
Von Rasern, Verfolgungsjagden und dankbaren Schweizern
Führerscheinneulinge mit 165 km/h in der 80er-Zone oder mit 135 im 60er-Bereich, Fahrzeuglenker, die ihrem Vordermann auf der Autobahn an der Stoßstange „picken“ und Schweizer, die beinahe darum flehen, Verkehrsstrafen gleich vor Ort zahlen zu dürfen: Die Vorarlberger Verkehrspolizei erlebt Haarsträubendes und Kurioses.
Schauplatz Rheintalautobahn, nördlich des Ambergtunnels, Fahrtrichtung Bludenz. Es schneit, auf der Fahrbahn liegt Schneematsch, die Sicht ist schlecht. Eine Frau rast dennoch mit rund 160 km/h auf den Tunnel zu. Erlaubt sind hier 100 km/h. Aber das scheint in Anbetracht der Verhältnisse nur nebensächlich. Eine mit zwei Beamten besetzte Zivilstreife der Polizei nimmt die Verfolgung auf.
Die Lenkerin geht auch im Tunnel nicht vom Gas, fährt nach dem Amberg von der A 14 ab und hält auf die Felsenau zu – immer weit über dem erlaubten Tempolimit, Sperrlinien haben für sie offensichtlich keine Bedeutung. Die Beamten lassen sich freilich nicht abhängen. Kurz vor dem Stadttunnel unter der Schattenburg in Feldkirch gelingt es, die Frau zu stoppen. Auf der Suche nach einer Erklärung für die ebenso halsbrecherische wie gemeingefährliche Flucht werden die Polizisten gleich fündig: Die Lenkerin besitzt keinen Führerschein!
80 Extremraser in 9 Monaten
Die 13 Beamten, die mit insgesamt drei zivilen Pkw und einem zivilen Motorrad auf Vorarlbergs Straßen unterwegs sind, müssen nicht selten extreme Raser stellen. „Das oberste Credo dabei lautet: Wenn das Risiko zu hoch erscheint, wird die Verfolgung abgebrochen“, sagt Oberstleutnant Peter Rüscher, stellvertretender Leiter der Landesverkehrsabteilung der Polizei. Das Kennzeichen befindet sich ohnehin gleich auf dem Videoband. „Zum Glück passierte bei solchen Nachfahrten seit Jahren kein Unfall, niemand kam zu Schaden“, hebt Rüscher hervor.
Die Zivilstreifen können nicht nur die Geschwindigkeit der Verkehrsteilnehmer messen, sondern auch Drängler überführen. Modernste Messinstrumente dokumentieren alles genau, spätestens beim Vorspielen des Videobeweises werden selbst die uneinsichtigsten Lenker „schmähstad“.
Seit Beginn des Jahres bis Anfang Oktober haben die Zivilstreifen rund 80 Raser in Vorarlberg aus dem Verkehr gezogen, die die erlaubte Höchstgeschwindigkeit meist um mindestens 100 Prozent überschritten haben. Generelle Erkenntnis: Raser sind überwiegend männlich, die Zahlen rasender Motorradfahrer und Pkw-Lenker halten einander die Waage.
Ein paar Highlights aus der zweifelhaften Hitliste denkwürdiger Verkehrsübertretungen gefällig? Im Bregenzerwald war einem Motorradfahrer die Geschwindigkeitsbeschränkung von 80 ziemlich egal. Er donnerte mit 163 km/h über die Landstraße, ehe ihn die Beamten stoppten. Ähnlich wenig Respekt vor den Verkehrsregeln zeigte ein weiterer Biker in Nenzing. Statt mit maximal 80 km/h fuhr er 165. Die Beamten staunten schließlich nicht schlecht, als der Verkehrsrowdy seinen Führerschein präsentierte: ein Probeführerschein! Wohl genauso erstaunt blickten die Polizisten in Rankweil. Hier scherte sich ebenfalls ein Probeführerscheinbesitzer nicht um das Tempolimit von 60 km/h – er beschleunigte bis auf 135!
