Andreas Dünser

Chefredakteur "thema vorarlberg" (andreas.duenser@themavorarlberg.at)

„Die einen reden über Chancen, die anderen über Probleme“

Juli 2025

Über die Plattform V kooperieren renommierte Vorarlberger Unternehmen. In unternehmensübergreifender Zusammenarbeit entstehen dort innovative Lösungsansätze in vielfältigen Themenbereichen. Unternehmer Hubert Rhomberg, Gründervater der Plattform, sagt im Interview, warum in solchen wirtschaftlichen Ecosystemen die Zukunft liegt – und auf wen man bei der Suche nach Neuem keine Rücksicht nehmen sollte.

Herr Rhomberg, was ist die Plattform V? Was war der Gründungsgedanke? 
Die Plattform V ist eine Antwort auf die sich beschleunigende Welt und auf die zunehmende Komplexität. Es ist eine Tatsache, dass ein Unternehmen alleine gar nicht mehr in der Lage ist, mit diesen Entwicklungen schnell genug Schritt zu halten und notwendige Erfahrungen zu sammeln. Wenn sich aber mehrere Unternehmen gegenseitig vertrauen und ihre gemeinsamen Interessen auch gemeinsam bearbeiten, dann ist das etwas anderes. Und das ist der große Mehrwert dieser Plattform: Die Mitglieder tauschen sich in unseren Schwerpunktthemen aus und lernen gemeinsam, und das viel schneller, weil viel mehr Erfahrung zusammenkommt, insbesondere im digitalen Bereich. Ein solches Format gibt es übrigens nur in Vorarlberg. Um diese Plattform beneiden uns viele. Universitäten kooperieren gerne mit uns, auch die ETH Zürich, weil diese Plattform das gesamte multi-industrielle Knowhow einer Region bietet. Ein Konzern, der alleine größer wäre als all unsere Partnerunternehmen zusammen, wäre niemals so interessant.

Und warum gibt es nur in Vorarlberg eine solche Plattform?
Das braucht eine etwas längere Antwort. Wir sind extrem exportorientiert und weltoffen. Der Bevölkerungsanteil Vorarlbergs an der Gesamtbevölkerung Österreichs beträgt rund 4,5 Prozent, der Exportanteil Vorarlbergs am gesamtösterreichischen Export liegt bei etwas über sechs Prozent. Und daher haben wir auch viel internationale Erfahrung. Unsere Unternehmen bringen aus ihren Niederlassungen in anderen Ländern viele neue Ideen mit. Es entsteht eine Dichte an Wissen, weil unsere Unternehmen eben nicht nur lokal, sondern auch international tätig sind. Und dazu kommt, dass unsere Unternehmen – die, gemessen an der Größe des Landes, gewichtig sind – in keinem Konkurrenzverhältnis zueinander stehen. Die Eigentümer der Unternehmen kennen und vertrauen sich. Es sitzen Topführungskräfte im Vorstand, auch das zeichnet die Plattform aus. Das ist nicht Abteilung 33, die sich da um Projekt Nummer zwölf kümmert. 

Wäre denn eine solche Kooperation unter Wettbewerbern auch möglich?
Es wäre auch möglich, aber schwieriger. Übrigens gründe ich nach dem Vorbild der Plattform V gerade eine Plattform für AI und Robotics. Der Hintergrund ist die Tatsache, dass ein Roboter in einer Firma halt nur so viel lernt, wie er zu tun hat. Vielleicht wird er dort auch nur die halbe Zeit eingesetzt, weil es zu wenige Anwendungsfälle gibt. Ein Unternehmen alleine kann also gar nicht genügend Trainingsdaten für einen Roboter haben. Wenn dagegen einhundert Roboter in 20 Unternehmen tätig sind, und alle einhundert Roboter gleichzeitig alles voneinander lernen, entsteht sehr schnell ein riesiges kollektives Wissen. Ein Wissen, das mit jeder Sekunde wächst. Das ist das Neue.

Ist der Unternehmer, der nur auf sich schaut und sich nicht vernetzt, in dieser neuen Welt hilflos?
Für den Friseur in Dornbirn ist das kein Problem. Oder für den, der eine bestimmte Nische perfekt bedient. Wenn man aber ein größeres Unternehmen hat und einen entsprechenden Apparat aufrecht erhalten muss, ist die Sache eine andere. Dann wird Umschwenken sehr schwer. Größere Firmen können nur überleben, wenn sie zumindest in Teilbereichen flexibler werden, und sich über Kooperationen sehr schnell Wissen von anderen holen und dann in das eigene Unternehmen integrieren können. So funktioniert die Plattform V.

Auf der Homepage steht, die Plattform beschäftige sich mit Themen, die „für die Mitglieder von höchster Relevanz“ seien, etwa mit neuen Technologien, mit KI. Oder auch: Mit Cybersecurity.
In Sachen Cybersecurity ist bereits ein klarer Mehrwert für alle beteiligten Partnerunternehmen entstanden. Hat ein Unternehmen einen Verdachtsfall, werden mittels eines Frühwarnsystems alle anderen alarmiert. Vorsicht, heißt es dann, passt auf! Sofort bildet sich ein Expertennetzwerk aus den IT-Chefs der Unternehmen. Was passiert hier? Was machen wir dagegen? Man findet eine Lösung, ein eigenes First-Response-Team sagt umgehend, was zu tun ist. Das ist nur ein Beispiel, es gibt viele weitere, die zeigen, dass im Rahmen dieser Plattform wirklicher Mehrwert für die Beteiligten entsteht. Das gilt auch für andere Bereiche. 

