Peter Bussjäger

Peter Bussjäger (*4. Mai 1963 in Bludenz) ist Verfassungs- und Verwaltungsjurist. Bußjäger war zehn Jahre Direktor des Vorarlberger Landtags. Der Bludenzer ist Professor an der Universität Innsbruck, Direktor des Instituts für Föderalismus und Forschungsbeauftragter des Liechtenstein-Instituts sowie Mitglied des Liechtensteinischen Staatsgerichtshofs. 

(Foto: © Heinz Stanger)

Christian Keuschnigg

Geboren am 9.  Jänner 1959 in St.  Johann in Tirol, ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität St. Gallen. Von Juni 2012 bis Oktober 2014 war der Tiroler Direktor am Institut für Höhere Studien. Keuschnigg ist Vorsitzender des finanzwissenschaftlichen Ausschusses des „Vereins für Social­politik“, Herausgeber des „FinanzArchivs“, Mitherausgeber der „European Economic Review“ und Mitglied in mehreren Forschungsnetzwerken.

(Foto: © Lukas Ilgner)

Der österreichische Zentralismus im internationalen Vergleich

März 2017

Der Vergleich von Dienststellen und Organisationen der Bundesvollziehung mit bundesweiter Zuständigkeit zwischen Österreich, Deutschland und der Schweiz unterstreicht das Bild eines hochzentralisierten Staates.

In der Bundesrepublik Deutschland sind die 67 verglichenen Bundesdienststellen auf 24 Städte verteilt. Die 47 für den Vergleich herangezogenen Schweizer Bundesdienststellen sind auf elf verschiedene Standorte verteilt. Von den 68 für Österreich herangezogenen Bundeseinrichtungen befinden sich 65 in Wien, Ausnahmen bilden nur die Österreichischen Bundesforste, die mit Purkersdorf im direkten Umland der Bundeshauptstadt sitzen, das relativ kleine Österreichische Sprachen-Kompetenz-Zentrum in Graz (zwölf Mitarbeiter) und das Bundesamt für Weinbau in Eisenstadt.

Regionale Streuung

Bei der innerösterreichischen Analyse sticht vor allem die große Zahl von unmittelbaren Einrichtungen der Bundesvollziehung in den Ländern ins Auge. Während in Deutschland und in der Schweiz die Vollziehung von Bundesangelegenheiten großteils durch Behörden der Länder erfolgt, verstärkt in Österreich die direkte Weisungsgebundenheit den Zentralisierungsgrad. Diskussionswürdig ist das Faktum, dass laut Bundesverfassung der Sitz aller Ministerien in der Bundeshauptstadt sein muss. Während die Bundesbehörden selbst, aber auch bürger- und servicebezogene Einrichtungen der Privatwirtschaftsverwaltung des Bundes nach Nützlichkeitskriterien regional verteilt sind, kann bei vielen gesamtstaatlichen Einrichtungen wie Gerichtshöfen, Kasernen, Hochschulen, Bundesämtern und anderen die Frage einer gesamtstaatlichen Betrachtungsweise zur Diskussion gestellt werden. Auffallend ist der hohe Zentralisierungsgrad staatlicher Organisationen wie ÖBB und ORF; bei diesen befinden sich nicht nur die Zentralen, sondern – mit Ausnahme der ORF-Landesstudios – auch alle Subgesellschaften in der Bundeshauptstadt.

Die wirtschaftliche Bedeutung

Die Zahlenreihen der Statistik Austria belegen, dass sich Wien und Umland in großen Schritten der Drei-Millionen-Einwohner-Grenze nähern. Allein im Jahr 2013 hat Wien mit 46 Prozent fast die Hälfte des gesamtösterreichischen Bevölkerungswachstums an sich gezogen. Damit lebt in Kürze mehr als ein Drittel der österreichischen Bevölkerung in einer einzigen Metropolregion. Neben der politischen Bedeutung fällt vor allem auch die Marktmacht der Region ins Gewicht; die Größe des Marktes mit optimalen logistischen Voraussetzungen zieht viele Unternehmungen an, was einen für die Bewohner im Vergleich zu anderen Regionen vorteilhaften Wettbewerb und damit ein vielfältiges und dichtes Dienstleistungs-, Arbeits-, Kultur- und Bildungsangebot mit sich bringt.

