David Stadelmann

* 1982, aufgewachsen in Sibratsgfäll, ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Bayreuth, Fellow bei CREMA – Center for Research in Economics, Managemant and the Arts; Fellow beim Centre for Behavioural Economics, Society and Technology (BEST); Fellow beim IREF – Institute for Research in Economic and Fiscal Issues; Fellow am Ostrom Workshop (Indiana University); Mitglied des Walter-Eucken-Instituts.

 

Kampf den Schleppern

Dezember 2023

Sicher und effektiv: Ein Einreisepreis zur Lösung der Migrationsproblematik.

Der Umgang mit irregulärer Migration ist seit Jahren ein Dauerthema in den Ländern der Europäischen Union. Das ist verständlich, denn die Zahl der ankommenden Migranten ist hoch. Gleichzeitig ist ihre Integration keineswegs kostenlos und sie kann massiv scheitern. Für die Migranten selbst ist die irreguläre Einreise über die Balkanroute oder das Mittelmeer mit Hilfe von Schleppern mit vielen Gefahren verbunden und endet allzu oft tödlich.
Vor dem Hintergrund anhaltender Armut als eine der Hauptursachen für Migration, neuer Konflikte, Terrorismus und des anhaltenden Bevölkerungswachstums in vielen Entwicklungsländern ist davon auszugehen, dass auch in Zukunft Menschenmassen versuchen werden, die Außengrenzen der EU zu überwinden. Viele Menschen aus armen Regionen der Welt streben nachvollziehbarerweise eine Verbesserung ihres Lebens an, was in den Ländern der EU oft besser möglich ist als in ihren Herkunftsländern. 
Die vielfältigen Vereinbarungen zwischen den EU-Ländern zur Verteilung von irregulären Immigranten erweisen sich als eher wenig effektiv. Die Rückführung abgelehnter Asylbewerber ist ebenfalls schwierig und scheitert oft an fehlender oder nicht durchsetzbarer Rückführungsabkommen mit den Herkunftsländern. Auch bei der sogenannten „Seenotrettung“ herrscht seit langer Zeit Uneinigkeit und Streit. So unterstützt die deutsche Regierung private „Seenotretter“ derzeit noch finanziell, während die italienische Regierung in solchen Aktivitäten einen Anreiz für zusätzliche riskante Mittelmeerüberquerungen sieht. Es ist an der Zeit anzuerkennen, dass das derzeitige System nicht funktioniert, wenn man es nicht gar als gescheitert betrachten muss. Es besteht weitgehend Einigkeit, dass eine bessere Politik den Schleppern wirksam das Handwerk legen müsste und gleichzeitig geregelte, kontrollierte sowie sichere Zuwanderungsmöglichkeiten ermöglichen sollte, ohne die Bürger der Aufnahmeländer zu überfordern. Wie könnte das geschehen?

Rationale Abwägungen der Migranten
Migrationswillige Menschen aus armen Ländern sind bereit, für eine mögliche Verbesserung ihrer Situation große Risiken auf sich zu nehmen. Schlepper nutzen die Hoffnungen der Migranten aus und organisieren menschenunwürdige Transporte. In der Regel sind es die Migranten selbst, die die Dienste der Schlepper nachfragen. Häufig zahlen sie für diese Dienste erhebliche Geldbeträge, nicht selten im Bereich von mehreren tausend bis über zehntausend Euro. Die von den Schleppern eingenommen Gelder fließen dann unter anderem in die Finanzierung terroristischer Aktivitäten. Die Folge ist, dass das Mittelmeer immer mehr zu einem Friedhof wird, während die Instabilität in den Herkunftsländern der Migration zunimmt und auch für Europa Gefahren entstehen. 
Das Geschäft der Schlepper wäre sofort erledigt, könnten Immigranten aus ärmeren Ländern mit dem von ihnen bevorzugten Verkehrsmittel legal nach Europa einreisen. Aber dann würden die Migrationszahlen explodieren und Europa wäre völlig überfordert. Zwar könnte Zuwanderung gewisse Engpässe auf dem Arbeitsmarkt mildern, und eine gewisse kulturelle Vielfalt ist zweifellos als Wert anzuerkennen. Andererseits verursacht Zuwanderung auch Integrationskosten, zusätzliche Belastungen für die Infrastruktur und sie verschärft Engpässe auf dem Wohnungsmarkt. Darüber hin­aus verfügt ein relevanter Teil der Immigranten aus besonders armen Ländern nicht über die Ausbildung, die an den europäischen Arbeitsmärkten nachgefragt würde. Anders gesagt: Viele der Immigranten sind nicht hochqualifizierte Fachkräfte, auch wenn das manche politische Entscheidungsträger in der Vergangenheit vielleicht ehrlich glaubten. Aus diesen und anderen Gründen ist eine unbeschränkte Zuwanderung aus Ländern mit erheblichen wirtschaftlichen Entwicklungsdefiziten realitätsfern. Die im Jahr 2015 propagierte „Willkommenskultur“ war daher schon immer eine Art Selbstlüge. Genauso falsch wäre es aber, zu behaupten, jegliche Immigration müsse oder solle gänzlich unterbunden werden, denn es gibt auch Vorteile und gewichtige Asylgründe. Bei realistischer Betrachtung dürfte Einigkeit bestehen, dass Migration nicht unbegrenzt möglich sein kann und weitgehend kontrolliert erfolgen sollte.

