Jetzt mal im Ernst
Pensionen: Gedanken eines „Mittelalterlichen“ in einer nervigen Diskussion – ein Plädoyer für mehr Ehrlichkeit.
Sozialstaat in der Sackgasse. Wer zahlt morgen die Renten?“ Eine aktuelle Schlagzeile? Mitnichten. Sie stammt aus dem Jahr 1959. Gratuliere, 57 Jahre ist das her, und wir sind keinen Schritt weiter.
Sie nerven ganz einfach, diese Diskussionen um unser Pensionssystem. „Wir fahren den Karren an die Wand“, das derzeitige System sei „ein Vehikel, mit dem wir nicht mehr weit kommen“. Als schrottreif bezeichnen es also die einen. Sie drängen auf Harmonisierung, eine frühere Anhebung des Frauenpensionsalters und die Pensionsautomatik. Der Begriff Gerechtigkeitsmechanismus findet immer wieder den Weg in die Medien. Für die anderen wiederum sind die Pensionen gesichert. Sie wollen möglichst wenig am System ändern. Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen. Eines ist aber klar: Schamlose Bedienung der eigenen Klientel kommt wieder mal vor Sachverstand. Und genau das nervt.
Bisher war es vorhersehbar: Auf ein Berufsleben folgte die Zeit der Ruhe. Die Gesellschaft gönnte das ihren Alten, und sie ermöglichte es ihnen. Endlich konnte man das Leben genießen, ohne sich dauernd ums Einkommen sorgen zu müssen. Sogar die noch gar nicht so Alten, die Frühpensionisten, konnten sich auf eine ausreichende Versorgung verlassen. Bislang ging das auch gut, aber eben nur bislang.
Weil dem Staat trotz Beteuerungen – meist aktueller Machthaber – nur bedingt zu trauen ist und sich Geschäftsfelder für so manche auftaten, kam die private Pensionsvorsorge dazu. Doch eben diese private Vorsorge hängt am Wirtschaftssystem, und die Lebensplanung junger Menschen wird so zum Spiel mit Risiko. Nicht zuletzt ist sie ein Instrument der Besserverdienenden. Ihr Vertrauen schwindet, während von allen Seiten aufgefordert wird, eine gesicherte Altersvorsorge zu betreiben. Immer wieder wird einem vorgerechnet, wie viel zum Leben in der Pension fehlt. Angstmacherei oder realistische Prognose? Versicherungsgesellschaften haben in den vergangenen Jahren jedenfalls enorme Zuwächse verzeichnet. Groß war vor zehn Jahren noch die Euphorie, als die ersten staatlich geförderten Zukunftsvorsorge-Verträge auf den Markt kamen. Heute wissen wir: Gut gemeint, aber eben ein Flop, weil der Staat sie nicht dem Markt überließ, sondern die Hand darauf hielt.
Generationenvertrag. Noch?
Noch leben wir den sogenannten „Generationenvertrag“: „Alt“ sorgt zunächst für die „Jungen“. Dafür sorgen dann die „Jungen“ später für die „Alten“. Gefeiert wird hierzulande weiterhin das Umlageverfahren, was nichts anderes bedeutet, als dass die Pensionsversicherungsbeiträge, die von der beruflich aktiven Bevölkerungsgruppe bezahlt werden, direkt an die Pensionsbezieher ausbezahlt, also „umgelegt“ werden. Ob das Umlagesystem funktioniert, ist einzig und allein davon abhängig, wie viel zu einem bestimmten Zeitpunkt an Beiträgen einbezahlt wird – und wie hoch zu diesem Zeitpunkt der Kapitalbedarf für die Auszahlung der aktuellen Pensionen ist.
Für die Finanzierung des Systems ist nicht das Verhältnis der Alten zu den Jungen, sondern die Relation zwischen Beitragszahlern und Leistungsempfängern entscheidend. Gibt es mehr beschäftigte Personen, dann können auch die Pensionsleistungen leichter bewältigt werden. Die Wahrheit ist also: Der Arbeitsmarkt und eine hohe Beschäftigungsquote sind entscheidend.
