Viel Lärm um nichts
Die Premiere, eine Blamage: keine Akten für den Hypo-Untersuchungsausschuss. Dabei hatten Juristen früh genug gewarnt, dass der Ausschuss den entsprechenden Fall erst gar nicht untersuchen kann – wegen Nicht-Zuständigkeit.
Am 9. September treffen sich die Mitglieder des Hypo-Untersuchungsausschusses zum dritten Mal. Viel werden die Damen und Herren dabei nicht zu besprechen, zumindest nicht zu sichten haben. Denn von diversen Bundesstellen angeforderte Akten trafen nicht ein. Der Ausschussvorsitzende Michael Ritsch selbst sagt: „Mit dem, was gekommen ist, kann ein U-Ausschuss nicht arbeiten.“ Das aber hatte sich abgezeichnet. Denn Ritsch und Kollegen hätten nur darauf hören müssen, was die Juristen des Landes erklärt haben, was aber auch Experte Peter Bußjäger in einem Kurzgutachten zu den verfassungsrechtlichen Grenzen des Untersuchungsrechts festgestellt hatte: dass ein Untersuchungsausschuss des Landtags diesen Fall gar nicht erst untersuchen kann. Weil er nicht zuständig ist.
„Nichtig und unbeachtlich“
Die Begründung liefert die Landesverfassung, und zwar jener Paragraf, der die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses regelt. Dort heißt es, dass der Landtag „zur Prüfung behaupteter Missstände in der Verwaltung des Landes“ einen solchen Ausschuss einsetzen könne, den Gegenstand der Untersuchung unter Anführung ebendieses behaupteten Missstandes in der Verwaltung des Landes aber genauer definieren müsse. Diese Passage ist von entscheidender Bedeutung. Denn mit der Verwaltung des Landes hat die Hypobank nichts zu tun.
Die Vorarlberger Landes- und Hypothekenbank AG – so die vollständige Bezeichnung – ist ein ausgegliederter eigenständiger Rechtsträger. Und auf diesen ausgegliederten Rechtsträger hat die Landesregierung von Gesetzes wegen keinen rechtlichen Einfluss. „Die Eröffnung eines Kontos bei der Hypobank hat nichts mit der Verwaltung des Landes zu tun“, sagt Bußjäger, „mag die Bank auch im überwiegenden Eigentum des Landes stehen.“ Ergo können Geschäfte der Hypobank nicht zum Gegenstand eines Untersuchungssauschusses des Vorarlberger Landtags gemacht werden – weil der Landtag Verantwortung ja nur insoweit einfordern kann, als Landesorgane rechtlich auch verantwortlich sind. „Kein möglicher Untersuchungsgegenstand sind die Geschäfte der Hypo Landesbank Vorarlberg als solcher, da die Landesregierung über keinerlei Weisungsmöglichkeiten gegenüber den Organen der Bank verfügt“, heißt es in Bußjägers Gutachten. Weder nach dem Wortlaut noch nach dem Sinn der entsprechenden Bestimmungen der Landesverfassung kann folglich ein Untersuchungsausschuss des Landes für die Hypobank zuständig sein.
Nicht zuständig, keine Akten
Deshalb trafen auch keine Akten ein, von keiner einzigen kontaktierten Bundesstelle: Selbst wenn es relevante Akten gäbe, dürften die kontaktierten Stellen selbige an den nicht befugten Untersuchungsausschuss gar nicht weiterleiten. Deshalb haben Finanzmarktaufsicht, Finanzministerium, Justizministerium, Bundes-Rechnungshof, Staatsanwaltschaft, Nationalbank und Finanzprokurator nichts geliefert. Abermals sei aus Bußjägers Gutachten zitiert: „Untersuchungshandlungen wie etwa das Ersuchen um Aktenvorlage, Einsicht in Geschäftsunterlagen, Vorladungen von Zeugen, wären im Fall einer Überschreitung des zulässigen Gegenstands eines Untersuchungsausschusses von vornherein nichtig und daher unbeachtlich.“ Nichtig und unbeachtlich.