Bepreiste reguläre Immigration
Eine Lösung des Migrationsproblems muss sicherstellen, dass die Aufnahmeländer nicht von Wirtschaftsflüchtlingen überrannt werden. Gleichzeitig muss die irreguläre Migration durch Schlepper drastisch reduziert werden. Beides ist mit Hilfe eines Einreisepreises, den die Immigranten vor Einreise zu entrichten haben, realisierbar. Ein solcher Einreisepreis gibt der regulären Zuwanderung expliziten Preis.
Wer als Migrant den Einreisepreis bezahlt, kann legal nach Europa einreisen und das Transportmittel für die Einreise frei wählen. Die Höhe des Einreisepreises muss sich an den von den Schleppern verlangten Beträgen orientieren und den Wert einer sicheren Einreise gegenüber einer riskanten Überfahrt mit Schleppern mitberücksichtigen. Ein expliziter Einreisepreis hätte zur Folge, dass die Nachfrage nach Schleuserdiensten drastisch zurückginge, ohne dass die Zielländer von einem Ansturm überrollt würden. Die Gelder, die bisher an die Schlepper gezahlt wurden, würden den Zielländern der Immigranten zufließen.
Ein Einreisepreis weckt bei den Zuwanderern nicht mehr oder weniger Hoffnungen auf ein dauerhaftes Bleiberecht, als dies die Versprechungen der Schlepper ohnehin tun. Vielmehr könnte vor der Zahlung des Einreisepreises explizit darauf hingewiesen werden, dass mit der Zahlung lediglich die Einreisemöglichkeit, nicht aber automatisch ein Anspruch auf Asyl oder ein Bleiberecht verbunden ist.
Ein solcher Einreisepreis ermöglicht nicht nur eine sichere und menschenwürdige Einreise, sondern beendet auch das durch Schlepper verursachte Leid. Die eingenommenen Gelder könnten für Berufsausbildung und Integrationsmaßnahmen verwendet werden. Dadurch wird die einheimische Bevölkerung ein Stück weit entlastet, da die Zuwanderer selbst einen Beitrag für die Empfängerländer leisten. Gleichzeitig fördert der Einreisepreis die Integrationsbereitschaft und stellt einen gewissen Leistungsanspruch für die anfängliche Versorgung der Zuwanderer durch die Behörden der Empfängerländer dar. Sollten Zuwanderer kein Bleiberecht erhalten, würde der Einreisepreis einen Teil der Rückführungskosten decken. 

Schlepperei bekämpfen, Migration steuern
Neben der Einführung eines Einreisepreises sind gezielte polizeiliche Maßnahmen erforderlich, um die Kosten für die Schlepper drastisch zu erhöhen. Da den Migranten durch die Zahlung des Einreisepreises eine legale und sichere Einreisemöglichkeit geboten wird, ist ein konsequentes und hartes Vorgehen gegen Schlepperbanden zu rechtfertigen. Die Gefahr, unschuldige Migranten durch drastische Maßnahmen gegen die Schlepper zu gefährden, ist dank des Einreisepreises geringer, denn es besteht kein Grund mehr die Schlepper für eine illegale Einreise zu nutzen.
Mit einem Einreisepreis kann die Migration teilweise gesteuert werden. Dabei ist es immer einfach, die Zuwanderung zu erhöhen, indem man den Einreisepreis senkt. Um die Zuwanderung zu reduzieren, müssen die Kosten der Schlepper als Restriktion beachtet werden. Läge der Einreisepreis deutlich über den Kosten der Schlepper, würden einige Migranten deren Dienste wieder in Anspruch nehmen und nichts wäre gewonnen. Durch eine Erhöhung der Schlepperkosten mittels harter Polizeimaßnahmen kann jedoch der Einreisepreis ebenfalls erhöht werden, was insgesamt zu einer Verringerung der Migrationsströme führen würde. So wird die Immigration aus armen Ländern steuerbar. Manche mögen sich moralisch unwohl fühlen, wenn sie von möglicherweise bedürftigen Immigranten einen expliziten Einreisepreis verlangen. Doch Kalkül ist am Ende für alle besser, als auf ein Gefühl zu setzen. Es gilt drei Aspekte zu berücksichtigen: Erstens ist es besser, wenn die Migranten ihr Geld nicht an die Schlepper, sondern an die Aufnahmeländer zahlen. Je nach politischem Willen kann das eingenommene Geld in den Empfängerländern in die Integration der Migranten investiert werden. Zweitens trägt der Einreisepreis entscheidend dazu bei, das Sterben im Mittelmeer zu beenden. Drittens stellt der Einwanderungspreis ein Instrument dar, die Migration besser zu steuern als bisher. 

Es geht um Verbesserungen
Ein Einreisepreis verbessert die Situation aller am Migrationsdrama Beteiligten, mit Ausnahme der Schlepper. Die Einwanderer erhalten eine sichere Einreisemöglichkeit – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Niemand verliert mehr sein Leben auf gefährlichen Fluchtrouten und niemand ist gezwungen, sich skrupellosen Schleppern anzuvertrauen. Die Aufnahmeländer erhalten finanzielle Unterstützung, Integrationsmaßnahmen können leichter finanziert werden und die einheimische Bevölkerung wird nicht über Gebühr belastet. Ein Einreisepreis bietet eine faire und realistische Lösung für einen erheblichen Teil der Herausforderungen mit der Immigration. Darüber hinaus hätte er einen positiven Selektionseffekt, da eher Migranten kommen würden, die reelle Chancen auf einen dauerhaften Aufenthalt haben. Eine rein armutsbedingte Migration aus Drittstaaten könnte etwas eingedämmt werden. Dies dürfte in Zukunft noch wichtiger werden, da die Unterscheidung zwischen „echten“ Asylsuchenden und „reinen“ Wirtschaftsflüchtlingen angesichts der Zunahme von Konflikten, politischer Willkür, Putschen und Terrorismus immer schwieriger werden dürfte.

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