Rudolf Öller

Dinge, die ein Mitglied einer katholischen Studentenverbindung niemals sagte: Ohne Juda, ohne Rom wird gebaut Germaniens Dom

März 2018

Gesagt hat das ein gewisser Georg Schönerer, unter anderem „Führer“ der „Alldeutschen“ (Deutschnationale Bewegung) und Reichsrat sowie Mitglied mehrerer Burschenschaften (Libertas Wien, Germania Innsbruck, Teutonia Wien, Gothia Wien) und handfester Antisemit („ohne Juda“) und Anti-Katholik („ohne Rom“). Dabei sieht man schon, wes Geistes Kind Schönerer und Konsorten sind, damals und zum Teil bis heute. Wobei die Sehnsucht nach einem Großdeutschland heute oftmals in der verbrämten Form der „deutschen Kulturnation“ oder ähnlichem Geschwätz daherkommt.

Die ersten katholischen Verbindungen wurden ab Mitte des 19. Jahrhunderts als Gegenbewegung zu den antiklerikalen und deutschnationalen Burschenschaften gegründet (1844 Katholische Deutsche Studentenverbindung Bavaria Bonn, in Österreich: 1860 Akademische Verbindung Helvetia Oenipontana als Ableger des Schweizerischen Studentenvereins beziehungsweise 1864 Akademische Verbindung Austria Innsbruck). Die Mitglieder der Burschenschaften und katholischen Verbindungen sahen sich – damals wie heute – auf den ersten Blick relativ ähnlich, in ihren Werten und Idealen unterscheiden sie sich jedoch deutlich.

Das kann man auch aus unverdächtiger Quelle hören. Andreas Peham vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes meint gegenüber der Tageszeitung „Der Standard“: „Bei aller Ähnlichkeit im äußeren Erscheinungsbild gibt es ganz zentrale Unterschiede. (...) Einmal proösterreichisch, das andere Mal antiösterreichisch, deutschnational.“ Und: „Die katholischen Verbindungen, wie der Name es sagt, haben das Christentum zum Prinzip. Bei den Deutschnationalen fehlt dieser positive Bezug auf die christliche Religion.“

Nachdem seit Beginn des 20. Jahrhunderts an den österreichischen Hochschulen regelmäßig schwere Schlägereien zwischen katholischen und deutschnationalen Verbindungen – sogar mit Toten – stattgefunden hatten, wurde auch der österreichische Kanzler Engelbert Dollfuss, selbst Mitglied mehrerer katholischer Verbindungen, beim letztlich erfolglosen Juliputsch 1934 von Nationalsozialisten ermordet. Unter anderem deshalb haben katholische Verbindungen bis heute Mühe in der Aufarbeitung des diktatorischen Ständestaates, was ihnen auch oftmals vorgeworfen wird. Andererseits wird es schwierig sein, in den 1930er-Jahren des vorigen Jahrhunderts lupenreine Demokraten in Österreich (und anderen europäischen Ländern) zu finden. Der angebliche Anhänger der parlamentarischen Demokratie, Sozialdemokrat und bis heute Namensgeber der SPÖ-Akademie, Karl Renner, hat den Anschluss Österreichs an Hitlerdeutschland 1938 „freudig“ begrüßt, was Sozialdemokraten bis heute systematisch verdrängen.

Als Hitler am 13. März den Anschluss Österreichs an das nationalsozialistische Deutschland erklärte, begann praktisch gleichzeitig die Verfolgung und Bekämpfung aller österreichtreuen und patriotisch gesinnten Österreicher, wobei die Mitgliedschaft in einer katholisch-österreichischen Verbindung bereits Ausdruck der „Feindschaft und des Verrates am deutschen Volk“ war. In diesem Zuge wurden alle katholischen Verbindungen aufgelöst, jedes weitere Wirken strengstens verboten und sämtliche Verbindungshäuser geplündert und besetzt. Trotzdem bestanden die meisten Verbindungen im Untergrund zunächst weiter. Es gelang 1940 sogar, eine Widerstandsverbindung zu gründen, die Katholisch Österreichische Hochschulverbindung Alpinia Innsbruck, deren Mitglieder unter anderem aktiv an der Befreiung Innsbrucks 1945 mitwirkten. Die Alpinia Innsbruck existiert noch und ist heute eine ÖCV-Verbindung.

Die Burschenschaften und deutschnationalen Verbindungen in Österreich dagegen lösten sich mit dem Anschluss meist freiwillig auf und ihre Mitglieder traten – oftmals „freudig“ – in die Kameradschaften innerhalb des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes ein.

Nach den dunkelsten Stunden Österreichs, eigentlich der ganzen Welt, mitsamt der unbeschreiblichen Gräueltaten des NS-Regimes und seiner Helfer, folgte in Österreich und Deutschland die „Entnazifizierung“. Mehr schlecht als recht, wie historisch Gebildete nicht erst seit der Kreisky-Peter-Wiesenthal-Affäre wissen.

Politikwissenschaftler Bernhard Weidinger: „Im Großen und Ganzen kann man durchaus sagen, dass auch im Vergleich mit anderen Organisationen die Entnazifizierung im CV [Anmerkung: eigentlich ÖCV, dem Verband von mittlerweile 49 katholischen österreichischen Hochschulverbindungen] relativ konsequent gehandhabt wurde.“ Auch das schaut, wie jüngste Ereignisse vermuten lassen, bei deutschnationalen Verbindungen und insbesondere bei Burschenschaften anders aus.

Natürlich kann man auch katholisch-österreichische Verbindungen als Hort des Konservativen ablehnen, wo seltsam gewandete und verbandelte Menschen in ihrer Bierseligkeit mancherlei Traditionen nachhängen. Was man seriöserweise nicht kann, ist, alle Verbindungen in einen Topf zu werfen und nicht zu differenzieren.

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