WALTER HÖMBERG

Walter Hörmberg war Lehrstuhlinhaber für Journalistik und Kommunikationswissenschaft an den Universitäten Bamberg und Eichstätt und hat lange Zeit als Gastprofessor an der Universität Wien gelehrt. Er hat zahlreiche Studien zur Geschichte und Gegenwart des Journalismus veröffentlicht und ist Mitherausgeber des Bandes „Ich lass mir nicht den Mund verbieten! Journalisten als Wegbereiter für Pressefreiheit und Demokratie“, der soeben im Reclam Verlag erschienen ist.

Schmierfinken, Huren, Federbanditen

Juli 2019

Journalistenbeschimpfung hat Tradition.

Ein explosives Video mit einer langen Zündschnur: Im Juli 2017 in einer Villa auf Ibiza aufgenommen, hat es nach der Veröffentlichung im vergangenen Mai innerhalb weniger Stunden zum Rücktritt der beiden „Hauptdarsteller“ und innerhalb weniger Tage zum Sturz der Regierung geführt. Mit Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus waren führende Repräsentanten der FPÖ in eine Falle getappt. Die mit versteckten Kameras und Mikrophonen aufgenommenen Gespräche mit einer vermeintlich steinreichen russischen Oligarchennichte zeigen die Bereitschaft zu illegalen Kompensationsgeschäften für versteckte Parteispenden. Unter den möglichen Aktivitäten werden die Übernahme der „Kronen-Zeitung“ und ihre Instrumentalisierung für Ziele der Freiheitlichen Partei ins Auge gefasst. In diesem Zusammenhang nennt Strache Journalisten „die größten Huren auf dem Planeten“.

Aktueller Weltmeister in der Journalistenbeschimpfung ist ein gewisser Donald John Trump. Seit der Ankündigung seiner Bewerbung um das Präsidentenamt im Sommer 2015 hat er per Twitter tausende medienkritische Tweets abgesendet. „Sie gehören zu den unehrlich­sten Menschen auf der Erde“ – gleich an seinem zweiten Tag als US-Präsident setzte er die Journalistenschelte fort, die er im Wahlkampf begonnen hatte. 

Damit reiht er sich ein in eine Traditionskette, die sich über Jahrhunderte zurückverfolgen lässt. Der Dichter Johann Michael Moscherosch bezeichnete die Presseleute als „Fuchsschwänzer“, „Lumpen“, „Ohrenbläser“ und wies ihnen den schlechtesten Platz in der Hölle zu. Ferdi­nand Lassalle geißelte „ihre stupide Unwissenheit, ihre Gewissenlosigkeit, ihren Eunuchenhass gegen alles Wahre und Große in Politik, Kunst und Wissenschaft“. Für den preußischen Ministerpräsidenten Bismarck waren sie Menschen, die ihren Beruf verfehlt haben, und Kaiser Wilhelm II. sprach von verkommenen Gymnasiasten. Deutsche Spitzenpolitiker der Nachkriegszeit verglichen sie mit „Ratten und Schmeißfliegen“ (Franz Josef Strauß), „Schmierfinken“ (Helmut Kohl), „Wegelagerern (Helmut Schmidt) und „Fünf-Mark-Nutten“ (Joschka Fischer). 

Von Agatha Christie ist der Ausspruch überliefert: „Ich habe Journalisten nie gemocht. Ich habe sie in all meinen Büchern sterben lassen.“ Und der kleine Mann auf der Straße mit seinem sprichwörtlichen Volksmund? Für ihn sind sie, wenn man dem „Wörterbuch der deutschen Umgangssprache“ Glauben schenken darf, „Aasgeier“, „Blattläuse“, „Dreckfinken“, „Federbanditen“, „Klatschschreiber“, „Presseflegel“, „Revolverautoren“, „Tintenkleckser“ und „Zeilenschinder“. 

Despektierliche Äußerungen über die schreibende Zunft im Allgemeinen und über Kollegen im Besonderen finden sich in ähnlicher Schärfe auch bei Dichtern und Schriftstellern: Stendhal nennt Chateaubriand einen „stinkenden Egoisten“, Else Lasker-Schüler sieht in Franz Blei einen „Roccoco-Esel“, und Johann Heinrich Voss charakterisiert Clemens Brentano als „Erzwindbeutel“. 
Für Wilhelm von Humboldt ist Matthias Claudius „eine völlige Null“, für Aldous Huxley sein französischer Zeitgenosse Paul Eluard „ein Mann ohne jedes Talent“, und Friedrich Gundolf beschreibt Karl Kraus als „ausgezeichneten Latrinenreiniger“. Karlheinz Deschner konstatiert bei Ernst Jünger „Brei auf Stelzen“, Claire Goll bei James Joyce „Wortmarmelade“ und Jürgen Lodemann bei Peter Handke „Intellektuellenkitsch“. Für Gräfin Reventlow ist Goethe „eine Sau, die ihre eigenen Perlen mit Füßen tritt“, und H. C. Artmann nennt Ingeborg Bachmann „a arrogante Gurkn“. Wolfgang Herrndorf schließlich sieht in Martin Walser den „vielleicht senil­sten Sack der deutschen Literatur“. 

Die Geschichte der Publizistik ist voll von Federkämpfen. Diese durchziehen naturgemäß auch das Verhältnis zwischen Kulturproduzenten und ihren Kritikern. Hildegard Knef formulierte: „Wer sich mit der Kunst verheiratet, bekommt die Kritik zur Schwiegermutter.“ Und Max Reger antwortete einem Rezensenten: „Ich sitze im kleinsten Raum des Hauses. Ich habe Ihre Kritik vor mir. Bald werde ich sie hinter mir haben.“ Legendär ist die Aussage von Robert Neumann über Hans Habe, seinen Nachbarn am Lago Maggiore, mit dem er in einer stabilen Hassliebe verbunden war: „Still ruht der See. Die Luft ist rein. Hans Habe muss ertrunken sein.“ 

Während bei der Kollegenbeschimpfung von Schriftstellern meist persönliche Aversionen und berufliche Konkurrenzmotive im Spiel sind, liegen die Ursachen für Journalistenschelte durch Politiker tiefer. Zum journalistischen Berufsbild in liberalen Demokratien gehört neben der Chronisten- und Vermittlerrolle auch die Kritik- und Kontrollfunktion gegenüber den herrschenden Machteliten. Der investigative Journalismus hat hier gerade in den letzten Jahren viele Skandale aufgedeckt. Auf der anderen Seite versuchen manche rechtkonservative und autoritäre Regierungen die Pressefreiheit einzuschränken. Und das Ibiza-Video zeigt deutlich, dass für Strache die Orbanisierung der Medienlandschaft Österreichs durchaus ein strategisches Ziel war. Delikaterweise wurde er nach Aufdeckung des Skandals von den FPÖ-Anhängern noch mit Vorzugsstimmen ins Europäische Parlament gewählt.

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