Zentrale Aufgabe ist es daher, die ältere Generation, von der wir schon zu viele zu früh in die Komfortzone verloren haben, im Arbeitsprozess zu halten. Nicht durch Strafandrohung, sondern durch Motivation und ein Umfeld, das Freude und Wertschätzung am Tun vermittelt. Verzeihen Sie meine provokante Ansicht, aber ist es nicht schöner, Teil einer erfüllenden, produktiven Arbeitswelt zu sein, als sich durch Reiseveranstalter von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten schleppen zu lassen. Die Erkenntnis hat sich längst durchgesetzt, dass Ältere auch noch mehr leisten können als Rosen zu züchten.
Ein Hindernis, das dabei schnellstmöglich aus dem Weg geräumt gehört, ist das sehr stark ausgeprägte Senioritätsprinzip, das Ältere im Vergleich zu Jüngeren einfach teurer macht. Logische Konsequenz: Die Gehaltskurve muss flacher werden. Die OECD macht dies als Altersdiskriminierung aus, die unter anderem durch die höheren Gehälter älterer Arbeitnehmer ausgelöst wird: Ich bezweifle, dass Lohnsteigerungen, die ausschließlich auf dem Alter der Angestellten basieren, sinnvoll sind.
Den „Parallelwelten“ ein Ende
Unter einem Gerechtigkeitsmechanismus verstehe ich auch die spürbare Einhebung eines Solidarbeitrags in angemessener Höhe bei Luxuspensionen. Und mal ganz ehrlich, welche Pensionistin, welcher Pensionist braucht – sagen wir – mehr als 5000 Euro netto, um seinen Ruhestand zu genießen? Daher müssen Sonder- und Privilegienpensionen jenseits dieser Grenze abgeschafft werden, rigoros. Auch rückwirkend, versteht sich. Frühere Leistungen gehören anerkannt, keine Frage, aber hier ist eine Rückkehr zum Realismus zwingend notwendig.
Schön, wir haben eine steigende Lebenserwartung, gleichzeitig gehen wir früher in Pension. In Österreich ist die Frühpension nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Es frustet, in einem Land der Frühpensionisten zu leben. Abgesehen von krankheitsbedingt vorzeitigen Ruheständen beschleicht einen das Gefühl, dass hierzulande es nicht früh genug sein kann, dem Berufsleben den Rücken zu kehren. 80 Prozent der Menschen gehen vor dem gesetzlichen Antrittsalter in Ruhestand und genießen diesen im Vergleich der Industrienationen besonders lange – Frauen über 25 Jahre, Männer im Schnitt 20 Jahre. Hier gehört endlich gegengesteuert. Gehandelt werden muss bei den Invaliditätspensionen, um die berufliche Rehabilitierung zur besseren Wiedereingliederung nach langen Krankenständen zu ermöglichen. An einer Harmonisierung der unterschiedlichen Pensionssysteme (Beamte und ASVG-Versicherte) führt mit Sicherheit auch kein Weg vorbei.
Letztendlich herrscht ein Wirrwarr um Zahlen, um Systemanalysen und um Berechnungsmethoden, die dem jeweils eigenen Klientel entgegenkommen sollen. Jetzt mal im Ernst: Wer kann schon vorhersagen, was die Zukunft wirklich mit uns vorhat? Die aktuelle „Pensionsreform“ zeigt allerdings mehr als deutlich, dass der Wille zur Veränderung und zu einer auf glaubwürdigen Fakten beruhenden Auseinandersetzung nicht vorhanden ist. Womit pensionstechnisch alles beim Alten bleibt: Hier die Privilegierten – vor allem im staatlichen und staatsnahen Bereich –, die noch eine Zeit lang viel zu früh in Pension gehen dürfen. Dort die Jungen, die weit geringere Pensionen haben werden, aber die Last der „Frühpensionitis“ irgendwann einmal tragen müssen. Beschäftigung, hohe Produktivität, gerechte Verhältnisse, ein Ende der Privilegien und das Bekenntnis zum gesellschaftlichen Zusammenhalt sind somit die ehrlichsten Faktoren für ein nachhaltiges Pensionssystem.
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