Hans-Peter Metzler

Alt-Präsident der Wirtschaftskammer Vorarlberg

(Foto: ©Markus Gmeiner)

Eigenverantwortung

November 2018

Dass in Österreich Reformen nur schwer möglich sind, zeigt sich exemplarisch an der Debatte, die in unserem Land rund um die Übererfüllung von EU-Mindeststandards geführt wird. Österreich fügt europäischer Bürokratie nochmals munter österreichische Bürokratie hinzu, Justizminister Josef Moser will das beenden, doch die Widerstände sind hoch. Auch wenn der frühere Rechnungshof-Präsident dezidiert festgestellt hatte, dass es ihm da nur um jene Rechtsvorschriften gehe, „die über das Ziel hinausgehen und das Leben der Österreicher erschweren“ und die Bürokratie in Österreich längst ein Ausmaß erreicht hat, das unternehmerisches Handeln gefährdet – es finden sich immer welche, die es sich scheinbar zur Lebensaufgabe gemacht haben, Reformen zu verhindern und Bürokratie auszubauen. 

Dabei ist das Signal, das von überschießender Bürokratie ausgeht, fatal: Wer alles bis ins letzte Detail geregelt haben will, misstraut dem Bürger prinzipiell. In Gesellschaften sind Regeln und Verbote notwendig, um gesicherte Verhältnisse zu schaffen, Vertrauen und Berechenbarkeit. Das stellt ja niemand infrage. Doch schränkt ein Übermaß an Regeln und Verboten eben auch die Freiheit der Bürger ein. Es gilt, wie in vielen anderen Bereichen des Lebens, die Mitte zu finden, die Notwendiges regelt und Mögliches offenhält. In Vorarlberg ist da oft von Spielräumen die Rede, die Wirtschaft und Gesellschaft in der Vergangenheit genutzt hatten und nach wie vor nutzen; diese Spielräume, so hat es den Anschein, werden zunehmend verbürokratisiert.

Es ist allerdings nicht nur die Bürokratie, die einschränkt und hemmt; es ist auch ein Staat, der sich in falscher Interpretation seiner eigentlichen Aufgabe als Volkserzieher versteht. Denn was da am Ende überbordender Regeln und zunehmender Bevormundung bleibt, ist ein Verlust an eigenständigem Denken, ein Verlust an Eigenverantwortung und damit auch an Freiheit. Eine Gesellschaft, die sich in ihrem Denken nur noch daran orientiert, was verboten ist, und nicht mehr daran, was möglich ist, mag Volkspädagogen ja erstrebenswert erscheinen – aber eine solche Gesellschaft ist denkbar schlecht dafür geeignet, den Anforderungen der Zukunft zu begegnen. 
Alexander Neubacher, ein deutscher Publizist, hat da einmal gesagt: „Überall dort, wo an die Stelle des Arguments ein Verbot tritt, stellen wir das Denken ein. Wie sich bei einer solchen Einstellung aber Mut entwickeln soll, Kreativität, Unternehmergeist und Kunst, ist mir schleierhaft.“ Mut, Einstellung und Verantwortung lassen sich nicht verordnen. Aber sie lassen sich unterdrücken. Darüber sollten wir nachdenken.

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