Kurt Bereuter

56, studierte BWL, Philosophie und Politikwissenschaften. Organisationsberater und -entwickler, freier Journalist und Moderator, betreibt in Alberschwende das Vorholz-Institut für praktische Philosophie.

„Häuser werden abgerissen, weil sie nicht geliebt werden“

April 2022

Eine Diskussion zum Abschluss der Ausstellung „Constructive Alps“ – Bauen für das Klima – im Werkraum in Andelsbuch eröffnete Räume des Denkens und dringenden Handelns.

Mit der Ausstellung „Constructive Alps – Bauen für das Klima“ – bot der Werkraum eine Ausstellung, bei der die Preisträger des Architekturwettbewerbs 2020 für nachhaltige Sanierungen und Neubauten im Alpenraum vorgestellt wurden. So wie die Alpen die Ländergrenzen ignorieren, macht das auch der Wettbewerb.
Er will einen Beitrag zur Umsetzung der Alpenkonvention leisten und damit eben Denkanstöße für ein „gutes Leben in den Alpen“ bieten. Effektiver Klimaschutz und mehr Lebensqualität sollen dabei nicht durch ein „trotz“ verbunden werden, sondern mit einem „sowohl als auch“. Ein entscheidender Schlüssel soll das Bauen und Sanieren mit regionalen und ökologischen Baustoffen sein.
Bauprojekte sollen aber nicht nur ökologisch und ökonomisch realisiert werden, sondern auch sozialen und kulturellen Kriterien der nachhaltigen Entwicklung entsprechen. Im Begleitprogramm der Ausstellung wurde und wird weiter an einem kleinen, mobilen Häuschen gebaut, das anschließend auf Wanderschaft gehen soll, um aufzuzeigen, wie so ein Projekt aussehen kann. 
Nun gab es am 25. Februar eine Finissage mit einer durchaus erhellenden Diskussion. Moderiert wurde diese von der Leiterin des Vorarlberger Architekturinstituts, Verena Konrad, die kurzfristig ihre Rolle der Moderatorin verließ, um zur Lobbyistin im Sinne der Ausstellung und der eigenen Sache zu werden. 
Werkraum-Obmann Martin Bereuter verwies bei der Begrüßung – die Russische Föderation hatte gerade die Ukraine überfallen –, treffend darauf, dass so eine Ausstellung durchaus ein Idyll vom Bauen in den Alpen wecken kann, aber zugleich finanziere die Energie, mit der geheizt wird, Kriege. Weniger sympathisch sind die immer wiederkehrenden Floskeln, auch vom Regio-Obmann Guido Flatz, dass wir in der schönsten Region wohnen. 
Bürgermeister Rainer Siegele von Mäder, Vorstand des Vereines „Alpenkonvention“, verwies auf das Problem, dass die Alpen von einer Übernutzung in Gunstregionen geprägt sind und von einer Entsiedelung in ungünstigeren Bereichen. Und: Dass wir im Nordalpenbereich eher kopflastig an die Problemlösungen herangehen, im romanischen Teil der Alpen aber eher das Gefühl dominiere – was mitunter nachhaltiger sei. Dieses Gefühl wäre bei manch einer kopflastigen Sanierung auch im Bregenzerwald manchmal gefordert. So brachte es Architekt Helmut Dietrich, als Vertreter Österreichs in die Jury entsandt, auf den Punkt: „Häuser werden abgebrochen, nicht weil sie nicht mehr funktionieren, sondern weil man sie nicht liebt.“
Architekt Johannes Kaufmann vertrat die Meinung, dass Holzbau nicht gleich Holzbau ist. Holzbau ist populär geworden, aber verleimte Holzbauplatten und Leimholzelemente entsprechen nicht diesen Kriterien. Preisträger Mathias Kaufmann, von der Kaufmann Zimmerei und Tischlerei in Reuthe, erklärte, dass das Handwerk in diesem Denken erst in den Anfängen stecke. Was man mit den Leimholzbauten in 40 Jahren tun werde, ja, vermutlich schreddern. Sortenrein bauen und diesen Ansprüchen auch beim Holzbau zu genügen, werde noch Jahre oder Jahrzehnte brauchen. 
