Florian Dünser

Inhaber voor – Agentur für Digitalkommunikation www.voor.at

Das Betriebssystem unseres Lebens

September 2014

Schnell, innovativ – und vor allem mächtig: Den Internet-Giganten Google scheinen auf seinem
unglaublichen Wachstumspfad weder Behörden noch Nutzer in die Schranken weisen zu wollen.

Sechs bunte Buchstaben haben den Weg des US-Konzerns Google zum mächtigsten Online-Player der Welt geebnet. Gerade einmal 16 Jahre waren erforderlich, um aus dem Suchmaschinen-Anbieter einen Internet-, Soft- und Hardware- sowie E-Commerce-Anbieter mit knapp 60 Milliarden US-Dollar Jahresumsatz zu zaubern. Google, einst im Schatten der Internetpioniere Altavista oder Yahoo, ist zur wertvollsten Marke der Welt aufgestiegen – und zusehends darum bemüht, die Grenzen zwischen digitalem und realem Leben zu verschieben. Der Internet-Gigant begreift sich im Jahr 2014 als „Betriebssystem unseres Lebens“, wie es die Kollegen der Zeitschrift „Capital“ so treffsicher beschrieben haben. Mit Konsequenzen. Und die hat Google-Mastermind und Chairman Eric Schmidt seinen Nutzern 2011 selbst vor Augen geführt: „Wir wissen, wo du bist. Wir wissen, wo du warst. Wir wissen mehr oder weniger, worüber du nachdenkst.“ Ein Bekenntnis, das freilich nicht nur auf Google zutrifft. Aber: Als de facto Online-Monopolist setzt der Konzern Trends, gibt die Gangart vor – und führt somit eine ganze Branche an der Leine.

Die bunte Vielfalt des Riesen

Google ist schleichend Teil unseres Alltags geworden – und dadurch mitunter gefährlicher, als es das hippe und junge Image suggerieren würde. Der Umgang des US-Konzerns mit Themen wie Datenschutz oder Persönlichkeitsrechten sei hier nur an vorderster Stelle erwähnt. Warum das trotzdem das Gros der Nutzer nicht stört? Bernd Hepberger, Geschäftsführer der Dornbirner Internetagentur MassiveArt, hat eine pragmatische Erklärung: „Vielen Menschen ist dieser Umstand schlicht nicht bewusst – und daher egal“, sagt er. „Der durchschnittliche Nutzer bedient sich gerne des Arguments ‚Ich habe eh nichts zu verstecken‘. Und solange die Vorteile, die jeder aus dieser enormen Datensammlung erfährt, größer sind als die empfundenen Nachteile, wird sich daran auch nichts ändern“, ist er überzeugt. Wenig überraschend also, dass Google stets bemüht ist, ebendiese Vorteile auszuweiten – und das am liebsten mit der eigenen Marktdominanz. Beispiele? Mit fast 80 Prozent Marktanteil gibt das Smartphone-Betriebssystem von Google, Android, im mobilen Bereich längst den Ton an. Die größte Videoplattform, YouTube, ist fest in Googles Hand – und zugleich zweitgrößte Suchmaschine der Welt. Eben gleich nach google.com. Der eigene E-Mail-Dienst Gmail ist bei einer halben Milliarde Menschen im Einsatz und größter Freemail-Anbieter – und die Browser-Lösung Chrome hat das einstige Zugpferd, den Microsoft Internet Explorer, in den Nutzerzahlen bereits hinter sich gelassen. Mit Google Maps verfügt der Konzern darüber hinaus über die meistgenutzte GPS-Lösung der Welt. Projekte wie Google Glass oder selbstfahrende Autos – das aktuellste Google-„Baby“ ¬– sind hier nur nebenbei erwähnt. Noch Fragen? „Google hat sich mit sensationellen Produkten fast konkurrenzlos gemacht. Sie haben ihr Versprechen – komplexe Aufgaben einfach zu lösen – stets eingehalten. Und das ist ihr Erfolgsrezept“, erklärt MassiveArt-Chef Hepberger das Erfolgsrezept.

119.000 US-Dollar pro Minute

In konkrete Zahlen gegossen liest sich dieses Erfolgsrezept wie folgt: 277.000 Suchanfragen pro Sekunde oder fünf Millionen angeschaute Videoclips pro Minute stehen bei Google zu Buche. Damit verdient der Konzern rund 119.000 US-Dollar pro Minute – davon 105.000 US-Dollar aus Werbeeinnahmen: zielgerichtete und individualisierte Online-Werbung – auf Basis des Nutzerverhaltens.

Grenzen der Macht?

Ist die Vision des gläsernen Menschen durch Google & Co bereits Realität? „In gewissen Bereichen schon“, sagt Internet-Experte Hepberger. „Sobald ich einen Teil meines Lebens online führe, muss ich mir bewusst sein, dass Informationen von mir gesammelt und in Datenbanken analysiert und ausgewertet werden“, führt er vor Augen. Die in dieser Hinsicht gute Nachricht: Noch passiert das nur für Werbezwecke. Das wirkliche Verständnis für die angefertigten Nutzer-Profile, geschweige denn die benötigte Rechenleistung zur Interpretation der Daten, ist Zukunftsmusik, glaubt Hepberger – und appelliert zugleich an die Verantwortung jedes mündigen Bürgers. „Man darf und muss gewisse Dinge sehr kritisch sehen. Zugleich muss ich mir aber bewusst sein: Wenn ich Internetdienste nutze, die gratis sind, bezahle ich mit mir selbst.“

Wohin geht die Reise? Das ist schwer abzuschätzen. Hepberger glaubt nicht an Google als das „Betriebssystem unseres Lebens“. „Die Machtdominanz wird nicht ewig anhalten. Der Gegenwind wird stärker“, ist er überzeugt. Offen bleibt nur, wer Google in die Schranken weisen soll. Bis auf wenige Lippenbekenntnisse von Behörden und Wettbewerbshütern der Europäischen Union ist bis dato wenig geschehen. Es bleiben die Nutzer. Und zumindest hier gilt: Ihre Macht ist größer, als es Google je werden kann.

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