Der hohe Anteil der öffentlichen Hand am Wirtschafts- und Investitionsgeschehen der Republik macht Standortentscheidungen zu einem wichtigen Faktor der regionalen und überregionalen Politik. In dieser Untersuchung wurde eine Reihe von Studien ausgewertet, die die regionalwirtschaftliche Bedeutung von Standorten untersucht haben. Dem Stellenwert der Wissensgesellschaft und der Wissensökonomie entsprechend wurde den Impulsen, die von höheren Bildungseinrichtungen ausgehen, ein besonderes Augenmerk gewidmet. Einer Studie der Akademie der Wissenschaften zufolge generieren die Wiener Hochschulen, in denen 54 Prozent der Studierenden Österreichs ausgebildet werden – der Bevölkerungsanteil der Bundeshauptstadt beträgt aktuell 20 Prozent – eine Wertschöpfung von 2,5 Milliarden Euro. Als ein herausragendes regionales Beispiel für die Wichtigkeit von Standortentscheidungen werden die Kennzahlen von Softwarepark und Fachhochschule Hagenberg im oberösterreichischen Mühlviertel dargestellt. Aus dem Spin-off der Johannes-Kepler-Universität Linz sind seit seiner Gründung in den Jahren 1989/90 zwölf Forschungseinrichtungen, 68 Unternehmen und 23 Fachhochschullehrgänge entstanden; 1050 Personen, davon 400 aus der Region sind dort beschäftigt.

Abwanderung von Wissensträgern

Die Akademisierung der Gesellschaft hat eine nicht zu unterschätzende Folgewirkung auf die geografische Entwicklung der Arbeitsstandorte. Während sich die Zahl der Reife- und Diplomprüfungen seit 1960 von 10.832 auf 43.665 (2012) vervierfacht hat, ist die Zahl der Hochschulabschlüsse von 4921 (1971/72) auf 32.450 im Studienjahr 2011/12 um das Sechsfache gestiegen. Bei der Wanderungsbewegung innerhalb der österreichischen Bundesländer kommt diese Situation deutlich zum Ausdruck. Die Jahrgänge zwischen 20 und 35 Jahren halten mit Abstand die höchsten Anteile. Der Wanderungssaldo zwischen Wien und den Bundesländern ist daher auch für alle Bundesländer mit Ausnahme von Niederösterreich negativ, die Abwanderung von Wissensträgern ist evident.

Der Zusammenhang der demografischen Entwicklung und einer Ausbildungs-, Berufs- und Karrierewanderung wird durch die Brain-Drain-Studien untermauert, die vom Institut für Höhere Studien und wissenschaftliche Forschung Kärnten und von der Zukunftsakademie des Landes Oberösterreich in Zusammenarbeit mit dem Linzer Institut für qualitative Analysen durchgeführt wurden. In Befragungen mit repräsentativen Samples wurden die Motive erforscht. Die wichtigsten Gründe sind die Ausbildung – bei den unter 35-Jährigen zu 93,4 Prozent der Beginn eines Studiums (IHS Kärnten) – und der Antritt einer Arbeitsstelle. Die Studierendenzahlen und die Einzugsgebiete der Wiener Universitäten spiegeln die Situation wider; das Studentenheer aus den Bundesländern zählt mehr als 45.000 Personen, wobei dieser Wert vermutlich zu tief angesetzt ist, weil viele Studierende als Heimadresse nicht die Herkunftsregion, sondern die Studienadresse angeben.

Ein klares Ergebnis

Vor allem in der Schweiz, aber auch in Deutschland ist die Zahl der gesamtstaatlichen Bundeseinrichtungen deutlich geringer als in Österreich. Das ist für sich genommen schon ein Hinweis auf den hohen Zentralisierungsgrad Österreichs. Österreich hat wie keines der Vergleichsländer praktisch alle gesamtstaatlichen Einrichtungen in der Bundeshauptstadt konzentriert. Im Sinne der Zusammenhänge von Arbeitsmärkten und regionaler Standortpolitik ist zu empfehlen, gesamtstaatliche Einrichtungen besser auf die Bundesländer aufzuteilen. Die Studie zeigt zudem auf, dass die Zahl der Bundesdienststellen in den Ländern im Gegensatz etwa zur Schweiz außerordentlich hoch ist, was nicht nur Doppelgleisigkeiten verursacht, sondern auch die Zentralisierungstendenz durch die Weisungsgebundenheit zusätzlich verstärkt. Nach dem Motto „Der Bund im Bund, das Land im Land“ wären große Teile der unmittelbaren Bundesverwaltung – gemeint sind vor allem das Sozialministeriumservice, die Eich- und Vermessungsämter, Einrichtungen des Denkmalamtes, die Schulverwaltungen und die Wildbach- und Lawinenverbauung – in die Bezirks- und Landesverwaltungen zu integrieren.

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