Matthias Sutter

*1968 in Hard, arbeitet auf dem Gebiet der experimentellen Wirtschaftsforschung und Verhaltensökonomik, ist Direktor am Max Planck Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern in Bonn und lehrt an den Universitäten Köln und Innsbruck. Der Harder war davor auch an der Universität Göteborg und am European University Institute (EUI) in Florenz tätig.

Meeting-Kultur, Führungskräfte und Arbeitszufriedenheit

März 2023

Meetings bestimmen einen Großteil des Arbeitsalltags in ganz vielen Branchen. Das liegt daran, dass moderne, arbeits­teilige Produktions­prozesse immer mehr Teamwork verlangen, das auf­einan­der abgestimmt werden muss. Wie solche Meetings von Führungs­kräften geleitet werden, hat für die Zu­frieden­heit und Produktivität der Mitarbeiter Bedeutung.

Seit mehreren Jahren unterrichte ich gemeinsam mit Gerhard Fehr, dem Gründer von FehrAdvice, einer auf Verhaltensökonomie spezialisierten Beratungsfirma, einen Kurs im Executive MBA (Master of Business Administration) Programm der Universität zu Köln. Das macht uns beiden immer viel Freude, weil der Austausch mit den berufstätigen Studierenden – die im Schnitt Mitte 30 und im mittleren Management tätig sind – immer wieder spannende Diskussionen über wichtige Aspekte des Berufslebens mit sich bringen.
Ein Thema, das bei unseren Studierenden fast immer mit eher negativen Assoziationen verbunden ist, sind Team­meetings. Die werden meist als zu lang und unproduktiv wahrgenommen. Außerdem erhalten wir sehr häufig die Rückmeldung, dass die Leiterinnen und Leiter von Meetings gar nicht wirklich an den Meinungen beziehungsweise Fragen der Teammitglieder interessiert wären. Angesichts der Häufigkeit solcher und ähnlicher Rückmeldungen ist davon auszugehen, dass Teammeetings in vielen Fällen verbessert werden könnten, um sowohl deren Produktivität als auch die Zufriedenheit der Meeting-Teilnehmer zu erhöhen. Die Frage ist, wie man das machen kann.
Einen möglichen Weg haben Mari Rege und Simone Häckl in einer aktuellen Studie aus Skandinavien aufgezeigt. In einem Konzern wollte ein neu installierter Vorstandsvorsitzender alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den diversen Firmen des Konzerns an einem Prozess beteiligen, um den Konzern zu einem attraktiveren Arbeitgeber zu machen, und talentierte junge Leute anzuziehen und die aktuelle Belegschaft zu halten. 
Dazu bildete er zufällige Gruppen mit drei bis vier Personen, die eine Stunde lang über mögliche Wege zur Zielerreichung nachdenken und die besten drei Ideen auf jeweils einer Seite ausarbeiten sollten. Um möglichst offen in die Diskussionen zu gehen – ohne möglichen Ballast aus vergangenen Meetings – wurden die Gruppen mit Personen gebildet, die aus verschiedenen Firmen des Konzerns oder zumindest aus verschiedene Abteilungen innerhalb einer selben Firma kamen. Das bedeutete, dass sich die Gruppenmitglieder nicht kannten. Jedes Gruppenmeeting sollte von einer Führungskraft (üblicherweise aus dem mittleren Management) geleitet werden.
Insgesamt nahmen 471 Personen an diesen Meetings teil, wovon 133 Führungskräfte waren. Letztere bekamen kurz vor den eigentlichen Meetings eine 20-minütige Basisschulung über den Zweck des Meetings und die Aufgaben für die Führungskräfte. Dabei wurde auch die Struktur der Meetings erklärt (Vorstellrunde, Aufgabe zum Eisbrechen, 15 Minuten Brainstorming, Rest der Zeit für die Ausarbeitung der besten drei Ideen aus dem Brainstorming).
Von den 133 Führungskräften wurden 65 zufällig ausgewählt, um eine zusätzliche 20-minütige Schulung in Vorbereitung auf das Meeting zu bekommen. Dabei ging es um die Vermittlung folgender Inhalte: Erstens, dass Menschen mit Unterstützung anderer lernen und für jede Gruppe wertvolle Beiträge leisten können. Zweitens, dass eine Gruppendiskussion nur dann gut gelingen kann, wenn sich alle sicher, unterstützt und eingebunden fühlen. Das impliziert, dass alle Fragen und Beiträge ernst genommen und berücksichtigt werden. Drittens, dass konstruktive Kritik und kreatives Denken („Thinking outside the box“) erwünscht sind.
Nach den Meetings wurden alle Teilnehmer befragt – über ihre Zufriedenheit mit dem Meeting und wie stark sie sich einbringen konnten. Für letzteres mussten alle beantworten, (i) ob sie sich als wichtigen Teil der Diskussion empfanden, (ii) ob sie bestmöglich nach neuen Ideen zur Zielerreichung beitragen konnten, und (iii) ob sie die Gruppendiskussion als interessant erlebt hatten. Als Maß für die Produktivität der Diskussion bewertete die Personalabteilung jede der drei Ideen jeder Gruppe im Hinblick auf Originalität und Wichtigkeit für den Konzern.
Die wesentliche Forschungsfrage in der Studie von Häckl und Rege bestand darin, ob das kurze zusätzliche Training für die 65 Führungskräfte einen Einfluss auf die Zufriedenheit der Teilnehmer, deren Engagement und die Produktivität der Teams hatte. Der Effekt auf die Zufriedenheit mit den Meetings war am allerstärksten, und zwar sehr positiv. Das hatte im Wesentlichen damit zu tun, dass das Engagement der Teilnehmerinnen und Teilnehmer deutlich stieg. Sie brachten sich stärker ein, fühlten sich stärker als wichtiger Teil der Gruppe und waren mehr daran interessiert, ihre Ideen bestmöglich einzubringen. Am schwächsten war der Effekt auf die Produktivität der Meetings. Allerdings schnitten auch hier die 65 Gruppen, in denen die Führungskräfte die zusätzliche Schulung bekommen hatten, im Schnitt leicht besser (gemäß der Einschätzung der Personalabteilung) ab als die 68 Gruppen, deren Führungskräfte nur die Basisschulung erhalten hatten. 
Meetings können also verbessert werden, wie im vorliegenden Beispiel sogar mit relativ geringem Aufwand (von 20 Minuten), was sich sowohl auf die Zufriedenheit mit den Meetings als auch auf das Engagement und die Produktivität auswirkt.
Bei unserem nächsten Executive MBA-Kurs werden Gerhard Fehr und ich diese Studie ausführlich mit unseren Studierenden besprechen, damit sie ihre eigenen Meetings selbst verbessern können.

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