Simon Groß

Vorarlberger Gemeindeverband

Drängeln, Rasen, Sparen – Bußgeldparadies Vorarlberg

April 2019

Auf der A14 „kracht“ es regelmäßig – Rasen, rechts Überholen oder Drängeln spielen dabei eine wesentliche Rolle.
Zudem besteht der subjektive Eindruck, dass gerade viele unserer Schweizer Nachbarn, bei denen es zu Hause in Sachen Verkehrsstrafen bekanntlich drakonisch zugeht,
in Vorarlberg teilweise viel zu schnell unterwegs sind.

Genau 360 Unfälle hat es auf der A14 zwischen Hörbranz und Feldkirch im Vorjahr gegeben. Laut Autobahnpolizei Dornbirn sind mit dem stark gestiegenen Verkehrsaufkommen die Unfälle auf diesem Abschnitt seit 2004 um zehn Prozent gestiegen, der Trend setzt sich fort. Oberst Rudolf Salzgeber, Kommandant der Landesverkehrsabteilung Vorarlberg, bestätigt, dass der Verkehr zunehmend intensiver wird. Die Bundespolizei hat im Jahr 2018 knapp 112.000 Geschwindigkeitsübertretungen auf Vorarlbergs Straßen festgestellt, allein auf der A14 wurden mehr als 13.000 Abstandsverletzungen zur Anzeige gebracht. Kornelia Bauer, Leiterin des Instituts für Nachschulung und Fahrer-Rehabilitation in Feldkirch, ergänzt das aus psychologischer Perspektive. „Menschen stehen am Arbeitsplatz mehr unter Stress. Sie haben immer weniger Möglichkeiten, um ihrem Ärger Luft zu machen. Dann wird das Auto zum Ventil für angestaute Emotionen.“ Viele Verkehrsteilnehmer seien also emotional schon sprichwörtlich auf 180, und das nicht nur auf den morgendlichen Arbeitswegen und zum Feierabend. „Es kommt tatsächlich öfter vor, dass von rechts überholt, aufgefahren und gedrängelt wird. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass sich die Verkehrsteilnehmer nicht an die vorgegebenen Tempolimits halten“, erklärt Salzgeber. 

Das gilt nicht nur für Österreicher. Oft entsteht der subjektive Eindruck, dass sich besonders Schweizer Autofahrer über Verkehrsordnungen und insbesondere das hiesige Tempolimit hinwegsetzen. Ausschlaggebend mag sein, dass die Bußgelder in Österreich im Vergleich zu jenen der Schweiz geradezu lächerlich gering sind. Bei den Eidgenossen wird mit Temposündern hingegen rigoros umgegangen. Wer auf der Schweizer Autobahn beim Tempolimit von 120 Stundenkilometern um bis zu fünf km/h schneller unterwegs ist und auch erwischt wird, muss bereits 20 Franken büßen. Ab 25 km/h winkt neben einer Geldstrafe von mehreren hundert Franken außerdem eine Anzeige, bei mehr als 30 km/h wird sogar die Fahrerlaubnis für mindestens einen Monat entzogen. Österreich zum Vergleich: Bis zu 20 km/h zu schnell auf der Autobahn kosten 45 Euro – lächerlich im Vergleich zu den mehreren hundert Franken.

Und so drängt sich die Frage auf, ob Vorarlberg gerade für Schweizer ein Bußgeldparadies ist. „Verkehrsstrafen werden als lästig, aber nicht als schmerzhaft empfunden. Im EU-Vergleich, vor allem auch in Relation zum Einkommen, sind unsere Strafen sicher im unteren Drittel angesiedelt“, sagt Salzgeber. Abgesehen davon sind in der Schweiz sogar Beschlagnahmungen von Fahrzeugen oder Gefängnisstrafen mögliche Sanktionen für eine hohe Geschwindigkeitsübertretung. Umso kurioser, dass es manchen immer wieder gelingt, sich genau solche horrenden Strafen einzufahren: 2014 war ein Deutscher mit Tempo 200 auf der Schweizer Autobahn und durch den Gotthardtunnel gerast. Erst eine Straßensperre konnte den Mann stoppen. Führerschein und Fahrzeug wurden einkassiert, der Raser wurde in Abwesenheit zu 30 Monaten Haft verurteilt, davon zu zwölf Monaten unbedingt.

Zurück aber zu den rasenden Eidgenossen. Im Dreiländer-Eck wird verstärkt wahrgenommen, dass rasende Schweizer im Ausland mitunter zum Problem werden. Der deutsche „Südkurier“ schrieb: „Warum rasen gerade Schweizer auf deutschen Autobahnen? Fest steht: Im Alpenland sind die Strafen deutlich höher als in Deutschland“ und „Auf jeden Fall dürften die Schweizer dreimal überlegen, bevor sie auf heimischen Straßen rasen.“ In der „Neuen Zürcher Zeitung“ hieß es übrigens, Schweizern eile der Ruf voraus, die Dinge zwar generell gemächlicher anzugehen, auf deutschen Autobahnen aber über sich hinauszuwachsen. Gut möglich sei es da, dass „nicht nur der Wohlstand und die daraus resultierende Potenz unter der Motorhaube ausschlaggebend sind für das Geschwindigkeitsverhalten der Schweizer auf deutschen Autobahnen“. Die renommierte Tageszeitung attestierte hier selbstreflexierend Kompensationswünsche und warf die Frage auf, ob es denn sein könne, „dass sich der Tempo-Ehrgeiz umgekehrt proportional zur schieren Größe des Herkunftslandes verhält“.

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