Gerald A. Matt

Kunstmanager, Publizist und Gastprofessor an der Universität für angewandte Kunst Wien

Dior und der „New Look“

März 2019

Gerald Matt besuchte die große Hommage für Christian Dior, „The exhibition Christian Dior: Designer of Dreams“ im Londoner Victoria and Albert Museum. Die sensationelle Ausstellung, deren Konzeption, Dramaturgie und Qualität der Objekte Matt zutiefst beeindruckte, ist noch bis 14. Juli zu sehen.
Die Ausstellung zeigt, dass Dior viel mehr als bloß
Mode machte, indem er der Kultur und dem Zeitgeist einer Epoche Form und Schönheit schenkte.
Nach der bahnbrechenden Ausstellung „Alexander McQueen: Savage Beauty“ (2015) zeigt das V&A, was ein Museum für angewandte Kunst zu leisten vermag, ein Vorbild für das an Orientierungs- und Visionslosigkeit krankende Wiener MAK.

Die Londoner Dior-Ausstellung erzählt mit mehr als 500 außergewöhnlichen Objekten die Geschichte des Pariser Modehauses von seinen Anfängen im Jahr 1947 bis heute. Zu sehen sind prachtvolle Haute-Couture-Abendroben, Kostüme, Mäntel, Schuhe, Hüte, Handschuhe, Parfüms – das ganze Portfolio der ersten globalen Mode- und Luxusmarke. Das V&A thematisiert aber auch die Begeisterung Diors für das Britische: Tweed, Perlen, Royals, Understatement und Maßschneiderei. 
Der Ausstellungsdesignerin Nathalie Crinière gelingt es beeindruckend, die Geschichte und Kreationen Diors in wunderbare Bilder und Szenen zu übersetzen. Die Ausstellung, die einer Theaterinszenierung in mehreren Aufzügen gleicht, hat Drama und lässt den Besucher von Höhepunkt zu Höhepunkt schlendern. Zu sehen sind die reinszenierte Fassade der Dior-Salons in der Avenue Montaigne. Es folgen der nachempfundene Versailler Temple de l‘Amour im „Historicism“-Bereich, der Diors Interesse an dem ihn inspirierenden Zeitalter der „Belle Époque“ und des 18. Jahrhunderts thematisiert. Ein weiterer Höhepunkt der Show bildet ein großzügiger Ballsaal, in dem, untermalt von Sternschnuppen und Goldglitzer-Regen an Decken und Wänden, ein Defilee grandioser Abendroben Diors uneingeschränkte Liebe zum Glamour und festlicher Eleganz widerspiegeln.

Beeindruckend ist auch ein „Diorama“, ein Kuriositätenkabinett aus farbcodierten Accessoires, Schmuck und 123 Magazin-Covers von 1947 bis heute, darunter das Fläschchen mit Dior-Kunstblut aus den 60er- und 70er-Jahren, ein Film-Make-up, oder das „Bobby“-Parfumflakon als besonderes Geschenk für treue Kunden in der Form von Diors geliebtem Hund Bobby. Ein Raum mit dem Titel „Garten“ verweist auf die Liebe Diors zu Blumen, die im Besonderen Lilien galt – dieser verströmt eine von Glyzinien, Klematis, Maiglöckchen und von der Decke hängenden Rosen aus Papier erweckte Sinnlichkeit. Auf der Suche nach dem Modegenie Dior versäumt es die Show auch nicht, einen Blick auf dessen Nachfolger und das modische Erbe eines der wohl einflussreichsten Modemacher des 20. Jahrhunderts zu werfen: So beeindrucken auch Kreationen von Yves Saint Laurent, Marc Bohan, Gianfranco Ferré, John Galliano, Raf Simons und Maria Grazia Chiuri, die seit dem frühen Tode von Dior für die letzten Schreie des Hauses zuständig sind. 
Schon der Auftakt der Ausstellung ist spektakulär, zu sehen gibt es ein für Prinzessin Margaret, der jüngeren Schwester von Königin Elisabeth II., von Dior zu ihrem 21. Geburtstag geschaffenes royales Märchenkleid, ein Traum in Blütenweiß. Es folgt der Paukenschlag der Ausstellung, der mittlerweile zur Ikone gewordene „Bar Suit“. Es ist die Ouvertüre zu einer beeindruckenden Reise in die Welt des „New Look“, mit dem Dior die Welt der weiblichen Mode revolutionierte, die weibliche Silhouette neu definierte und Paris nach dem Krieg wiederum zum Zentrum der Modewelt machte.

