Herbert Motter

Achtung, Ansteckungsgefahr!

September 2019

Die Wirtschaftsforscher korrigieren im Vierteljahresrhythmus die Wachstumsaussichten für Österreich nach unten. Beim Haupthandelspartner Deutschland fürchtet man schon eine Rezession.

Es ist kein großes Minus, dass die deutsche Wirtschaft für das Frühjahr ausweist. Ein Rückgang um 0,1 Prozent der Wirtschaftsleistung – das klingt zunächst nur nach einem kleinen Kratzer. Die aktuellen Detailzahlen zum Bruttoinlandsprodukt (BIP), die jetzt veröffentlicht wurden, offenbaren allerdings, dass die Misere doch schon ausgeprägter ist, als bislang vermutet. Besonders beim Export hat Deutschland kräftig eingebüßt. Um 1,3 Prozent sind die Ausfuhren im zweiten Quartal gesunken. Im Vorjahresvergleich verbuchte die Wirtschaft mit einem Minus von 0,8 Prozent sogar den stärksten Rückgang seit sechs Jahren.
Für die Experten sind die Gründe naheliegend: Handelsstreitigkeiten, Brexit und die generell schwächer werdende Weltwirtschaft. Der Welthandel ist durch die fortwährenden Handelsscharmützel zwischen den USA und China bereits ins Stocken geraten. Deutschland als Exportnation setzt das ganz besonders zu. Es gibt aber auch hausgemachte Gründe: Allen voran die Autobranche, eine Leitindustrie des Landes. Die Folgen des Dieselskandals wie strengere Abgasvorschriften und hohe Investitionen in alternative Antriebe machen den Herstellern, aber auch Zulieferern zu schaffen. Nicht zuletzt schwächelt Deutschlands Innovationskraft, auch mangels staatlicher Investitionen in die Infrastruktur.
Es besteht Ansteckungsgefahr. Zu eng sind die Verflechtungen mit unserem wichtigsten Handelspartner. 
Umfragen zeigen erste Eintrübungen. Immerhin ist ein Viertel von rund 1000 befragten Unternehmen aber mit der derzeitigen Situation im eigenen Betrieb etwas weniger zufrieden als zum definierten Vergleichszeitraum. Die globale Abkühlung der Konjunktur habe, so Experten der UniCredit Bank Austria, bereits in der zweiten Hälfte des Vorjahres eingesetzt. Daher rechnet die Bank Austria nach dem realen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 2,7 Prozent im Jahr 2018 in Österreich für heuer nur mehr mit einem BIP-Plus von 1,4 Prozent.

Überbordender Bürokratie entgegensteuern

Um dieser Entwicklung entgegenwirken zu können, erwarten sich die heimischen Unternehmen Unterstützung durch die neue Regierung beim Abbau von Bürokratie (97 Prozent nennen dies als sehr wichtig oder wichtig). Auch die Senkung der Steuer- und Abgabenlast steht ganz oben: Die Senkung der Lohnnebenkosten ist für 88 Prozent sehr wichtig oder wichtig, ebenso die Senkung der Einkommenssteuer (88 Prozent). Die Sicherung des Fachkräftebedarfs nennen 91 Prozent sehr wichtig (51 Prozent) oder wichtig (40 Prozent). Investitionen in Aus- und Weiterbildung sind 91 Prozent sehr wichtig bzw. wichtig. 
„Der konjunkturelle Zenit ist auch bei uns überschritten, die Betriebe stellen sich auf schlechtere Zeiten ein“, folgert WKV-Präsident Hans-Peter Metzler und fordert von der nächsten Bundesregierung ein rasches Gegensteuern: „Denn nichts zu tun, wäre Gift für den Lebens- und Wirtschaftsstandort.“ Die österreichischen Unternehmen ächzen besonders auch unter dem massiven Steuerdruck. Wie ein aktueller europaweiter EU-Vergleich jetzt beweist, aus guten Gründen. Betrachtet man nämlich den effektiven Steuersatz – also das, was Betriebe hierzulande tatsächlich an den Staat abführen – liegt Österreich ganze 17 Prozent über dem EU-Schnitt. Das ist der unrühmliche 8. Platz innerhalb der EU-28. „Die vergangene Bundesregierung hat die Weichen in die richtige Richtung gestellt. Die Umsetzung der Entlastungsmaßnahmen für Unternehmen darf jetzt nicht an das Ende des Aktionsplanes gesetzt werden. Die EU-Vergleichszahlen zeigen deutlich, dass die Wirtschaft in Zeiten von abnehmender Konjunktur schnellstmöglich ein spürbares Entlastungssignal braucht“, sagt Hans-Peter Metzler. Es sei alles zu tun, um die Betriebe weiter zu unterstützen durch bürokratische Entlastung und eine Steuerreform, die besonders auch bei den Arbeiternehmer/-innen ankomme. Zusätzlich müsse intensiv in Bildung und Innovation investiert werden. 
Was für Unternehmen zähle, sei Vertrauen und Planbarkeit der Rahmenbedingungen.

Verstimmung

„Konkret zeigt sich, dass die Unternehmen zunehmend vorsichtiger agieren, bei Investitionen abwarten und auch die Beschäftigung nicht in dem starken Ausmaß wie bisher ausgeweitet wird. Die gestiegenen Risiken sind zur Realität geworden und drücken auf die Stimmung der Unternehmen. Die Eintrübung in den Erwartungen erfasst Unternehmen aller Größenklassen und alle Wirtschaftsbereiche mit Ausnahme der Bauwirtschaft“, erklärt Christoph Schneider, Leiter der Abteilung für Wirtschafts- und Handelspolitik in der Wirtschaftskammer Österreich.
Gerade aktuell sei die Unsicherheit sehr hoch und auch die weitere Entwicklung von vielen Faktoren abhängig, die die Unternehmen selbst nicht beeinflussen können. Schneider: „Je gefestigter die Unternehmen in der Einschätzung und den Erwartungen des Wirtschaftsklimas sind, desto eher steigt die Bereitschaft, den Personalstock auszubauen und Investitionen zu tätigen.“
Noch hält die starke Inlandsnachfrage, besonders der private Konsum, die Konjunktur in Österreich hoch. Wie lange noch?

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