Herbert Motter

Modellregion im Blickpunkt

April 2021

Vorarlberg darf sich seit 15. März über Lockerungen im Bereich der Gastronomie sowie der Kultur- und Freizeiteinrichtungen freuen. Unter strengen Auflagen und genauer Beobachtung. Nicht alle haben Freude damit.

Seit gut drei Wochen können Vorarl­bergs Gastronomiebetriebe unter Auflagen auch in den Innenräumen wieder öffnen. Die Freude darüber ist groß. Ist es doch eine europaweit einzigartige Situation. In unseren unmittelbaren Nachbarländern sind die Gastronomiebetriebe und Restaurants nach wie vor geschlossen. Gesamteuropäisch gesehen ist nur auf Mallorca und Ibiza die Außengastronomie bis 17 Uhr erlaubt. In den Niederlanden sind nur Coffeeshops bis 20 Uhr geöffnet. Und am 12. April sollen in Großbritannien die Außengastronomie in Pubs und Restaurants wieder geöffnet werden.
Für eine sichere Öffnung der heimischen Gastronomie gelten in Vorarlberg strenge Auflagen für die Betriebe und auch für die Gäste. Die gute Nachricht vorweg: Ein Großteil der Unternehmen und Gäste hält sich an die Regeln. „Wir bekommen viele schöne Reaktionen in Bezug auf diese wiedererlangte Freiheit. Immer größer wird zudem die Zahl der geöffneten Betriebe, das ist ein tolles Signal“, sagt Mike Pansi, derzeit Österreichs medial meist beachteter Gastronom. Selbst ein südafrikanischer TV-Sender (!) bat Vorarlbergs Gastronomiesprecher dieser Tage um ein Interview. 

Konsequente Kontrollen

Die weniger guten Nachrichten sind immer wieder Beispiele, bei denen es noch nicht ideal funktioniert. Pansi: „Wir nehmen das sehr ernst, gehen jedem uns bekannten Hinweis eines Verstoßes nach, informieren und weisen mit aller Deutlichkeit auf unsere aller Verantwortung hin. Hinter den verstärkten Kontrollen stehen wir voll und ganz, denn es kann nicht sein, dass einzelne, denen offenbar Profit näher als solidarisches Verhalten ist, eine ganze Branche und damit die Modellregion Vorarlberg in Verruf bringen.“ Da ist er mit Sicherheitslandesrat Christian Gantner einer Meinung: „Die Öffnungen in Vorarlberg können dann funktionieren, wenn alle gemeinsam Verantwortung tragen. Wer Auflagen gravierend und wiederholt missachtet, schadet letztendlich allen“, sagt Gantner. Mit Blick darauf kündigt der Landesrat weitere konsequente Kontrollen im Gastronomiebereich an.
Für Mike Pansi ist klar, man wolle Gastgeber und kein Spielverderber sein, „aber die aktuelle Situation ist zu wichtig, um sie leichtfertig aufs Spiel zu setzen.“ Zudem müsse das Bittsteller-Dasein ein Ende haben, schließlich sei Umsatz die beste Förderung. Lobende Worte hat der Gastronomiesprecher für das Land in Bezug auf den Ausbau der Testkapazitäten übrig. Und auch ein bisschen Eigenlob darf erlaubt sein, schließlich würden die Betriebsöffnungen einen Beitrag leisten, die Testungen der Bevölkerung konstant hoch zu halten, um damit Infizierte schneller zu identifizieren und so Ansteckungsketten zu unterbrechen.
Pansi verhehlt aber nicht, dass er sich mehr Akzeptanz und einfachere Handhabung der sogenannten „Selbsttests“ wünschen würde.
Nicht alle Gastronomen in Vorarlberg haben die Chance eines Aufsperrens bislang genutzt. Rund 70 Prozent sind derzeit offen. Tendenz steigend. Höher ist der Prozentsatz im städtischen, niedriger im ländlichen Gebiet. Etwa zehn Prozent wollen erst in den kommenden Tagen oder nach Ostern beziehungsweise erst bei Grenzöffnungen aufsperren. Die Gründe für jene, die es noch nicht gewagt haben zu öffnen, sind vielfältig. Die fehlende Wirtschaftlichkeit steht dabei mit Abstand an oberster Stelle der Begründungen. Auch die Zwei-Meter-Abstandsregelung und die weiterhin angeordnete Ausgangssperre um 20 Uhr würden keinen sinnvollen wirtschaftlichen Betrieb ermöglichen. Viele kleinere Betriebe stoßen aufgrund der Vorgaben an ihre räumlichen oder betriebswirtschaftlichen Grenzen. So würden laut einer Umfrage der Wirtschaftskammer etwa 20 Prozent wieder eine Schließung in Erwägung ziehen. 

Neidvolle Blicke

Und der Rest Österreichs, der schaut seit 15. März neidvoll auf Vorarlberg. Auch die Tourismus-Ministerin Elisabeth Köstinger hat sich vor wenigen Tagen selbst ein Bild von der Gastronomie-Öffnung in Vorarlberg gemacht. Aus der Vorarlberger Praxis wolle man Erfahrungen und Erkenntnisse für mögliche Öffnungsschritte in anderen Regionen gewinnen, betonte Köstinger nach dem Gespräch mit Landeshauptmann Markus Wallner. Derzeit lasse das Infektionsgeschehen in anderen Bundesländern keine weiteren Öffnungen zu, aber man wolle für den Tag X optimal gerüstet sein, unterstrich sie. Für Vorarlberg hatte sie Lob parat: „Vorarlberg ist Modellregion, in der mit extremer Sorgfalt und Vorsicht vorgegangen wird, um Schritt für Schritt zur Normalität gelangen zu können.“
Doch nicht alle Blicke sind wohlwollend. Es soll auch die geben, die die Modellregion scheitern sehen wollen, im Sinne einer gerechten österreichweiten Handhabung. Während im Osten bereits weitere Verschärfungen geplant sind – der Handel etwa schließt dort noch vor den so umsatzwichtigen Osterfeiertagen, mit den geplanten Verschärfungen rund um Ostern ist in Niederösterreich, Wien und dem Burgenland das verpflichtende Tragen von FFP2-Masken in allen Innenräumen angedacht. Schulen wollen nach den Feiertagen wieder auf Distance Learning umstellen und Zugangstestungen zum Handel stehen zur Diskussion – kämpfen Vorarlbergs Gastronomievertreter um weitere Lockerungen. Immer unter der Voraussetzung, dass sich die Infektionsentwicklung auch in Vorarlberg nicht dramatisch verschlechtert, wie Mike Pansi immer wieder betont. Vorarlberg bleibt einmal mehr eine Ausnahme. Doch wie lange noch? Die Situation im Leiblachtal zeigt uns eindrücklich, wie schnell sich die Lage zuspitzen kann. 
Wenn Vorarlberg in den nächsten Wochen einen guten Job macht, ist das ein Zeichen für ganz Österreich. Umgekehrt leider auch.

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