Andreas Unterberger

73, ist Kolumnist und schreibt seit sieben Jahren unter www.andreas-unterberger.at Österreichs meistgelesenen Internet-Blog. Er ist Jurist und hat zehn Jahre an der Universität Wien Politikwissenschaft vorgetragen. Er war 20 Jahre Außenpolitik-Journalist und 14 Jahre Chefredakteur von „Presse“ und „Wiener Zeitung“. Sein jüngstes Buch heißt „Schafft die Politik ab“.

Wer A sagt, sagt auch B

Juli 2018

Der Plan A hat zwar nicht funktioniert, Christian Kern muss trotzdem nicht verzweifeln: Das Alphabet hat noch weitere 25 Buchstaben. Mit dem neuen Parteiprogramm gibt’s jetzt einen Plan B. Bleiben noch 24.

Die Präsentation des berühmten Plan A, in dem Christian Kern noch als Kanzler alle Antworten hatte, die er dem Land dann schuldig blieb, war noch in guter Silberstein-Manier pompös. Jetzt, als erster abgewählter SP-Kanzler, gibt er es billiger. Und weil, wie Kern nicht müde wird zu betonen, die Menschen seinen Plan A nicht verstanden haben (sonst wäre er doch nicht Zweiter geworden), muss es diesmal schlicht sein. In jeder Hinsicht.

Das neue Programm beginnt mit der ganz neuen Erkenntnis: „Die Welt steht nicht still.“ Und reicht bis zur unfreiwillig komischen Plattitüde am Ende: „Wir warten nicht auf bessere Zeiten.“
Zwischen diesen beiden programmatischen Leuchttürmen tut sich das kleine Universum des SP-Vorsitzenden auf. Wollte ein Bruno Kreisky noch alle Bereiche der Gesellschaft modernisieren und demokratisieren, begnügen sich seine Enkel schon mit einer Modernisierung der Parteistruktur. Freilich: Ob die Tatsache, dass zehn Prozent der Parteimitglieder eine Abstimmung durchsetzen können und dass Mandatare ein Ablaufdatum von zehn Jahren bekommen, die SPÖ „für alle Bevölkerungsschichten und besonders für junge Menschen“ attraktiver macht, wie Kern meint, sei dahingestellt. Gibt’s wirklich jemanden, der eine Partei wegen ihrer Struktur wählt?

Nur: Bei den Inhalten findet sich auch nichts Mitreißendes. Da sind die Dauerbrenner Maschinen- und Erbschaftssteuer wie gehabt; die Beschwörung der Gleichberechtigung und ein gespreizt formuliertes Bekenntnis zu den Arbeitern („Unser Herz schlägt nicht am Ballhausplatz, sondern am Ziegelteich am Wienerberg“) sind auch nicht gerade taufrisch. Dass Österreich (bis 2040) CO2-frei sein soll, ist eine Verbeugung vor den einstigen Grünwählern, die aus Frust über das Welken der Ökos zuletzt SPÖ gewählt und so die Kern’sche Wahlschlappe abgefedert haben. Nur: Ideologische Schwerpunkte sehen anders aus.

Immerhin: Die Vier-Tage-Woche mit einem Bildungstag wird zum Programm erhoben. Das wird aus Österreich sicher eine florierende Volkswirtschaft machen – man sieht: Dieser Parteivorsitzende war ein erfolgreicher Wirtschaftsmanager, da fährt die Eisenbahn drüber!

In der Ausländerfrage gibt sich das Kern-Programm etwas schaumgebremster („Integration vor Zuwanderung“), in der Europa-Frage nostalgisch: Vielerlei liest sich wie der Versuch einer Wiederbelebung der Sozialistischen Internationale, nur ohne Kampfgetöse, denn es geht um ein „Europa zum Verlieben“.

Allerdings könnte der Traum, den Niedergang der europäischen sozialistischen Parteien durch eine sozialistische Dominanz in der Union zu kompensieren, schon bald platzen: Der französische Präsident Emmanuel Macron, der mit seiner Bewegung „En Marche!“ die Sozialisten marginalisiert hat, setzt zum Sprung nach Europa an. Er gründet derzeit Ableger in allen Mitgliedsländern, um bei der nächsten EU-Wahl zur bestimmenden Gruppierung zu werden.

Der Faszination des charismatischen Franzosen hat Kern nichts entgegenzusetzen – schon gar nicht mit diesem visions- und leidenschaftslosen Programm-Entwurf. Der ist nur ein weiterer Beweis dafür, dass da eine Partei abgedankt hat.

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