Simon Groß

Vorarlberger Gemeindeverband

Opas Revolver vom Dachboden

März 2021

In Vorarlberg sind bereits weit mehr als 20.000 Schusswaffen registriert. Über die Zahl der illegalen Schusswaffen und deren Beschaffung bleibt nur zu spekulieren. Fakt ist jedenfalls, dass die Polizei immer wieder illegale Schusswaffen in Vorarlberg beschlagnahmt – und dies in einer durchaus beachtlichen Zahl.

Es scheint medial missinterpretiert worden zu sein, dass die steigenden Zahlen von registrierten Schusswaffen eine Krisenerscheinung sei – auch wenn gerade zwischen März und August 2020 der österreichweite Gesamtbestand an Schusswaffen um rund 22.000 Exemplare anwuchs. Denn die Gründe, sich Waffen zuzulegen sind weitaus vielschichtiger. Manche fasziniert die Technik, andere der historische Kontext, wiederum andere sammeln Waffen, brauchen sie für jagdliche Zwecke oder betreiben Schießsport. Wobei letzteres durchaus ein zentrales Motiv zu sein scheint: Jeder zweite Waffenbesitzer gibt an, sich im Schießsport betätigen zu wollen. Wolfgang Dür von der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit in der Landespolizeidirektion stellt klar: „Über die Gründe für eine mögliche Zunahme von registrierten Schusswaffen kann nur spekuliert werden.“ Fakt ist: 2017 stieg die Zahl der legalen Schusswaffen in Österreich erstmals über eine Million.

Verlässlichkeitsüberprüfung

Damit man legal eine Waffe besitzen kann, braucht es mindestens eine Waffenbesitzkarte. Für diese muss man 21 Jahre alt sein und sich glaubhaft rechtfertigen können: Etwa, dass man die Waffenbesitzkarte zum Schießsport oder zur Selbstverteidigung angefragt hat. Zudem ist diese an ein strenges psychologisches Gutachten geknüpft. Damit wird geklärt, ob man dazu neigt, insbesondere unter psychischer Belastung mit Waffen unvorsichtig und leichtfertig umzugehen. Außerdem muss der sachgemäße Umgang mit Waffen nachgewiesen werden. Das geschieht meistens durch Schieß- und Waffentrainings bei einem Waffenfachhändler, der eine Schulungsbestätigung ausstellt. Alle fünf Jahre überprüft die zuständige Behörde jedenfalls die Verlässlichkeit der Inhaber, wobei es vor allem um die entsprechende sichere Verwahrung von Schusswaffen und Munition geht: „Von der Bezirkshauptmannschaft ergeht ein Auftrag an die örtlich zuständige Polizeiinspektion zur sogenannten Verlässlichkeitsüberprüfung. Dabei wird unter anderem die Verwahrung der Waffe überprüft – auch, ob Waffen und entsprechende Munition getrennt voneinander aufbewahrt werden“, erklärt Dür.

113 illegale Schusswaffen sichergestellt

Doch wie sieht es in Sachen illegale Schusswaffen aus? Im Frühjahr 2019 wurden in einem Prozess am Landesgericht Feldkirch fünf Männer wegen illegalen Waffenhandels schuldig gesprochen, der Hauptangeklagte fasste zwei Jahre Haft aus. Zuvor waren bei einer Hausdurchsuchung bei den Verdächtigen unter anderem über 160 Schusswaffen und tausende Schuss Munition sichergestellt worden. Auf die Spur war man den Männern gekommen, weil man sie im Zusammenhang mit einem Waffenverkauf von Österreich nach Frankreich gebracht und dann observiert hatte. In den Jahren 2018 und 2019 wurden in Sachen illegaler Schusswaffen – Besitz, Handel und andere Straftaten – jeweils 15 Anzeigen von der Polizei in Vorarlberg erstattet, wie Dür berichtet. Wie viele illegale Schusswaffen in Vorarlberg im Umlauf sind, bleibt reine Spekulation, wobei bei polizeilichen Einsätzen in den Jahren 2017 bis 2019 insgesamt 113 illegale Schusswaffen sichergestellt wurden – das ist zumindest ein Anhaltspunkt.

