Herbert Motter

Stillstand regiert – der Amtsschimmel wiehert weiter

August 2014

In Zeiten knapper Kassen ist Effizienz das oberste Gebot. Was jeder Unternehmer weiß, wird vom Verwaltungsstaat Österreich hartnäckig ignoriert. Es bleibt nur die Hoffnung auf eine entfesselte Wirtschaft und den Mut für Reformen.

Entfesselung der Wirtschaft“: Es war der Slogan des vergangenen Wahlkampfs schlechthin. Ein Jahr später entpuppt er sich als reine Wahlkampfplattitüde. Während der reformatorische Stillstand heute das Land „gefangen“ hält, droht die Wirtschaft im Bürokratiesumpf zu ersticken. Selbst derjenige, der diesen „heroischen“ Worten letztendlich keine Taten folgen ließ, hat die politische Bühne inzwischen entnervt verlassen. Die aktuelle Regierung ist nicht die erste, die verspricht, die Unternehmer vom Joch überbordender Bürokratie und erdrückender Steuerlast zu befreien. Schwarz auf weiß steht es auch diesmal im Regierungsprogramm: „Zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit müssen entlastende Maßnahmen gesetzt werden. Im Mittelpunkt steht dabei die Reduzierung des Verwaltungsaufwandes sowie eine Entbürokratisierung.“

Doch gerade am Fehlen jenes Mutes, der von jeder neuen Regierung so sehnsüchtig erwartet wird, und am leidigen parteipolitischen Gezanke scheitert immer wieder die Umsetzung der in Schubladen schlummernden Lösungsvorschläge. Selbst der deutsche Altkanzler Gerhard Schröder kommt im Rahmen des Wirtschaftsforums Ende 2013 in Bregenz zu einer späten Selbsterkenntnis: „Politik muss den Mut zu Reformen haben, auch wenn es schmerzt.“ Schröder spricht vom Mut, der über das Klienteldenken und Legislaturperioden hinausgeht.

Neben dem reformatorischen Stillstand erzürnen Intransparenz, Doppelgleisigkeiten und Unflexibilität der Behörden die Unternehmen laut einer OGM-Umfrage am meisten – vor allem, weil immer mehr Unternehmer in Meldepflichten, Genehmigungsverfahren, Verfahrensdauer für Bau- und Widmungsangelegenheiten und vielen weiteren bürokratischen Hürden einen Faktor sehen, der Arbeitskraft kostet und Investitionen vereitelt.

So verwundern Aussagen mittelständischer Unternehmer – wie etwa „die Regierung sollte zwei bis drei Jahre keine Gesetze ändern oder erlassen dürfen“ – nicht wirklich. In Kreisen der Interessenvertreter der Wirtschaft kursiert indes die Idee eines Bürokratie-Checks für Gesetze: Jedes Gesetz, das zusätzliche Bürokratie verursacht, darf nur dann in Kraft treten, wenn zugleich ein anderer Verwaltungsaufwand für Unternehmer gesenkt wird.

Belastungen und Hürden für die Wirtschaft wiegen gerade in konjunkturell fordernden Zeiten schwer: Österreich hat mit 44,6 Prozent des BIP die achthöchste Abgaben- und Steuerlast der Welt. Mit 50,8 Prozent des BIP hat unser Land die sechsthöchste Staatsquote (Anteil der Staatsausgaben an der gesamten Wirtschaftsleistung) der Welt. Die Sozialtransfer-Quote von 34,4 Prozent ist die höchste der EU. Die Abgabenbelastung der Betriebe liegt bei 53 Prozent des Unternehmensgewinns. Die Arbeitszusatzkosten machen bereits 48 Prozent der gesamten Lohnkosten aus. Die Freude am Unternehmersein in Österreich war schon mal größer. Wer nach Wahlen eine Entlastung des Faktors Arbeit, eine günstigere Abgabenquote oder eine groß angelegte Offensivstrategie für den Wirtschaftsstandort Österreich erwartet, wird meist bitter enttäuscht. Das Verschieben einer in Wahlkampfzeiten angekündigten Bundesstaats-, Bürokratie-, Verwaltungs-, Gesundheits-, Bildungs- und Pensionsreform hat längst System.

Mit seiner Aussage beim Wirtschaftsforum in Bregenz, dass es „eine zeitliche Lücke“ gebe zwischen dem Ja zu einer Reform und den positiven Auswirkungen der Reform, hat Schröder recht. Und genau darum geht es. Europas Konjunktur nimmt langsam Fahrt auf. Österreich hingegen droht den Zug zu verpassen und sich aus dem Klub der wohlhabenden Staaten zu verabschieden, wenn nicht rasch eine wirtschaftspolitische Perspektive und das Gefühl, dass es seit Langem wieder einmal in die richtige Richtung geht, neue Chancen offerieren. Doch solange das Land in der Hand der Besitzstandswahrer aller Couleur dahindümpelt, bleibt auch diesmal nur die Hoffnung, dass beim nächsten Mal alles anders wird.

 

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