Sabine Barbisch

Die Spitzenköchin aus dem Bregenzerwald

Mai 2023

Sigi Schelling schätzt ihre Wurzeln im Bregenzerwald, dennoch war ihr schon früh bewusst, dass sie ihr Glück nicht in der Landwirtschaft, sondern in der gehobenen Gastronomie finden wird. Hier gibt sie einen Einblick, welches Buch und welche Menschen ihren Lebensweg geprägt haben und spricht über ihre neue Rolle als Inhaberin und Chef de Cuisine im Münchner „Werneckhof“. 

Ihre Kindheit im Bregenzerwald beschreibt Sigi Schelling als „sehr prägend“, sie ist mit fünf Geschwistern auf einem Bauernhof in Hittisau im Bregenzerwald groß geworden: „Unser Vater hat uns schon sehr früh Verantwortung überlassen und Bodenständigkeit vermittelt. Das prägt mich bis heute.“ Den elterlichen Bauernhof zu übernehmen oder in der Landwirtschaft zu arbeiten kam für die junge Frau trotzdem nicht infrage: „Ich wollte schon immer mit Freude richtig gut kochen und meine eigene Chefin sein.“ In einer Sache richtig gut zu sein und konsequent daran zu arbeiten, das sei ein weiterer Wert, den ihre Eltern allen Schelling-Kindern mit auf den Weg gegeben hätten. Gekocht und gebacken hat sie schon immer gerne, diese Leidenschaft wurde in ihrer Jugend folglich rasch zu einem konsequenten Plan: Ihre Lehre hat sie im Gasthaus „Ochsen“ in Hittisau erfolgreich absolviert. 
„Mein Ziel war es, viel zu lernen, um später in gute Häuser zu gehen. Und ich hatte das Glück, dabei immer auf Menschen zu treffen, die mich gefördert und mir das ermöglicht haben.“ So hat die heute 47-Jährige nach der Lehrabschlussprüfung im Restaurant „Guth“ in Lauterach gekocht: „Hier habe ich das genaue und gewissenhafte Arbeiten und Kochen gelernt, das war eine lehrreiche und harte Zeit; aber mir war immer klar, wie wichtig das ist.“ Ein vermeintlich simples Geschenk hat im Jahr 1995 ihren weiteren Lebensweg entscheidend geprägt: „Familie Scheucher schenkte mir ein Kochbuch von Hans Haas. Ab diesem Zeitpunkt wollte ich nur noch eines – ins ‚Tantris‘ nach München; diese Art zu kochen hat mich ab der ersten Sekunde fasziniert und nicht mehr losgelassen.“ Später, 2006, bekam die Bregenzerwälderin diese Chance und wechselte in den Gourmettempel nach München. Bereits nach einem Jahr wurde Schelling Souschefin des legendären Hans Haas; über 14 Jahre hat sie eng mit dem Sternekoch zusammengearbeitet und ihre kulinarischen Künste im „Tantris“ immer weiter perfektioniert.

