Sabine Barbisch

Eine neue Welt in der alten …

März 2021

Mit einem Co-Making Space für Tischler gehen Werner Tauscher und Andy Keel neue Wege in einer traditionsreichen Branche: „Bei unserem Konzept steht das Miteinander im Mittelpunkt, so wollen wir das Handwerk zukunftsorientiert voranbringen.“

Dass neue Formen der (Zusammen-)Arbeit nicht nur für Start-ups und wissensbasierte Dienstleister, sondern auch für die Handwerksbranche attraktive Möglichkeiten bieten, zeigen Werner Tauscher und Andy Keel mit ihrem Co-Making Space in Dornbirn.
„Das Ganze ist entstanden, weil wir als kleiner Tischlereibetrieb vor der Situation standen, den teuren Maschinenpark nie ganz auslasten zu können“, erzählt Werner Tauscher. Er ist ausgebildeter Tischler, Geschäftsführer der Tischlerei Timberline und zu 50 Prozent am Co-Making Space Dornbirn beteiligt. Als Lösung stand die Aufstockung auf bis zu zehn Mitarbeiter im Raum – oder eben eine Neuausrichtung des Betriebs: „Wir haben uns gegen die erste Variante entschieden, weil die Auftragslage immer schwankt, dieses Risiko wollten wir nicht eingehen. Also sind wir auf die Idee gekommen, zusammen mit anderen Schreinern ein gutes Netzwerk in Vorarlberg aufzubauen. Vor eineinhalb Jahren hat sich in Dornbirn Bobletten eine Möglichkeit zur Umsetzung des Projekts ergeben: In der ehemaligen Zech-Halle ist das Co-Making Space Dornbirn entstanden. „Bei unserem Konzept steht das Miteinander im Mittelpunkt, so wollen wir das Handwerk zukunftsorientiert voranbringen“, sagt Tauscher. Die Stadt Dornbirn, der das Gebäude gehört, stehe hinter dieser Idee und habe, neben anderen Partnern, zur erfolgreichen Verwirklichung beigetragen.

Gemeinsam stärker

Konkret heißt das, dass neben dem sechsköpfigen Timberline-Team mehrere Einzelschreiner eingemietet sind; daneben gibt es noch den Kleinbetrieb Luminoso und die Bregenzer Festspiele, die im Co-Making-Space ihre individuellen Projekte umsetzen. Aktuell sind noch zwei Einzelplätze für Tischler frei, bis Mitte 2021 soll die Produktionsstätte laut den Betreibern komplett belegt sein.
Die Produktionsfläche für die unterschiedlichen Betriebe ist rund 1150 Quadratmeter groß, den Mietern steht der gesamte Maschinenpark der Firma Timberline zur Verfügung; vielfach gebrauchte Maschinen wie Kreissägen oder Hobelmaschinen sind doppelt bestückt, damit auch parallel damit gearbeitet werden kann. Auch eine CNC-Maschine gibt es; wer keine Ausbildung dafür hat, kann das Know-how der Timberline-Mitarbeiter hinzuziehen. Ein komplett neu gebauter Spritzraum vervollständigt die benötigte Infrastruktur. Die Mieter des Co-Making Space Dornbirn können also die gesamte Infrastruktur der Halle nutzen, ihnen stehen individuell 40 Quadratmeter zur Verfügung sowie weitere Flächen für die An- und Auslieferung.
Außerdem stehen noch über 200 Quadratmeter Büro- und Dispoflächen, sowie ein circa 50 Quadratmeter großer Workshopraum für bis zu 20 Personen (welcher auch als Großraumbüro nutzbar wäre) für eine Vermietung zur Verfügung.
Besonderheit des Co-Making Space ist, dass jedes (Einzel-)Unternehmen grundsätzlich für sich arbeitet und wirtschaftet, durch die räumliche Nähe und gemeinsame Nutzung der Infrastruktur aber zusätzliche Vorteile genießt. „Wir machen monatlich eine Co-Maker-Sitzung, bei der wir uns alle zusammensetzen und besprechen was aktuell anliegt. Wir klären zum Beispiel, ob es ein Großprojekt im Haus gibt, welcher Einzelschreiner ausgelastet ist oder wer in welchem Umfang Kapazitäten frei hat.“ Mit dieser Vorgangsweise können die „Co-Maker“ auch Großaufträge – wie jüngst mehrstöckige Bürogebäude oder Volksschulen – gemeinsam abwickeln, die jeder einzelne allein nicht bewältigen könnte. 

Co-Making Space als Türöffner

Neben der guten Auslastung der Halle und der Maschinen, ist auch der gemeinsame Materialeinkauf ein großer Vorteil des Konzepts, erklärt Werner Tauscher: „Bei uns kostet die Miete 1500 Euro im Monat, also ein Bruchteil dessen, was ein eigener Maschinenpark kosten würde. Und wir konnten mit unseren Partnern und Zulieferern gute Konditionen aushandeln, von denen nun alle ‚Co-Maker‘ profitieren.“ Neben den „nackten Zahlen“ sind der gegenseitige Austausch, die offene Kommunikation und das gemeinsame Arbeiten das Herzstück des Co-Making-Konzepts. „Uns ist es auch ein Anliegen, die ‚jungen Wilden‘ in unserer Branche zu animieren beim Tischlerberuf zu bleiben, deshalb sprechen wir zum einen Berufsschulabsolventen für unsere Idee an: Wir wollen ihnen eine Perspektive bieten, damit sie sich in einem finanziell abgesicherten Format entfalten und ausprobieren können, und wir wollen sie motivieren, sich weiterzuentwickeln und weiterzubilden. Zum anderen wollen wir künftig auch selbst in die Lehrlingsausbildung einsteigen“, wirft Tauscher einen Blick in die nahe Zukunft.
Das Konzept des Co-Making Space Dornbirn hat längst Fahrt aufgenommen, es waren bereits Delegationen aus der Schweiz und aus Tirol zu Besuch. In unserem Nachbarbundesland soll das Konzept aus Dornbirn adaptiert werden und ein Co-Making Space Innsbruck entstehen. „Wir sehen und vor allem erleben wir das große Potenzial unseres Konzepts“, erklärt Werner Tauscher, „und wir wollen damit Vorreiter von Co-Work­ing-Konzepten im handwerklichen Bereich sein“. Die Zukunft ist, dass sich kleinere Firmen Räumlichkeiten und auch die Kosten dafür teilen, und die Idee des Miteinanders und der Kooperation immer mehr an Bedeutung gewinnt: „Auch wenn anfänglich vielleicht noch eine andere Meinung da war, ist hier ein komplettes Miteinander entstanden, weil jeder Einzelne die Vorteile des Co-Making Space erlebt“, weiß Tauscher. 
Der Zusammenhalt untereinander werde auch durch die Erfahrung gestärkt, dass es jedem besser gehe, der hier involviert sei, durch die finanzielle Planbarkeit können die Betriebe unternehmerisch aus dem Vollen schöpfen und ihre Kundschaft glücklich machen. Und eines freut Werner Tauscher ganz besonders: „Wir haben zum Beispiel einen Schreiner hier, der durch das Konzept des Co-Making Space endlich wieder seiner Leidenschaft für Altholz-Kreationen nachgehen kann. Als ‚Einzelkämpfer‘ war er im Fahrwasser, genug Geld verdienen zu müssen, um alles erhalten zu können. Jetzt bleibt ihm am Ende des Monats mehr übrig und es werden Kapazitäten zum Ausleben seiner Kreativität frei.“

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