J. Georg Friebe

Geboren 1963 in Mödling, aufgewachsen in Rankweil. Studium der Paläontologie und Geologie in Graz mit Dissertation über das Steirische Tertiärbecken. Seit 1993 Museumskurator an der Vorarlberger Naturschau bzw. der inatura Dornbirn.

(Foto: © J. Georg Friebe)

Das Naturgedächtnis des Landes

Dezember 2014

Die Sammlungen der inatura geben Einblick in die Vielfalt der Lebewelt Vorarlbergs.

Museen sammeln. Naturmuseen sammeln anders. An die Stelle von aufgespießten Käfern, alkoholisierten Spinnen und gerupften Vögeln tritt zunehmend der digitale Datensatz. Statt ein totes Tier der Sammlung einzuverleiben, wird heute das lebende Tier im Bild festgehalten und in der Datenbank zur Artenvielfalt dokumentiert. Doch halt! Ist das nicht das Ende klassischer musealer Arbeit? Um diese Frage beantworten zu können, erlauben Sie einen kurzen Blick in die Vergangenheit.

Die Wurzeln der Museen reichen zurück in die Raritäten und Wunderkammern, in die Kunst- und Naturalienkabinette der Fürste und Äbte. Wahllos wurde zunächst alles zusammengetragen, was irgendwie außergewöhnlich schien. Doch bereits im Jahr 1620 forderte der Philosoph Francis Bacon: „Es wird nötig sein, eine Sammlung und Naturgeschichte aller Monstrositäten und wunderbaren Naturentwicklungen zu entwerfen, ja von allem Neuen, Seltenen und Ungewohnten in der Natur.“ Die Richtung war vorgegeben, und als Carl von Linné 1758 den ersten systematischen Katalog der Natur präsentierte, war der Weg frei für das enzyklopädische Museum. Der Versuch von Vollständigkeit und Ordnung prägte bis weit ins 20. Jahrhundert das Bild einer naturwissenschaftlichen Museumssammlung. Als der Dornbirner Fabrikant Siegfried Fussenegger kurz nach dem Ersten Weltkrieg begann, die Natur Vorarlbergs zu dokumentieren, hatte er dieses Bild vor Augen. Bei den Versteinerungen konnte er es nie überwinden. Doch bei der Tier- und Pflanzenwelt ging er neue Wege. In der Ausstellung inszenierte er die Natur in Dioramen, und die Studiensammlung wanderte ins Depot. Kein Museumsbesucher hätte sich für tausende wissenschaftlich präparierte Schmetterlinge interessiert.

„Was der Besucher nicht sieht, ist auch nichts wert“ – Wie oft hören wir Museumsmenschen diesen Satz! Doch genau das Gegenteil ist der Fall: Die naturwissenschaftlichen Sammlungen gehören mit zu den größten Schätzen jedes Landes. Zu den „Monstrositäten und wunderbaren Naturentwicklungen“ sind längst die Wunder des Alltags getreten. Sie umgeben uns täglich, und wir nehmen sie nicht wahr. Alles schaut gleich aus. Erst wer sich Zeit nimmt und den Blick schärft, erkennt die Unterschiede. In der Museumssammlung wird diese ungeheure Vielfalt dauerhaft dokumentiert. Sie zeigt, welche Tiere und Pflanzen einst hier heimisch waren, und sie erlaubt Vergleiche mit dem Heute. Veränderungen werden sichtbar. Die Inventarisierung der Natur wird niemals abgeschlossen sein. Manche Tier- und Pflanzenarten verschwinden, andere kommen neu hinzu. Die Aufgabe eines Naturmuseums ist es, für jeden Zeitabschnitt ein repräsentatives Inventar unserer Mitwelt zu erstellen und für künftige Generationen zu bewahren.

Die inatura Erlebnis-Naturschau in Dornbirn unterscheidet sich hier nicht von anderen Naturmuseen. In der Ausstellung begegnet uns inszenierte Natur. In der Studiensammlung als naturwissenschaftliches Gedächtnis Vorarlbergs hingegen lagern dauerhaft zehntausende Belege zur Naturvielfalt unseres Landes. In die Hunderttausende aber gehen die Einträge in der Datenbank. Nur bei schwer bestimmbaren Arten sowie für genetische Untersuchungen („DNA Barcoding“) wird noch ein Beleg entnommen. In den meisten Fällen genügt ein Foto. Nicht zuletzt stünde es im Widerspruch zum Naturschutz, jedes beobachtete Tier auch gleich zu töten. Am Grundauftrag von Francis Bacon hat sich nichts geändert, und die inatura folgt ihm mit den Mitteln des 21. Jahrhunderts.

Ihre Mithilfe ist gefragt: Wir freuen uns über Beobachtungsmeldungen aus Vorarlberg an naturschau@inatura.at. Wichtig sind – neben einem aussagekräftigen Foto – der möglichst genaue Beobachtungsort und das Datum sowie Angaben zum Finder. Was wir auf Artniveau bestimmen können, findet Eingang in unsere Datenbank!

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