Lehrmeister und eigene Küche
Seit 2021 schreibt Sigi Schelling nun ihre ganz eigene Geschichte als Inhaberin und Chef de Cuisine des traditionsreichen „Werneckhof“ in München. Nach einem großen Umbau hat sich das Restaurant wieder als Treffpunkt für Gourmets etabliert und wie die „Süddeutsche Zeitung“ schreibt: „Wer in den zwei kleinen Gasträumen mit normal knapp 40 Plätzen einen Tisch ergattern will, sollte Vorlauf einplanen.“ Den Küchenstil, den die Wahlmünchnerin an der Seite ihres großen Lehrmeisters Hans Haas gekocht hat, pflegt sie weiterhin: „Meine Küche ist klassisch, produktbezogen, saisonal, nachhaltig und leicht. Mit einem Hauptprodukt auf dem Teller und alles perfekt zubereitet.“ Die Inspiration für ihre Kreationen findet sie durch ihre tägliche Arbeit, im Umgang mit neuen Waren und Produkten vom Großmarkt ebenso wie durch kulinarische Ausflüge in andere Restaurants. 
Die Gäste im „Werneckhof“ erwartet ein perfekt gekochtes Menü ohne Firlefanz: „Ich bin keine ‚Türmlebauerin‘, ich bevorzuge eine klare Linie mit wenigen erstklassigen Produkten, die in einem perfekten Menü vereint sind.“ Diese Küche auf höchstem Niveau verlangt Schelling und ihrem Team alles ab, privat kocht sie deshalb kaum, sie ist im Betrieb viel zu eingespannt. Diese Mühe lohnt sich, kürte sie „Der Feinschmecker“ im vergangenen Jahr doch zur „Köchin des Monats“ sowie zur „Köchin des Jahres“. Auch der „Schlemmer Atlas“ wählte die Bregenzerwälderin 2022 zur „Köchin des Jahres“. Außerdem trägt der „Werneckhof“ einen Michelin-Stern. Das alles ist auf den großen Fleiß, den enormen Arbeitseinsatz und das Talent der Spitzenköchin zurückzuführen.

Harmonie im Team
Im Gespräch sagt sie, dass sie ihr Privatleben lieber bedeckt hält. Nur so viel verrät sie: „Ich habe so viele tolle Menschen um mich, die mich unterstützt, mir den Rücken gestärkt und mich beraten haben. Einen Mentor habe ich auch in Hans Haas gefunden, den ich immer anrufen kann – das schätze ich sehr!“ 
Natürlich gibt es Ecken und Kanten im Team, aber was zählt, ist der Zusammenhalt: „Unser Ziel ist es, gemeinsam etwas zu schaffen, alleine geht es nicht und Kochen allein ist nicht alles. Meine Rolle ist es auch, das Team zu führen. Ich regiere nicht, ich führe – mein Anspruch ist, dass wir gemeinsam ein Ziel verfolgen und dass der Betrieb harmonisch ist.“ Aktuell besteht das Team von Sigi Schelling aus 18 Personen, sechs davon arbeiten in der Küche.
Als Inhaberin und Chef de Cuisine unterscheidet sich ihre Arbeit doch von den 14 Jahren im „Tantris“: „Dort habe ich ausschließlich gekocht. Im ‚Werneckhof‘ bin ich für alles zuständig, mein Aufgabenbereich hat sich also stark erweitert: Mitarbeiterführung, betriebswirtschaftliche Themen, Service, Küche – die Arbeit beginnt für mich um acht in der Früh und endet um Mitternacht, mein Alltag ist sehr turbulent.“
Im Sinne ihrer Mitarbeiterinnen ist in ihrem Restaurant die Viertagewoche gelebte Praxis. „Ich selbst bin aber auch an den freien Tagen viel am Vorbereiten. Den Sonntag versuche ich freizunehmen und meinem Hobby – dem Rennradfahren und Mountainbiken – nachzugehen. Das ist mir wichtig, so habe ich die notwendige Ausdauer für den Job; denn ich liebe, was ich mache, aber es ist sehr intensiv. Für mich ist es das Schönste, wenn der Laden läuft, das Team funktioniert und harmonisch ist und unsere Gäste immer wieder in den ‚Werneckhof‘ kommen.“

Lebenslauf
Sigi (Sigrid) Schelling, * 5. März 1976, ist in Hittisau im Bregenzerwald aufgewachsen. Die Lehre zur Köchin hat sie im Gasthaus „Ochsen“ in Hittisau absolviert und ihr Können bei Thomas Scheucher im „Guth“ in Lauterach perfektioniert. Während dieser Zeit hat sie auch im Ausland gekocht – bei Dieter Koschina in Portugal und Lisl Wagner-Bacher an der Donau. Ins „Tantris“ nach München ist sie 2006 gewechselt, bereits nach einem Jahr wurde sie dort die Souschefin von Hans Haas. Vierzehn Jahre später hat sie den „Werneckhof,“ ebenfalls in München, übernommen.

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