Dirk Hebel, Professor für Entwerfen und nachhaltiges Bauen in Karlsruhe, kompetent und besonnen, erklärte, dass circa 40 Prozent der CO2-Emmissionen in der EU, 40 Prozent der Ressourcen und 40 Prozent des Festmüllanfalls dem Bauwesen zuzurechnen sind. So gelte es Sorge für den Bestand zu tragen, denn das nachhaltigste Haus ist das, das schon da ist. Unser Wirtschaftssystem müsse als kreislaufbasiertes System verstanden werden, in dem Gebäude Materiallager darstellen, die wieder aus- und neu eingebaut werden können. Das beginne in der Architektur, in der Konstruktion von Gebäuden und dazu müsse das Handwerk seinen Beitrag leisten, werde für die Handwerker aber ein schmerzhafter Prozess. 
Architekt Wolfgang Schwarzmann von der Universität Liechtenstein, begleitet mit Student:innen die Entwicklung des Werk­raumhäuschens als Musterobjekt für nachhaltiges und klimaschonendes, ressourcenorientiertes Bauen, und berichtet vom Handwerker, der bei ihm nachfragt: „Geht das?“ Diese Frage zeigt zweierlei: Nachhaltiges, klimaschonendes, ressourcenorientiertes Bauen ist im Handwerk großteils noch nicht angekommen, es fehlt auch an Wissen und an der Einstellung, auch höhere Hürden überwinden zu wollen. Warum Schwarzmann erklärte, dass ein altes, ausgebautes Waschbecken im Wiedereinbau 400 Euro kosten soll, und nicht 300 Euro wie ein Neues, erschließt sich mir aber nicht.
Verena Konrad stieg in ihrer Moderation mit dem Hinweis ein, dass klimavernünftiges Bauen vor 20 Jahren noch romantisch konnotiert war; heute aber mit Wohlstand und einem weltweiten sozialen Leben einhergeht, das Gerechtigkeit fördert und kulturell wirksam ist. Angesichts der schönen Worte der Politik wechselte sie mit eigenen Worten zur Lobbyistin und warf durchaus erregt der Politik vor, diese Ambitionen zu stören, weil die Gestaltungsbeiräte wackeln würden und auch die Architektur-Wettbewerbe in ihren Modi verändert werden sollen. Regio-Obmann Guido Flatz ließ das mit einem Ausdruck des Unmuts stehen, und Helmut Dietrich verwies darauf, dass hier die Rede von und über eine kleine Öko-Elite geführt wird, aber Bauen sei in der Masse ein Cash-Maschine.
Architekt Johannes Kaufmann pflichtete bei und führte eine gewisse Maßlosigkeit ins Treffen: gab es einmal die 130 Quadratmeter-Grenze für Einfamilienhäuser, beginne heute das Denken mit 200 Quadratmetern und Doppelgarage. Gefragt sei der kritische Konsument, der in der Masse nicht anzutreffen sei. 
Was bleibt? Am Werkraumhäuschen wird weitergebaut und dann soll es auf Wanderschaft gehen und vom „Bauen für das Klima künden“. Die Diskussion um nachhaltiges und klimaschonendes Bauen ist mittlerweile schon alt, vieles gibt es schon. Wie sich das Bregenzerwälder Handwerk dem in der Breite stellen wird, ist genauso abzuwarten, wie die Positionierung des Werkraumes in dieser Frage. Ob sich der Werkraum auch weiterhin kritischen Fragen öffnet und auch selbstkritisch agiert – wie es bei dieser Diskussion geschah – ist zu hoffen.

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