Kurt Bereuter

56, studierte BWL, Philosophie und Politikwissenschaften. Organisationsberater und -entwickler, freier Journalist und Moderator, betreibt in Alberschwende das Vorholz-Institut für praktische Philosophie.

Franz Michael Felders bester Freund: Der Seppel

Februar 2025

Der bedeutendste Vorarlberger Literat des 19. Jahrhunderts, Franz Michael Felder (1839 – 1869), wurde als politischer Kopf mit sozialreformerischen Ideen von den Konservativen aufs Heftigste bekämpft. Aber: Er hatte auch Freunde.

Wer sich mit Franz Michael Felder beschäftigt, kommt bald zu seinen Widersachern, die in seinem Heimatdorf auch seine politischen Gegner waren. Allen voran der sogenannte Käsegraf „Gallus Moosbrugger“ und der Dorfpfarrer Rüscher. Rückhalt gaben ihm seine geliebte Frau und seine Freunde.

Felders Freunde
Der Historiker Meinrad Pichler stellte sie in einem Vortrag vor. Nicht nur seinen Schwager Kaspar Moosbrugger, sondern auch die Familie seiner ersten „Freundin“, Marianne Oberhauser. Der Leipziger Germanist Rudolf Hildebrand war ein großer Bewunderer und Förderer Felders. Auch Josef Feurstein aus Bezau, der umtriebige Politiker und Lithograph, darf nicht vergessen werden. Ihn hätte Felder am Ende seines Lebens gerne als Freund mit nach Hause genommen, wie er schrieb. Wenn man bedenkt, dass Felder mit seiner „Felder-Partei“ die Gemeinderatswahlen 1869 in zwei Wahlkörpern im dritten Wahlgang gewann, nachdem bei der Wahl zuvor die Anhänger der klerikal-konservativen Gegner Wahlzettel anzündeten, brauchte er für seine erfolgreichen politischen Bemühungen in der Gemeinde Anhänger, ob sie auch Freunde waren, bleibe dahingestellt. 

Anerkennung und Wertschätzung
Die Freunde gaben Franz Michael Felder Rückhalt, Unterstützung und Zuversicht. Bei ihnen konnte er „auftauen“, wie er selbst schrieb. Sie gaben ihm wohl die Anerkennung und Wertschätzung, die ihm von konservativer Seite in seiner Heimatgemeinde Schoppernau verwehrt wurde. Er wurde gemieden, schief angeschaut, in Gasthäusern und von der Kanzel herunter verteufelt. Nicht einmal in größter Not, als er samt dem Vieh 1860 in die Bregenzerache fiel und sich an einem Stein verzweifelt festhielt, wollte man ihm zu Hilfe kommen. Glücklicherweise konnte ihn einer seiner wenigen Freunde aus dieser lebensgefährlichen Situation befreien. Es war Josef Oberhauser, der älteste der Oberhauser-Brüder, mit denen Felder seit Kindheitstagen befreundet war. Ihre Schwester, Marianne Oberhauser, Felders Jugendfreundin, verstarb 1856 an TBC. Die Oberhausers blieben seine Freunde und dem jüngsten setzte er in seinen Lebenserinnerungen und in seinem Roman „Sonderlinge“ in der Figur des „Senn“ als klugen und sozialen Menschen ein Denkmal. 

Der „ewige“ Jugendfreund
Wenn wir von Felders Freunden reden, steht unangefochten einer an der Spitze: Johann Josef Felder, Seppel genannt, sein Cousin, der drei Jahre älter war. Er war sein Jugendfreund – und blieb es bis zum Schluss seines Lebens. Seppel war mit seinem Vater zerstritten und suchte schon mit 18 Jahren sein Glück in der Ferne. Dort lernte er den Beruf des Uhrmachers und wurde von Felder oft auch so genannt: Der Uhrmacher. Sie blieben brieflich verbunden, wenn Seppel in der Schweiz oder in Frankreich sein Glück suchte und nicht fand. Seppel bat Felder immer wieder um Geld, das ihm dieser auch zukommen ließ. Felder selbst war nicht so arm, er hatte keine Geschwister, sein Vater war jung gestorben, und er befand sich in der zweiten Steuerklasse und konnte sich auch die von ihm bestellte Literatur leisten, die jährlich den Wert einer Kuh ausmachte, wie Pichler umrechnete. Selbst Seppels Rückkehr nach zwölf Jahren war nur mit Franz Michael Felders finanzieller Hilfe möglich. 

Uhrmacher und Hitzkopf
Seppel wurde von Meinrad Pichler als Gegenpol zu Felder bezeichnet, weil er eher leichtlebig war. Seppel war anfänglich nicht auf der gleichen politischen Linie, „er sei in Frankreich gescheiter geworden“. In ihren antiklerikalen Ansichten und in der Gemeindepolitik waren sie es und Seppel stellte sich hart an seine Seite. Während Felder auch aufgrund seiner körperlichen Statur und der Sehbeeinträchtigung eher zurückhaltend war und mit Worten seine Kämpfe führte, war es Seppel, der Franz Michael Felder im Schoppernauer Rössle körperlich verteidigte, nachdem sein Freund als Lügner bezeichnet wurde. Seinem Schwager Kaspar Moosbrugger schilderte Franz Michael Felder das Gemüt des Uhrmachers sehr drastisch: „Gestern floß das erste Blut in unserm Kampfe. … Der Rößlewirt suchte durchaus Händel, wie das immer ist, wenn einer von meiner Partei dort ist. Mir war es zu gemein, mich mit diesem Menschen einzulassen, und wollte gehen, als er mich einen Lügner nannte, als der ich in meinen Akten in Bezau stehe. In den Uhrenmacher aber fuhr es wie ein Feuer. Ich hab ihn nie so gesehen, wie er da stand, und das ganze heilige Nest einmal ausräumte. Da wurden die Worte nicht gewogen, ich mochte wehren, wie ich wollte, Felder (Seppel, Anm.) kannte keine Rücksicht, sein ganzer Haß gegen diese Elenden brach furchtbar schön heraus. Auch der Rößlewirt, sein Knecht standen auf, fielen über meinen Vetter her und bald sah ich nichts mehr als eine schwarze Masse. Felder hatte mit alten Raufbolden zu tun, doch er räumte brüllend die Stube. Die drei waren nach allen Seiten fort.“ In diesen Worten mag durchaus auch beim Literaten Franz Michael Felder der „Wälder“ Übermut und Stolz durchklingen, auch wenn er dem körperlichen Kampf wohlbegründet auswich.

Kein Glück gefunden
Seppel kehrte mit 28 Jahren in sein Heimatdorf zurück, heiratete und „zog mit Kind und Rind nach Alberschwende“. Dass dieser endgültige Weggang seines treuesten Freundes für Felder nach dem Tod seiner geliebten Frau „Nanni“ und dem Erstarken des politischen Konservativismus ein weiterer Stich ins trauernde Herz war, darf konstatiert werden. Dass Seppel auch in Alberschwende sein wirtschaftliches Glück nicht fand, kann angenommen werden, denn schon bald verlässt er Alberschwende nach Dornbirn und stirbt dort 1873 mit 38 Jahren in Armut.

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