Gibt es weitere Vorteile solcher Kooperationen?
Ein Unternehmer hat ein Problem oder eine Idee, zahlt einen Consultant und bekommt von dem eine Lösung oder einen Vorschlag. Bei der Plattform ist das anders: Da werden die Ideen und die Probleme miteinander geteilt, da gibt’s eine gemeinsame Lösung und Manpower und Geld. Und im Prinzip geht es darum: Vom einzelnen Unternehmen zu einem Ecosystem zu kommen, also zu einem System, in dem Unternehmen zusammenarbeiten. Wir sehen solche Systeme als die Zukunft, es werden auch Firmen und Start-ups aus solchen Kooperationen entstehen. Wenn drei, vier Unternehmen ein gemeinsames Problem ausfindig machen und gemeinsam eine Lösung entwickeln, die allen hilft, warum sollten sie diese Lösung nicht auch einhundert anderen Unternehmen anbieten? Warum sollten sie kein Geschäftsmodell daraus machen? Das ist eine Innovationsmaschine. Zudem …

Ja, bitte?
Mangelndes Kapital, mangelnde Start-up-Kultur, all die Probleme, die wir in Europa haben und die es in den USA nicht gibt, könnten mit solchen Ecosystemen überwunden werden: Die erste Anschubfinanzierung für ein neues Geschäftsmodell ist bereits automatisch gegeben, wenn die Problemlösung gemeinsam erarbeitet wird, es gibt Referenzunternehmen und auch schon ein funktionierendes Produkt: Also kann man raus auf den Markt, da finde ich immer einen Mitinvestor. Es gibt ja kein Entwicklungsrisiko mehr. Wobei die Mitglieder der Plattform da natürlich einen First Call haben; sie können entscheiden, ob sie investieren. Ein solches Ecosystem ist ein Inkubator. Es geht uns nicht um Company-Building. Ich will nur sagen: Jeder hat dann die Freiheit, damit etwas zu tun!

Wie beginnt der Prozess? Wie entsteht im Rahmen der Plattform Neues?
Wir haben verschiedene Formate. Im Rahmen eines Frühstücks werden mögliche Ideen ganz locker vorgestellt und diskutiert, und nur wenn etwas von Interesse ist, wenn etwas Mojo hat, dann machen wir was draus. Das ist sehr effizient. Wir haben eine Struktur, die zwar der eines Vereins gleicht, die aber extrem gut gemanagt wird. Wir müssen keine Rücksicht nehmen. Unser Fokus liegt auf der Ausführung.

Soll heißen?
Wer rumsempert, ist halt nicht dabei. Wenn da einer langsamer machen will und sicherheitshalber auch noch die Behörde X mitnehmen will, dann soll er das tun. Wir gehen derweil weiter. Man sollte das auch im Unternehmen so handhaben. Der Zug fährt um 14 Uhr ab. Alle sind eingeladen, einzusteigen. Wer nicht einsteigen will, muss nicht einsteigen. Aber was nicht geht, ist, dass einer sagt: Mir geht das zu schnell, ich will, dass der Zug erst um 16 Uhr fährt. Was können denn die Anderen dafür, dass der keinen Bock hat, um 14 Uhr loszufahren? Oder wenn einer sagt, er könne sich etwas nicht vorstellen: Soll denn die mangelnde Vorstellungskraft eines Einzelnen relevant sein? Was können denn die Anderen für die beschränkte Vorstellungskraft eines Einzelnen? 

Der mit der beschränkten Vorstellungskraft schafft den Zug um 14 Uhr also nicht?
Der passt auch nicht in diesen Zug. Falscher Vibe. Dem gefällt die Musik nicht auf diesem Zug, glaub‘ mir das. Er muss auch gar nicht mitfahren. Es fährt auch ein Zug am nächsten Tag. Der fährt halt irgendwo anders hin. 

Sprechen wir noch über KI?
Das betrifft mehr oder weniger alle, und da ist es wichtig, ganz schnell Anwendungsfälle auszutauschen. Wobei ich nur über das rede, was funktioniert, nicht über die Halluzinationen, da kannst du tausend Jahre diskutieren. Und wenn mir jemand sagt, da ist ja eine von zehn KI-Antworten falsch, sage ich: Mich interessieren auch nur die neun richtigen Antworten. Die falsche interessiert mich nicht, über die rede ich gar nicht. Aber es gibt eben zwei Typen von Menschen: Die einen reden über das Problem, die anderen über die Chance. Als Unternehmer weiß man dann sehr genau, wem man eine Aufgabe gibt.

Gemeinsam zu lernen, das scheint eines der zentralen Anliegen der Plattform zu sein.
Ja. Das ist auch die größte Chance. Es geht darum, was man miteinander und voneinander lernen kann, wenn man sich vernetzt. Darin liegt die Zukunft der Ausbildung. Was man heute auf Universitäten lernt, ist doch völlig sinnlos. Sorry. Aber was man dort in fünf Jahren mühsam lernen muss, bekommt man von der KI heute in wenigen Augenblicken geliefert. Die Studenten sollten sich mit etwas anderem beschäftigen, mit KI und Selbstdenken und Philosophie. Das wäre meine Empfehlung. 

Vielen Dank für das Gespräch!

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