Raser auf zwei Rädern „lieben“ Passstrecken. So halten Biker in Fontanella die 50 km/h nicht extrem oft ein. Heuer im Sommer stoppte die Polizei dort beispielsweise einen Motorradfahrer mit 142 km/h und einen weiteren Biker mit noch „satteren“ 147 km/h.
Die Tunnels im Land stellen ebenfalls „Bühnen“ für Verkehrsrowdys dar. Im August wurde im Ambergtunnel ein Pkw mit einer Höchstgeschwindigkeit von 186 km/h gemessen und dann gestoppt. Zur Erinnerung: Erlaubt sind 100! Im Achraintunnel gilt eine Beschränkung von 80 km/h. Die hat ein Pkw-Lenker sauber ignoriert: 170 km/h hat die Zivilstreife festgestellt.
Mit 250 km/h durchs Klostertal
Besonders gefährlich erweisen sich dramatische Geschwindigkeitsüberschreitungen in Kombination mit anderen Verkehrsübertretungen. So hat zum Beispiel ein Pkw-Lenker heuer vor einer unübersichtlichen Kurve trotz doppelter Sperrlinie ein Fahrzeug überholt. Er tat dies außerdem mit weit überhöhter Geschwindigkeit. 80 km/h sind in dem Bereich erlaubt, das Auto war mit 140 unterwegs. Quasi den Vogel abgeschossen in Sachen Unvernunft hat ein Autofahrer, der Anfang Oktober auf der Rheintalautobahn mit 159 km/h durch die – baustellenbedingte - 60er-Zone schoss. Das negative Highlight in Sachen Raserei in den vergangenen Jahren gab es freilich auf der S 16 zu verzeichnen: Ein Pkw-Lenker hat dort den Begriff „Schnellstraße“ anscheinend viel zu wörtlich genommen: Mit unglaublichen 250 km/h „flog“ er förmlich durch das Klostertal! Nur der Vollständigkeit halber: Das offizielle Limit liegt bei 100 km/h.
Im Jahr 2014 hat die Polizei rund 97.000 Geschwindigkeitsüberschreitungen angezeigt. Die etwa 20.000 direkt vor Ort ausgestellten Organmandate sind in dieser Zahl nicht inkludiert. „Heuer rechnen wir mit ähnlich vielen Anzeigen“, sagt Oberstleutnant Rüscher. Bei den Rasern fallen übrigens unsere Schweizer Nachbarn in eine besondere Kategorie. Es hat den Anschein, als hielten sich die eidgenössischen Verkehrsteilnehmer beinahe gar nicht an Geschwindigkeitsbeschränkungen in Vorarlberg, weil sie – im Gegensatz zu den drakonischen Strafen für Verkehrsdelikte in der Heimat – hier vergleichsweise „günstig“ davonkommen. Der Wechselkurs trägt überdies dazu bei, dass es für sie beinahe einem Schnäppchen gleichkommt, in Vorarlberg beim Schnellfahren erwischt zu werden.
„Objektiv betrachtet können wir zwar keinen überdurchschnittlich hohen Schweizer Anteil bei den Schnellfahrern erkennen, aber es ist Fakt, dass unsere Nachbarn Strafen in der Regel ohne Murren sofort vor Ort bezahlen“, weiß Peter Rüscher.
Nichts fürchtet der Schweizer Verkehrssünder nämlich mehr als eine Kontaktaufnahme der österreichischen mit den Schweizer Behörden. Dem Teufel läuft beim Gedanken an das Weihwasser vermutlich ähnlich kalt der Schauer über den Rücken. Kein Wunder: Wenige Kilometer pro Stunde zu schnell zu fahren, kostet in der Schweiz bekanntlich ein kleines Vermögen. Und in Österreich? Eine Okkasion.
Und obwohl zwischen Österreich und der Schweiz kein Rechtshilfeabkommen besteht und Verkehrsstrafen daher gar nicht exekutierbar sind, erledigen Schweizer unangenehme Post der Vorarlberger Bezirkshauptmannschaften rasch und ohne Aufsehen. Hauptsache, die Schweizer Behörden erfahren nichts. Damit es beim Schnäppchen bleibt.
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