Benger – Pionier in alten Zeiten
Das Wirtschaftsarchiv Vorarlberg erschließt derzeit ein weiteres Kapitel heimischer Industriegeschichte: Historische Schriften des ehemaligen Textilunternehmens Benger in Bregenz werden aufgearbeitet und öffentlich zugänglich gemacht.
Vor rund 130 Jahren entstand in Bregenz das bis heute bekannte Benger-Areal. Die hohen Einfuhrtarife der Habsburgermonarchie führten damals dazu, dass sich etliche ausländische Unternehmen hier niederließen – so auch der Stuttgarter Wirkwarenhersteller Wilhelm Benger Söhne. Mit einer Produktion vor Ort konnte man den großen Markt der Monarchie zollfrei beliefern.
Im später eigenständigen Bregenzer Betrieb liefen zunächst 50 Rundwirkstühle und acht Dampfnähmaschinen. Mit Wäscheerzeugnissen in Lizenz des Mediziners Dr. Gustav Jäger war Benger ein Pionier auf dem Gebiet der Wellness-Textilien. 1911 führte man eine Technologie aus den USA ein, um Feinstrickwäsche und Bademode zu produzieren. Die unter dem Namen Ribana vermarkteten Erzeugnisse wurden zu einem Aushängeschild des Unternehmens und fanden sogar in Übersee Absatz. In der Zwischenkriegszeit expandierte Benger in die Nachfolgestaaten der vormaligen Monarchie. Diese Niederlassungen gingen allerdings nach dem Zweiten Weltkrieg wieder verloren.
Aufgrund des Arbeitskräftemangels produzierte Benger ab den 1950er-Jahren in mehreren Zweigniederlassungen im Bregenzerwald und im Oberland. Allein im Bregenzer Stammwerk arbeiteten 1968 rund 500 Personen, weitere 300 in Wiener Niederlassungen. Der Bregenzer Betrieb bestand aus Wirkerei, Färberei, Ausrüstungs- und Konfektionsabteilung sowie einer Näherei. Das Sortiment reichte von Wäsche und Bademode über Schlafanzüge und Pullover bis hin zu Sport- und Freizeitbekleidung.
Die zunehmenden Schwierigkeiten in der Textilbranche setzten schließlich auch Benger zu. 1984 erfolgte der Verkauf des Bregenzer Unternehmens an den Götzner Bekleidungshersteller Huber Tricot. In der Folge wurde die Produktion von Bregenz an dessen Standort verlagert. Die Marke Benger wechselte mehrfach den Eigentümer und wird derzeit von Hervis genutzt. Ein Teil der historischen Unterlagen und Textilien befindet sich heute im Archiv des Unternehmens Huber.
Aus dem Privatbesitz der Gründernachfahren Herbert und Dorit Benger erhielt das Wirtschaftsarchiv Vorarlberg vor einiger Zeit einen umfangreichen Schriftbestand. Neben historischen Protokollen, Briefen und Geschäftsberichten sind auch Baupläne, Produktbeschreibungen und sozialgeschichtliche Unterlagen enthalten. Anhand dieses Bestands lässt sich die Entwicklung eines bedeutenden heimischen Textilunternehmens mit all seinen Höhen und Tiefen über ein Jahrhundert lang nachvollziehen. Derzeit werden die Dokumente in einem Verzeichnis erfasst, das nach Fertigstellung via Internet frei zugänglich sein wird. Als Projektmitarbeiterin für die Erschließung konnte das Wirtschaftsarchiv Christine Schurr gewinnen – die Textilingenieurin war selbst mehrere Jahre beim Unternehmen Benger tätig.
Der Schriftbestand ist eine spannende Ergänzung zu den bereits im Archiv vorhandenen rund 500 Benger-Badeanzügen aus dem vergangenen Jahrhundert. Diese sind übrigens schon jetzt auf der Internetseite des Wirtschaftsarchivs Vorarlberg unter www.wirtschaftsarchiv-v.at zu bestaunen.
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