Edgar Eller

Geschäftsführer Montforthaus und Tourismus Feldkirch

Urs Treuthardt

Gründer der Agentur occursus.eu

Gerhard Stübe

Geschäftsführer Festspielhaus Bregenz, Co-Initiator LandStadt Vorarlberg

Provinz ist das, was wir daraus machen

November 2025
Im Jahr 2004 wurde mit dem Projekt „Vision Rheintal“ ein Meilenstein in der Entwicklung des Rheintals gesetzt. Unter dem Titel „29 Gemeinden – ein Lebensraum“ versuchte man, die Fläche zwischen Feldkirch und Bregenz erstmals zusammenhängend zu denken. Ein räumliches Experiment, getragen vom Willen zur Kooperation und finanziert von Land und Gemeinden mit einem symbolischen Euro pro Einwohner und Jahr.
Doch auch wenn das Projekt von Anfang an befristet war, drängte sich am Ende ein seltsames Gefühl auf: Just in dem Moment, als alle Studien geschrieben, viele Karten gezeichnet und zahlreiche Workshops abgehalten waren – als aus Gedanken endlich konkrete Projekte hätten werden können – lief das Ganze aus. Leise, fast beiläufig.
Etwa zur selben Zeit entwickelte sich an verschiedenen Ecken im Land die Frage nach der Qualität dieses seltsamen Zwischenraums neu. Angetrieben vom Begriff der „progressiven Provinz“ entstand ein weiteres Projekt: LandStadt Vorarlberg. Ein erster Anstoß kam vom Festspielhaus Bregenz mit der Idee, einen Kongress auszurichten, der sich dem Wesen dieses besonderen gemeinsam genutzten Raums widmen sollte. Was folgte, war keine Institution, sondern eine zunächst lose Projektgruppe. Begleitet vom damaligen Büro für freiwilliges Engagement und Beteiligung, das damals noch den treffenderen Namen „Büro für Zukunftsfragen“ trug. Gemeinsam begab man sich auf die Suche nach dem, was diesen Raum im Innersten zusammenhält. Eine Region, die beides ist: urban und dezentral, gemeinschaftlich und eigenständig.
Die LandStadt war mehr als nur ein Planungskonzept. Sie war eine Haltung, ein Möglichkeitsraum. Doch mit der Auflösung des FEB wurde auch die LandStadt – oder zumindest ihr institutioneller Rahmen – herrenlos.
 
Trägt da noch was?
Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich. Auffällig ist, dass auch das Ende des LandStadt-Prozesses – ähnlich wie das der „Vision Rheintal“ – kaum Resonanz hervorrief. Keine Institution, keine politische Kraft schien die Erkenntnisse und den begonnenen Weg so sehr zu vermissen, dass sie sich für eine Weiterführung stark gemacht hätte.
Und wieder stellt sich die Frage: Warum begeistert diese Idee so viele und findet dennoch keinen realpolitischen Niederschlag?
Rückblickend stellt sich auch für uns als damalige Beteiligte eine unbequeme Frage: Haben wir, trotz guter Absichten und fundierter Inhalte, in unseren Rollen und institutionellen Zusammenhängen zu wenig reflektiert mit den Entscheidungsträgern gearbeitet? Hätten wir womöglich früher erkennen müssen, dass wir mit unseren Anliegen nicht durchdringen würden?
Wir sind aber auch davon überzeugt: Nicht Strukturen beenden Veränderung, sondern die Frage, ob noch Energie im Raum ist. Dieser Energie wollen wir weiterhin nachspüren und ausloten, ob daraus noch etwas entstehen möchte. Denn es entstand in all den Projekten Substanz, aber wenig Wirkung. In einer ersten Gesprächsrunde gingen wir daher noch einmal der Spur dieses Raumes nach.
 
Fragen an einen Raum, der mehr sein will als Verwaltung:
›› Worin läge die Kraft einer LandStadt – und was unterscheidet sie von ihrem Gegenteil?
›› Ist das Rheintal wirklich anders oder wollen wir uns nur nicht eingestehen, Provinz zu sein?
›› Was fehlt: Institutionen, Mut – oder schlicht eine Vorstellung davon, was das Rheintal sein könnte?
›› Gibt es ein »Wir« im Rheintal? Und wenn ja, wer formt es?
›› Braucht der Zwischenraum eine neue Sprache – oder politische Konsequenz?
›› Ist der Druck zur Kooperation noch nicht groß genug? Sollte das Rheintal als eine Gemeinde gedacht werden – oder ist die Eigenständigkeit der Kommunen trotz leerer Kassen in Ordnung?
 
Was sich bereits am ersten Abend zeigte: Die LandStadt ist nicht tot. Sie ist nicht verschwunden. Aber sie hat kein Gefäß. Falls sie überhaupt eines braucht. Vielleicht ist sie in erster Linie ein gemeinsames Erinnern an Möglichkeiten.
Denn das ist die LandStadt auf jeden Fall: Der Versuch, das in Vorarlberg vorhandene Potenzial in einen Gedanken zu fassen. Die Möglichkeit zur Kooperation und Kollaboration auf politischer Ebene – auch wenn das System noch an alten Strukturen festhält. Die Möglichkeit zur Offenheit und Diversität, wenn die medial vermittelte Welt wieder eindimensionaler wird. Die Möglichkeit des Mutes, wenn man spürt: Da geht noch etwas.
Vielleicht braucht es keine neuen Strukturen und keine perfekten Pläne.
Vielleicht genügt eine gemeinsame Vorstellung davon, was dieser Raum sein könnte. Jenseits von Verwaltungsgrenzen und Zuständigkeiten. Die LandStadt war nie nur ein Projekt. Sie war ein Denkversuch. Und vielleicht ist sie das noch immer: Die Ahnung eines anderen Miteinanders und der Impuls, im eigenen Wirkungsbereich neu hinzuschauen.
Was wäre also, wenn das Rheintal nicht bloß als Verkehrskorridor und Ansammlung von Gemeinden wahrgenommen würde, sondern als gestaltbarer Raum mit gemeinsamer Verantwortung? Wenn Kooperation nicht erst dann zur Option wird, wenn nichts anderes mehr geht. Sondern schlicht, weil sie das Bessere ermöglicht?
Solange diese Idee weitergetragen wird – in Gesprächen, Konflikten, Allianzen – ist die LandStadt nicht vorbei. Sie taucht dort auf, wo Menschen mehr sehen als das Gegebene und zeigen: Es geht auch anders. Vielleicht braucht sie dann kein neues Gefäß. Vielleicht reicht der Mut, neu zu fragen. Und die Bereitschaft, gemeinsam zu antworten.
Alle Erkenntnisse der LandStadt können übrigens hier noch nachgelesen werden: www.landstadt-vorarlberg.at

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