Florian Dünser

Inhaber voor – Agentur für Digitalkommunikation www.voor.at

Larry in Vorarlberg flügellahm

Mai 2015

Mit knapp 44.000 schreibenden Nutzern erklimmt das soziale Netzwerk Twitter in Österreich nicht die Schwelle zum Massenphänomen. Aufgrund der einzigartigen Zusammensetzung der heimischen „Twitteria“ wird dem Maskottchen Larry trotzdem eine einzigartige Stellung als Meinungsmultiplikator zuteil.

Die Liste der erfolgreichsten Twitter-Nutzer – gemessen an der Zahl der österreichischen Follower (zu deutsch „Folgende“ oder „Anhänger“) – liest sich wie das Who’s who der heimischen Medienlandschaft. ZIB-2-Anchorman Armin Wolf rangiert laut „Social Media Radar Aus­tria“ mit rund 32.000 österreichischen Followern unangefochten an der Spitze, der Account der Tageszeitung „Der Standard“ wird mit knapp 17.000 Interessierten bereits deutlich auf Platz zwei verwiesen. Mit „Falter“-Chefredakteur Florian Klenk (10.580 Follower) befindet sich ein weiterer populärer Journalist in den Top drei der heimischen Twitter-Charts. Zufall? Nicht wirklich. ORF-Moderatorin Ingrid Thurnher folgt auf Platz vier, der Account des Wochenmagazins „Profil“ auf Platz fünf, ORF-Redakteur Hanno Settele auf Platz sechs.

Der Kurznachrichtendienst Twitter ist hierzulande kein Massenphänomen. Neben Medienschaffenden sind es vor allem Politiker, Promis, Kulturschaffende sowie wenige Social-Media-Nerds, die dem sozialen Netzwerk in Österreich Leben einhauchen. Laut „Social Media Radar Austria“ gibt es 125.000 rot-weiß-rote Twitter-Accounts, davon sind knapp 63.000 regelmäßig auf der Plattform – und nur 44.000 dieser Nutzer teilen sich mit 140 Zeichen pro Tweet auch wirklich der Umwelt mit. Zum Vergleich: Bei Facebook sprechen 3,4 Millionen aktive Nutzer vom Neusiedler- bis zum Bodensee eine ganz andere Sprache.

Mehr als 22.000 Tweets

Wieso findet Twitter hierzulande nur in der Nische Anerkennung? Wirklich zu erklären weiß das auch einer der aktivsten unter ihnen nicht: Lustenaus Bürgermeister Kurt Fischer. 22.400 Kurznachrichten, sogenannte Tweets, hat der Vorarlberger Social-Media-Pionier seit Juli 2009 abgesetzt und gilt damit nicht nur in Vorarlberg als einer der leidenschaftlichsten Aktiven in der als „Twitteria“ bezeichneten Community. „Twitter ist eine eigene Welt. Man muss wohl eine hohe Affinität für Sprache und Wortspiele haben, um auf Twitter Spaß zu haben“, versucht Fischer mit Verweis auf seinen persönlichen Background als Absolvent des Studiums der Literaturwissenschaft zu verdeutlichen. Er ortet auf Twitter die Chance, unkompliziert und auf Augenhöhe mit Meinungsbildnern in Kontakt zu treten – und weiß dies mit einer eigenen Anekdote zu untermauern: Armin Wolf hat einst mit den Worten „Darf ich mir den ausleihen?“ einen Tweet von Fischer zur Anmoderation der ZIB 2 verwendet. „So etwas passiert auf Facebook nicht“, ist Fischer, nach FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und dem grünen Nationalratsabgeordneten Michael Reimon jener Politiker, der österreichweit am häufigsten twittert, überzeugt.

„Chatroom der Meinungsbildner“

Vor allem aufgrund der einzigartigen Zusammensetzung der Twitteria darf die Macht des Netzwerks keinesfalls unterschätzt werden. Der Kurier bezeichnete die kleine Community einst als den „Chatroom der Meinungsbildner“ im Land. Das weiß auch der freie Journalist und Blogger Johannes Huber. „Als Multiplikator hat Twitter mitunter eine größere Bedeutung als Facebook“, erklärt er mit Verweis auf seinen eigenen Blog. Sowohl Wolf als auch Neos-Chef Matthias Strolz haben in der Vergangenheit Beiträge von Hubers Innenpolitik-Blog geteilt.

Die Konsequenz: Die Zugriffszahlen erreichten bisher ungeahnte Höhen. „Als Kommunikations- und Medienprofi erreichst du auf Twitter eine sehr selektierte Zielgruppe mit geringem Streuverlust. Hier geht es um ‚hard facts‘, nicht um Belanglosigkeiten“, betont der Journalist. Aus seiner Sicht ist dies zugleich der ausschlaggebende Grund, warum Twitter in Österreich auch in Zukunft auf einen kleinen Personenkreis beschränkt bleibt. „Das Netzwerk ist hierzulande der geeignete Kanal für News-Junkies – und schon alleine deshalb ein Nischenprodukt“, erklärt er.

Österreichweit ein Nischenprodukt – und in Vorarlberg? Weniger als das. Der Blick auf die Aktiven verrät den Status von Twitter in Vorarlberg deutlich: Von den Landes-Parteichefs darf ausschließlich FPÖ-Obmann Dieter Egger ansatzweise zu den aktiven Nutzern gezählt werden, einige wenige in der politisch zweiten Reihe wurden mit dem Twitter-Fieber angesteckt – auch der ehemalige langjährige Landtagsdirektor Peter Bußjäger hat Gefallen am Mikroblogging-Dienst gefunden. Medienschaffende? Ausnahmen bestätigen bekanntlich die Regel – aber grundsätzlich gilt: Fehlanzeige. Twitter will hierzulande (noch) nicht Fuß fassen.

 

Factbox Twitter

Der Mikroblogging-Dienst Twitter zählt mit insgesamt 288 Millionen Nutzern zu den erfolgreichsten Social-Media-Kanälen der Welt. Die Kommunikation mit anderen Nutzern erfolgt über sogenannte Tweets. Diese sind auf 140 Zeichen begrenzt und erfordern daher von den Nutzern inhaltlich pointierte Aussagen. Twitter ist maßgeblich am Erfolgslauf des Hashtags (#) beteiligt. Dieser soll im Social-Media-Zeitalter eine Art Ordnung in die Informations- und Nachrichtenflut bringen.

Kommentare

To prevent automated spam submissions leave this field empty.