Martin Blum

* 1983, ist seit 2018 Geschäftsführer und Inhaber der Blum-Gruppe. Nach seinem Studium des Wirtschaftsingenieurwesens mit Schwerpunkt Maschinenbau an der TU Wien sowie Stationen bei Siemens und verschiedenen Führungsfunktionen bei Blum leitet er gemeinsam mit seinem Cousin Philipp das Familienunternehmen in dritter Generation.
Foto: Darko Todorovic

Klimapolitik mit Kollateralschaden

Oktober 2025

Wie ETS und CBAM Europas Industrie gefährden

 

Zwei zentrale Instrumente der EU-Klimapolitik – das Emissionshandelssystem (ETS) und das damit verbundene CO2-Grenzausgleichssystem – verfehlen ihren ursprünglichen Zweck. In seinem Gastkommentar für „Thema Vorarlberg“ erläutert Martin Blum, Geschäftsführer der Blum Gruppe, die ursprüngliche Zielsetzung und warnt vor den Folgen für die europäische Industrie. Seiner Einschätzung nach droht der europäischen Industrie ein erheblicher Wettbewerbsnachteil. Vorarlbergs größter Arbeitgeber fordert daher eine sinnvolle und praktikable Lösung.

 
Das Emissionshandelssystem ETS und das damit einhergehende CO2-Grenzausgleichssystem CBAM sind zwei zentrale Instrumente der EU-Klimapolitik; die Union will damit ihre Klimaziele bis 2050 erreichen.
Durch das ETS-System sollen zusätzliche Abgaben auf CO2-intensive Sektoren erhoben werden, darunter auch die Stahlproduktion. CBAM soll in Ergänzung dazu verhindern, dass diese Rohmaterialien aus Ländern ohne vergleichbare CO2-Bepreisung importiert werden. Ziel von CBAM ist somit die Verhinderung von „Carbon Leakage“ also die Umgehung dieser CO2-Bepreisung. So weit so gut in der Theorie, leider weist CBAM grundsätzliche konzeptionelle Mängel auf, die die langfristige Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie massiv bedrohen.
Die schrittweise Abschaffung der Gratiszertifikate im Rahmen des ETS verteuert die Preise für Rohstoffe – zum Beispiel Stahl – signifikant, weil künftig für energieintensive Herstellungsprozesse regulatorische CO2-Abgaben bezahlt werden müssen. Dies hat folgende drei Effekte zur Folge:
1. Metallische Erzeugnisse werden innerhalb der EU teurer und führen mitunter zu einer weiteren Befeuerung der aktuellen Inflationsspirale.
2. Produkte, die aus der EU in andere Länder exportiert werden, und davon lebt ein Großteil der europäischen Industrie, sind global nicht mehr wettbewerbsfähig, da Unternehmen in anderen Ländern diese selbstauferlegten Sonderabgaben nicht leisten müssen.
3. In der EU produzierte Metallwaren werden selbst innerhalb der EU nicht mehr wettbewerbsfähig sein, da CBAM nur für Rohmaterial gilt, nicht für Komponenten oder Fertigwaren, die aus Drittländern, allen voran China, importiert werden.
 
Das grundsätzliche Ziel der Verhinderung von Carbon Leakage wird daher nicht nur massiv verfehlt, sondern führt sogar im Gegenteil dazu, dass die Produktion aus Europa, die sowieso bereits sehr hohe Umweltstandards erfüllt, in Länder verlagert wird, die diese Umweltstandards nicht haben.
Dadurch werden der europäischen Industrie durch ETS und CBAM folglich schwere Wettbewerbsnachteile entstehen. Aus unserer Sicht wird das schwerwiegende Konsequenzen wie den Verlust von Arbeitsplätzen und/oder steigende Inflationsraten nach sich ziehen.  Um Europas Wettbewerbsposition zu erhalten, müssten für alle Teilnehmer im internationalen Handel gleiche und faire Wettbewerbsbedingungen herrschen. Diese sind angesichts der aktuellen CBAM- und ETS-Regulierungen nicht mehr gegeben. Vielmehr wird es jetzt Importeuren aus Drittstaaten möglich, ihre bereits heute günstiger hergestellten Produkte zu noch billigeren Preisen in die EU einzuführen. Bisherige Anpassungen haben nicht dazu beigetragen, diese Unschärfen zu beseitigen – eher im Gegenteil – und solange diese konzeptionellen Mängel nicht behoben sind, dürfen die Gratiszuteilungen der ETS-Zertifikate nicht auslaufen. Bitte nicht falsch verstehen: Wir begrüßen grundsätzlich Nachhaltigkeits- und Klimaschutzmaßnahmen und sind davon überzeugt, dass in diesem Zusammenhang Regulative notwendig sind. Blum steht hinter den Klimazielen und wir haben in unserem Betrieb bereits unzählige Nachhaltigkeitsinitiativen umgesetzt. Tritt aber dieses Paket in der aktuellen Ausgestaltung – wie für 2026 geplant – in Kraft, verschlechtert sich langfristig die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie.
Woher kommt diese „Industriefeindlichkeit“ der Union? Zum einen haben sich über die Jahre hinweg recht einseitige Sichtwesen entwickelt. Man hat offenbar vergessen, wie wichtig Wirtschaft und Industrie für unser aller Wohlstand in Vorarlberg sind. Zum anderen haben aber auch diverse NGOs sehr erfolgreich Lobbying betrieben, um ihre Interessen in die europäische Gesetzgebung einfließen zu lassen. Aus Sicht der NGOs selbstredend legitim – aber vor diesem Hintergrund ist klar, dass wir uns im Gegenzug als Europas Metallverarbeitende Industrie künftig aktiver und frühzeitiger auf Brüsseler Ebene einbringen müssen. Und bei der Ausarbeitung des Regelungen CBAM und ETS, drängt sich mir folgender Verdacht auf: Offenbar wurden von den Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern die möglichen Auswirkungen des Maßnahmenpaketes nicht in vollem Umfang bedacht. Eine umfassende Folgenabschätzung hätte frühzeitig Hinweise auf die Tragweite liefern können. Dass dies nicht in ausreichendem Maße stattgefunden habe, ist aus meiner Sicht problematisch.

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