Anlässlich der Wiedereröffnung des sanierten Parlaments hatte der deutsche CDU-Politiker Wolfgang Schäuble eine Rede gehalten, die von vielen gelobt, von wenigen aber harsch kritisiert wurde. „Ideologiegetrieben“, sagte Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer, seien die Vorstellungen des 80-Jährigen, vom Klimawandel bis zur Geschlechtergerechtigkeit. Dabei hatte Schäuble nichts anderes getan, als im Rahmen einer demokratiepolitisch bemerkenswerten, längeren Rede auch kurz eine Meinung zu äußern, die nicht der Meinung der Grünen entspricht. Schäuble hatte beispielsweise gesagt: „Wenn ich für Gleichberechtigung eintrete, kann ich dennoch Vorbehalte gegenüber dem Gendersternchen haben.“ Wer das bereits als ideologiegetrieben bezeichnet, ist selbst ideologiegetrieben, ein anderer Schluss kaum zulässig. Vor allem aber zeigt sich, dass Maurer und andere beruflich Dauerempörte folgenden zentralen Satz von Schäuble nicht verstanden haben: „Wir sollten Acht geben, legitime Positionen nicht aus dem Diskurs zu drängen.“ Wer am Austausch unterschiedlicher Meinungen gar nicht erst interessiert ist, offenbart ein bemerkenswert negatives Demokratieverständnis. Kritik sagt eben auch viel über den Kritiker aus.