WALTER HÖMBERG

Walter Hörmberg war Lehrstuhlinhaber für Journalistik und Kommunikationswissenschaft an den Universitäten Bamberg und Eichstätt und hat lange Zeit als Gastprofessor an der Universität Wien gelehrt. Er hat zahlreiche Studien zur Geschichte und Gegenwart des Journalismus veröffentlicht und ist Mitherausgeber des Bandes „Ich lass mir nicht den Mund verbieten! Journalisten als Wegbereiter für Pressefreiheit und Demokratie“, der soeben im Reclam Verlag erschienen ist.

Die Archäologie populär gemacht

September 2022

Vor 50 Jahren starb C. W. Ceram – sein Weltbestseller Götter, Gräber und Gelehrte kann als Prototyp des modernen Sachbuchs gelten.

Bücher haben bekanntlich ihre Schicksale. Einige liegen wie Blei in den Regalen der Buchhandlungen und Bibliotheken, andere erleben Augenblickskarrieren und landen dann in den Ramschkisten, wieder andere erfahren die Gnade einer späten Entdeckung. Nur wenige Titel können sich bleibender Aufmerksamkeit erfreuen, die über Jahrzehnte anhält.
Letzteres trifft zu auf „Götter, Gräber und Gelehrte“ von C. W. Ceram. Dieser „Roman der Archäologie“ erschien 1948 im Hamburger Rowohlt Verlag. Nach den Verheerungen des Krieges war der Wissensdurst groß und der attraktive Titel mit den drei G versprach anspruchsvolle und abwechslungsreiche Lektüre im sonst eher kargen Nachkriegsalltag. Ein beispielloser Erfolg: Innerhalb von nur fünf Jahren wurden 330.000 Exemplare in immer neuen Auflagen gedruckt. Es folgten Übersetzungen in 28 Sprachen, bis heute ist der Band etwa fünf Millionen Mal verkauft worden. 
Der Verfasser versteckt sich hinter einem Pseudonym in Form eines Anagramms. Kurt Wilhelm Marek (so sein eigentlicher Name), geboren am 20. Januar 1915 in Berlin als Sohn eines Tischlers, verließ schon mit 16 Jahren die Schule. Er wollte Journalist werden und bereitete sich durch intensive Buchlektüre als Autodidakt auf diesen Beruf vor. Zu seinen ersten Veröffentlichungen gehörten Theater- und Filmkritiken im „Berliner Börsenkurier“. Der bald beginnende Krieg fand ihn als Soldat an mehreren Fronten in Europa. Als Kriegsberichter und Mitglied einer Propaganda-Kompagnie veröffentlichte er zwei Bücher („Wir hielten Narvik“, 1941; „Rote Spiegel – überall am Feind. Von den Kanonieren des Reichsmarschalls“, 1943). Anders als die Mehrzahl der so entstandenen Publikationen enthalten sie sich direkter Nazipropaganda.
Nach Kriegsende zunächst in Gefangenschaft, arbeitete Marek alias Ceram zunächst als Kulturredakteur bei der „Welt“ und als Autor für Zeitschriften und Rundfunk, bevor er als Cheflektor zum Rowohlt Verlag ging. Die Doppelfunktion als Lektor und Autor war sonst eher in der Belletristik üblich. Diesmal lieferte der Lektor jedoch einen „Prototyp des modernen Sachbuchs“ aus der eigenen Feder. Neben dem flüssigen Erzählstil überzeugte der Band durch anschauliche Grafiken und Abbildungen sowie durch einen sorgfältig recherchierten Anhang (Zeit- und Stammtafeln, Literaturverzeichnis, Landkarten, Personen- und Sachregister). „Kindlers Literaturgeschichte der Gegenwart“ spricht von „dem wohl bekanntesten und in der Wirkung nachhaltigsten ersten Sachbuch der Nachkriegszeit“. 
Schon Homer hatte, wenn er einen Schutzschild beschreiben wollte, die Verfertigung eines solchen geschildert. Wie schon der amerikanische Mikrobiologe Paul de Kruif, den er als Vorbild nennt, wendet Ceram dieselbe Methode an: Wissenschaftsvermittlung als Beschreibung von Arbeitsprozessen, kombiniert mit dem journalistischen Prinzip der Personalisierung. So verschafft gerade Leben und Werk von Heinrich Schliemann einen vortrefflichen Einstieg in die klassische Archäologie. Der schillernde „Selfmadeforscher“, zu dessen 200. Geburtstag in diesem Jahr das Berliner Museum für Vor- und Frühgeschichte eine opulente Ausstellung präsentiert, bot mit seinen Erfolgen und Irrtümern eine ideale Projektionsfläche für die szenische Darstellung der Grabungstätigkeit. Die mühsame Registrations- und Rekonstruktionsarbeit in den akademischen Schreibstuben interessiert diesen Autor nicht – er fokussiert sich auf den Prozess der Entdeckung. Dazu Paul Zanker, renommierter Archäologieprofessor aus München: „Im Grunde geht Ceram wie ein Filmemacher vor, setzt Szene neben Szene mit hartem Schnitt und fordert so die Einbildungskraft des Lesers aufs Äußerste heraus.“ 
Der Band schlägt in vier Etappen einen weiten Bogen von Griechenland („Das Buch der Statuen“) über Ägypten („Das Buch der Pyramiden“) und Vorderasien („Das Buch der Türme“) bis nach Lateinamerika („Das Buch der Treppen“). Viele Leser wurden so für die Archäologie begeistert, was sich auch an der Zunahme der Studierenden in diesem Orchideenfach zeigen sollte. 
Der Autor ruhte sich nicht aus auf den Lorbeeren und Tantiemen seines Weltbestsellers, sondern blieb seiner Leidenschaft treu und beschäftigte sich weiter intensiv mit längst vergangenen Kulturen. 1955 erschien sein Werk über die Entdeckung des Hethiter-Reiches unter dem Titel „Enge Schlucht und schwarzer Berg“, nachdem er an den Ausgrabungen der Karatepe-Expedition in Kleinasien als Gast selbst beteiligt war. Im Jahr zuvor war er nach New York übersiedelt, wo er eine „Archäologie des Kinos“ (erschienen 1965) und eine Darstellung über die amerikanische Frühgeschichte verfasste („The First American. Story of North American Archaeology“, 1971; Deutsch 1972). 
Die Rückkehr nach Deutschland hat er nicht lange überlebt: Am 12. April 1972 ist Kurt Wilhelm Marek im Alter von 57 Jahren in einer Hamburger Klinik an Herzversagen gestorben. Sein Grab auf dem Ohlsdorfer Friedhof ziert als Erinnerung an die eigene Bildungsgeschichte die Bronzeplastik eines lesenden Jünglings.

Das Filmplakat zu „Das Tal der Könige“, das Drehbuch beruft sich auf C. W. Ceram als literarische Vorlage. 

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