, um die neue Umgebung bei Ausflügen kennenzulernen, „aber auch das Lesen von Büchern gibt mir viel.“ Hat er Aufenthalte in Ländern, wo das Skifahren möglich ist, gehört auch das zu seiner Freizeitbeschäftigung: „In Kasachstan war ich durchaus überrascht, dass ich dort mehr Zeit zum Skifahren gefunden habe als in Zürich.“
Durch die beträchtliche Distanz zwischen Feldkirch und Seoul war Philipp Winkler in den vergangenen Monaten recht selten in Vorarlberg. Technische Mittel vereinfachen zwar die Kommunikation mit Familie und Freunden, „aber das ist leider nicht dasselbe wie ein persönliches Treffen. Deshalb freue ich mich immer sehr, wenn ich Besuch erhalte. Das gibt mir die Möglichkeit, die Orte und Dinge vorzustellen, die meine Familie und Freunde bisher nur aus Erzählungen und von Fotos kennen.“ Das wird hoffentlich bald wieder möglich sein.

Lebenslauf

Philipp Winkler, * 16. Mai 1986, ist in Feldkirch aufgewachsen, hat am BG Rebberggasse maturiert und dann das Studium der Rechtswissenschaften und Politikwissenschaften an der Uni Innsbruck absolviert. Von 2012 bis 2013 war er Juristischer Mitarbeiter im Europabüro des österreichischen Rechtsanwaltskammertages in Brüssel, es folgte die Ausbildung zum Wirtschaftsdelegierten in Wien. Sein erster Einsatz als stellvertretender Wirtschaftsdelegierter war von 2014 bis 2016 in Zürich, der zweite führte Winkler nach Almaty, Kasachstan. Seit 2019 ist Philipp Winkler stellvertretender Wirtschaftsdelegierter in Südkorea, er ist verheiratet und lebt im Zentrum von Seoul.  

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