Wir finden uns in einer Zeit, als Models noch nobel Mannequins hießen, und Haute Couture noch die Königsdisziplin der Mode war. Christian Dior enthüllte seine erste Kollektion am 12.Februar 1947 in seinem Atelier, 30 Avenue Montaigne. Mit dem „Bar suit“, der Mode-Sensation einer 90 Modelle bildenden Kollektion, präsentierte Dior eine radikale Alternative zum maskulinen, schwerfälligen, an Uniformen orientierten, breitschultrigen Look der Kriegsjahre. Sein Design streifte deren Schwere und Entbehrungen ab, schmeichelte wieder dem weiblichen Körper und verzauberte Frauen in verehrungswürdige skulpturale Schönheiten. Carmel Snow, die gefürchtete Chefredakteurin von Harpers Bazaar, dekretierte begeistert: „Es ist eine wahrhaftige Sensation, lieber Christian. Deine Kleider haben solch einen neuen Look.“ Ihr Begriff gab seiner Kreation den noch heute berühmten Namen. Der „New Look“ war geprägt von Leichtigkeit und Eleganz, schmaler Taille, betonten Hüften, dezenten Schultern, blütenartigen Formen und einer akzentuierten Oberweite. Die Bar des „Plaza Athénée Hotels“, an der Dior gerne seine Cocktails einnahm, inspirierte ihn für seine erste Modenschau und den Namen für das mittlerweile legendäre Kostüm. 

Die architektonische Silhouette des „Bar suits“ in einem gedeckten Farbduo wurde zum Symbol des „New Looks“. Allein für den Rock aus plissiertem Wolltuch in Schwarz wurden fast zwölf Meter Stoff verarbeitet, die Unterröcke aus Tüll nicht mitgerechnet. Damit das Modell noch eleganter und raffinierter wirkt, griff Christian Dior eine in Vergessenheit geratene Tradition auf und versah ihn mit einem Futter aus drei Metern Perkal und Taft. Nach 150 Arbeitsstunden was das Bar-Ensemble geboren. Begeistert, geradezu andächtig, stand ich vor dem hinreißenden Kostüm, mit dem sich Dior ein Denkmal setzte.

Dior zeichnete seine Schöpfungen nach den Kurven und der Anatomie des weiblichen Körpers. In einer wunderbaren Synthese aus Körper, Haltung, Bewegung, Stoffen und Formen schuf er fern von oberflächlicher reiner Funktionalität und praktischer Banalität Kleidungsstücke, die mehr Kunstwerk als Gewand sind. So ist Diors Mode ein bis heute gültiges Bekenntnis zu Schönheit, Einzigartigkeit und Eleganz und eine Kampfansage an Konformität, Biederkeit und Langeweile.
Dior war sehr bald sehr erfolgreich. Kurz nach der Erfindung des „New Looks“ hatte er bereits 85 Angestellte und drei Ateliers. Acht Jahre später waren es mehr als 1000 Angestellte. In den kommenden zehn Jahren entwarf er 22 Kollektionen. Als Dior 1952 allzu früh an einem Herzinfarkt starb, hinterließ der Modezar nicht nur eine unsterbliche Linie, die von seinen Nachfolgern, ebenfalls begnadete Modeschöpfer, immer wieder neu definiert wurde, sondern auch ein bis heute führendes Modeimperium. Das Londoner Victoria and Albert Museum verneigt sich auf beeindruckende Weise vor einem Mann, der wie kein anderer den hohen Ton der Haute Couture beherrschte. Sie zeigt Dior als einen Zauberer, der den Alltag verschwinden ließ und Kleidung in Traumwelten verwandelte.

Kommentare

To prevent automated spam submissions leave this field empty.
Hi, it's Kandace again! I'm contacting because I want to suggest on the already good work on the winter boots content on themavorarlberg.at. Things are getting a bit slow though... and Google just updated their algorithm again, you know how that'll impact your most important free traffic source, if there isn't an ongoing flow of fresh articles! You see, websites get majority of their organic traffic from their blog, and I feel that you could use a little help, since you are not blogging constantly for now. Writing takes a lot of time and effort, and we have just the team to come up with awesome content you need. You can have your new blog to post on themavorarlberg.at starting at $10 in as little as 5 business days! Check out our work and reviews here: http://bit.ly/2U158Vp You're always covered by the unbeatable 60-Day Money Back Guarantee! Thank you for your time, Have a great day. Kandace You are receiving this message because the contact form at themavorarlberg.at is open to the public. Thank you.