Ritsch, der Vorarlberger Sozialdemokrat, will in einem zweiten Anlauf nun „SPÖ-Juristen in Wien prüfen lassen, wie mit der Weigerung der Bundesbehörden umgegangen werden soll“. Die Antwort auf die von sozialdemokratischer Seite unterstellte Verschwörung sei vorweggenommen: „Nicht zuständig“ bleibt „nicht zuständig“. Allzu viele Akten werden die Ausschussmitglieder also auch weiterhin nicht zu studieren bekommen. Denn auch die Hypobank selbst ist laut Bußjäger aus den genannten Gründen nicht verpflichtet, dem auf Basis eines wenig brauchbaren Untersuchungsbeschlusses agierenden U-Ausschuss Akten oder andere Informationen zu liefern: „Es muss daher gar nicht diskutiert werden, ob und in welchem Umfang geschäftliche Unterlagen geschwärzt herauszugeben sind. Sie sind nicht herauszugeben.“
„Beugung der Landesverfassung“
Bußjäger ist dabei noch zurückhaltender als andere Juristen. Eingesetzt worden sei der Untersuchungsausschuss unter Beugung der Landesverfassung, wenn nicht sogar unter Bruch, sagen mit dem Vorgang vertraute Kritiker, weil die Fragestellungen nichts mit den Vorgaben der Landesverfassung zu tun hätten. Zudem sei die Forderung an Bundesbehörden, dem Ausschuss Unterlagen zur Sache zur Verfügung zu stellen, ohnehin ein Nonsens: Das Handeln von Bundesbehörden in Vollziehung von Bundesgesetzen könne schon gar nicht Gegenstand eines Vorarlberger Untersuchungsausschusses sein. Als könnte ein Landesgesetz darüber bestimmen, was Bundeseinrichtungen im Rahmen ihrer Kompetenzen auf Bundesebene zu tun hätten, lautet da die juristische Argumentation: „Damit würde der verfassungsrechtliche Stufenbau der Rechtsordnung vollkommen auf den Kopf gestellt.“ Der Theorie folgt die angewandte Praxis: Der Rohbericht der Finanzmarktaufsicht über die Prüfung der Hypo-Landesbank liegt der Bank seit vergangenem Wochenende vor, der Untersuchungsausschuss aber bleibt – aus den genannten Gründen – außen vor: „Wir sind eine Bundesbehörde, sind zur Amtsverschwiegenheit verpflichtet. Wir können keine Dokumente an Untersuchungsausschüsse in Landtagen übergeben, das war auch beim Hypo-U-Ausschuss in Kärnten nicht anders“, sagt FMA-Mediensprecher Klaus Grubelnik auf Anfrage. Auch die Organe der Bank sind rechtlich nicht dazu befugt, den FMA-Bericht dem Ausschuss vorzulegen, unabhängig vom Inhalt. Banken- und aktienrechtliche Vorgaben würden das verbieten, wird betont.
Leider eine Bestätigung
Die Premiere ist also in den Sand gesetzt. Und das ist demokratiepolitisch bedenklich: Jahrzehntelang hatte die Opposition mit guten Gründen um mehr Rechte für Untersuchungsausschüsse gekämpft und dafür, dass ein zentraler Fehler im System behoben wurde: Das Einsetzungsrecht ist vom einstigen Mehrheits- zum Minderheitsrecht geworden. Nun aber mutiert das hart erkämpfte Recht zur Blamage. Und das Tragische daran ist, dass nun ausgerechnet jene recht behalten, die stets davor gewarnt hatten, dass ein Untersuchungsausschuss zur politischen Bühne verkommen werde, bar jeden Inhalts – getrieben vom Willen, politisch das Maximale herauszuholen, selbst bei einem Minimum an Greifbarem. Ritsch hatte im Übrigen schon vor Einsetzung des Ausschusses erklärt, dass die Bank „wahrscheinlich keine illegalen Geschäfte betrieben“ habe. Heißt unterm Strich: viel Lärm um nichts. Und das bis zum 24. März 2017 – dann wird sich der Untersuchungsausschuss zu seiner letzten Sitzung finden, bevor die Sache auf Basis eines Abschlussberichts des Vorsitzenden im Landtag nochmals diskutiert wird. Beim derzeitigen Stand der Dinge wird das eine recht inhaltsarme Debatte werden.
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