Kriegsmaterial, Hehlerware und Darknet

Der überwiegende Teil der illegalen Schusswaffen ist vermutlich Diebesgut oder kommt aus dem Ausland: Oft werden die Waffen bei Einbrüchen gestohlen und dann entweder für weitere Straftaten verwendet oder verkauft. Wie die Polizei 2016 in Zusammenhang mit dem Amok­lauf in Nenzing bekanntgab, seien vor allem seit den Jugoslawienkriegen auch in Vorarlberg viele Waffen im Umlauf. Wie Attentäter Gregor S. damals zu seiner Tatwaffe – offensichtlich dem Nachbau eines Kalaschnikow-Sturmgewehrs – kam, kann vermutlich nie geklärt werden, zumal er sich bei der Tat selbst erschoss. Man zog jedenfalls in Betracht, dass entweder Kontakte zum Schwarzmarkt bestanden haben könnten oder die Waffe über das Darknet bestellt wurde, wie Landespolizeidirektions-Pressesprecher Horst Spitzhofer damals auf einer Online-Nachrichtenplattform berichtete. „Sehr wahrscheinlich werden Waffen auch im Darknet bestellt. Aber ob es in Vorarlberg bei der Beschaffung eine Tendenz zum Darknet gibt, kann von unserer Seite nicht statistisch belegt werden“, sagt Dür.

Dachbodenfund

Selbst wenn es „nur“ Opas alter Revolver vom Dachboden ist: Der Besitz von illegalen Schusswaffen ist kein Kavaliersdelikt. Laut Paragraph 50 des Waffengesetzes drohen bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe. Der genaue Strafrahmen hängt von der Art des Vergehens ab – ob unbefugtes Besitzen oder Führen oder ob man jemandem eine Waffe überlässt oder an jemanden verkauft, der keine Berechtigung hat. Und es kommt auch auf das Ausmaß an. Gemäß den gesetzlichen Bestimmungen sind legale Waffen grundsätzlich durch eine oder mehrere in das Material eingearbeitete Registrierungsnummern gekennzeichnet. Für Waffen und Waffenteile gilt künftig eine EU-Richtlinie, die noch strengere Kennzeichnungspflichten vorschreibt, um so die missbräuchliche Verwendung von Schusswaffen für kriminelle Zwecke zu bekämpfen. Dazu gibt es konkrete Richtlinien zur Festlegung technischer Spezifikationen für die Kennzeichnung von Feuerwaffen und deren wesentlichen Bestandteilen wie Lauf, Trommel, Verschluss, Rahmen und Gehäuse. Damit könnte etwa erschwert werden, dass aus Waffenteilen, die bei Reparaturen oder Umbauten ausgetauscht wurden, nichtregistrierte Waffen zusammengebaut werden.

Mehr Hieb- und Stichwaffen in Vorarlberg

„Der direkte Vergleich zeigt, dass die große Mehrheit der angezeigten Straftaten mit Hieb- und Stichwaffen begangen werden“, sagt Dür: 2019 wurden in Vorarlberg folgende Straftaten angezeigt: 154 mit Stichwaffe, 97 mit Hiebwaffe und 51 mit Schusswaffe. „Diese schließen auch den Versuch bei den Straftaten, wie beispielsweise Mord, fahrlässige Tötung, Körperverletzung, Gefährdung der körperlichen Sicherheit, Raufhandel, Freiheitsentziehung, Nötigung, gefährliche Drohung, Hausfriedensbruch, Einbruchsdiebstahl, Raub oder Erpressung ein“, erklärt Dür. Diese Tendenz bestätigt auch die Kriminalstatistik der Bundespolizei für das Jahr 2019: 2469 Gewaltdelikte in Österreich wurden mit Stichwaffen begangen, im Vergleich zu 2018 gibt es sogar einen deutlichen Anstieg um rund 200 Delikte. Diese sind somit die häufigsten Tatwaffen. In „nur“ 357 Fällen waren Schusswaffen Teil der Tathandlung, die Zahl ist seit Jahren rückläufig. Das sollte nahelegen, in Sachen Befugnisse generell nachzuschärfen – vor allem bei Messern und „Waffen“, die offensichtlich nicht für Jausenbrett und anderen praktischen Gebrauch entworfen sind. Das allerdings sei eine „politische Entscheidung“, betont Dür.

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