Andreas Dünser

Chefredakteur "thema vorarlberg" (andreas.duenser@themavorarlberg.at)

Die faule Generation – nur ein Mythos

Februar 2024

Sind die Jungen, die Vertreter der Generationen Y und Z, tatsächlich so faul und arbeitsunwillig, wie medial stets kolportiert? Sind, wie ein deutscher Headhunter in einem Interview sagte, fehlende Arbeitsmoral, hohe Gehaltsforderungen und mangelnde Leistungsbereitschaft tatsächlich die Charakteristika dieser Generationen? Und unterschied sich bereits die Generation X in ihrer Arbeitsmoral negativ von den Babyboomern? 
Martin Schröder, Soziologieprofessor an der Universität des Saarlandes, hat sich dieser Frage nun mit wissenschaftlichem Verve gewidmet und kommt – wie auf der Homepage der Universität nachzulesen ist – nach der Untersuchung von „hunderttausenden Datensätzen aus vier Jahrzehnten“ – zu einem ganz anderen Schluss: „Ich habe nichts gefunden, was darauf hindeutet, dass die Einstellung zu Arbeit und Beruf tatsächlich mit dem Geburtsjahr zusammenhängt.“ Soll heißen: Wie jemand zur Arbeitswelt steht, ist keine Frage des Geburtsjahres. Hier die faulen Jungen mit ihrer 20-Stunden-Woche, die von einem Strand aus mit dem Laptop arbeiten, dort die Mitfünfziger-Boomer, kurz vorm Burnout, dieses medial oft gezeichnete Bild ist für den Wissenschaftler „allenfalls ein Klischee, aber nicht mehr“. 
Schröder zufolge variiert das Verhältnis zur Arbeit viel weniger nach der Generationszugehörigkeit als nach der jeweiligen individuellen Lebenslage: „Es kommt auf den Zeitpunkt an, in welchem Lebensabschnitt die Menschen nach ihrer Leistungsbereitschaft und ihrer Einstellung zur Arbeit gefragt werden.“ Auch würden die Daten – ab 1981 wurde über 40 Jahre hinweg die Berufseinstellung von mehr als einer halben Million Menschen in 113 Ländern erfasst – zeigen: Dass die Bedeutung, die Arbeit zugemessen wird, generationenunabhängig zuerst steigt und mit zunehmendem Alter sinkt. Und dass uns allen, egal ob wir 15 oder 50 sind, die Arbeit heute nicht mehr ganz so wichtig ist, wie sie der Gesellschaft vor 50 Jahren noch war: „Wir denken heute alle anders als früher.“ Laut dem Wissenschaftler lassen sich aus den Daten auch keine Generationenunterschiede in Bezug auf die subjektiv empfundene Wichtigkeit von Freizeit, guten Arbeitszeiten oder interessanten Aufgaben ableiten. 
Und warum hält sich die Mär von den Generationsunterschieden in der Arbeitswelt trotzdem so hartnäckig? Unter anderem deswegen, weil Menschen mit dieser Behauptung Geld verdienen, sagt Schröder: „Diese ‚Jugendforscher‘ ignorieren wissenschaftliche Erkenntnisse, die ihrem Geschäftsmodell widersprechen, weil ihr Einkommen davon abhängt, dass sie weiterhin ‚generationensensible‘ Coachings, Bücher und Vorträge verkaufen.“ Die „NZZ“ urteilte übrigens mit kritischem Blick auf die Autoren, die aus den Generationen-Dia-gnosen ein einträgliches Genre gemacht haben: „Das Praktische war, dass man nie eine Meinung haben musste, sondern einfach sagen konnte, dass eine Gruppe von Menschen das aufgrund ihres Lebensalters eben so sieht.“
Die faule Generation, ein Mythos. Geht es nach Martin Schröder, sind die populären Annahmen, die Generationen würden sich in ihrer Einstellung zur Arbeitswelt unterscheiden, widerlegt. 

Originalpublikation: Schröder, M. Work Motivation Is Not Generational but Depends on Age and Period. J Bus Psychol (2023).

Die Generationen, eingeteilt nach den Geburtsjahren:

Babyboomer geboren 1945 bis 1964

Generation X geboren 1965 bis 1980

Generation Y geboren 1981 bis 1995 und

Generation Z geboren 1995 bis 2010

Generation Alpha ab 2011

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