Matthias Sutter

*1968 in Hard, arbeitet auf dem Gebiet der experimentellen Wirtschaftsforschung und Verhaltensökonomik, ist Direktor am Max Planck Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern in Bonn und lehrt an den Universitäten Köln und Innsbruck. Der Harder war davor auch an der Universität Göteborg und am European University Institute (EUI) in Florenz tätig.

Müssen Frauen in Führungspositionen die besseren Männer sein?

Dezember 2023

Um nach oben zu kommen, so glauben viele, müssen Frauen stereotyp männliche Eigenschaften haben. In einer Studie mit türkischen Unternehmen komme ich zu anderen Ergebnissen. Aber nicht nur das: Das Geschlecht von Führungskräften hat wichtige Auswirkungen auf die beruflichen und sozialen Netzwerke in diesen Unternehmen.

Führungskräfte haben einen entscheidenden Einfluss auf die Arbeitsplatzzufriedenheit von Mitarbeitern und deren Verweildauer in Unternehmen. In einem früheren Beitrag an dieser Stelle hatte ich von einer Studie von Mitchell Hoffman von der University of Toronto berichtet, der diese Zusammenhänge deutlich aufgezeigt hat. In seiner Studie sollten Mitarbeiter für jede der folgenden sechs Fragen den Grad ihrer Zustimmung auf einer Skala von „Stimme überhaupt nicht zu“ bis zu „Stimme stark zu“ angeben. Die Fragen bezogen sich darauf, ob Führungskräfte (1) die Erwartungen an die Arbeitsleistung der Mitarbeiter klar kommunizieren; (2) regelmäßig Coaching und Ratschläge erteilen, wie jemand seine Leistung verbessern kann; (3) aktiv die Karriere ihrer Mitarbeiter fördern; (4) bei wichtigen Entscheidungen andere Leute einbeziehen; (5) eine positive Stimmung im Arbeitsteam herstellen; und (6) vertrauenswürdig sind. Wenn häufiger „Stimme zu“ oder „Stimme stark zu“ geantwortet wurde, dann waren die jeweiligen Teammitglieder zufriedener am Arbeitsplatz, wechselten um ungefähr zehn Prozent weniger häufig den Job und vor allem gelang es dem Unternehmen, die wichtigeren Arbeitskräfte zu halten.
Führungskräfte und deren Umgang mit ihren Mitarbeitern sind also entscheidend für den Erfolg von Unternehmen. In einer aktuellen Studie (mit Sule Alan, Gözde Corekcioglu und Mustafa Kaba) habe ich mich deshalb mit der Frage beschäftigt, ob das Geschlecht einer Führungskraft auch eine besondere Rolle spielt. Dafür haben wir in Kooperation mit 24 (international tätigen) türkischen Unternehmen aus sechs verschiedenen Sektoren (Bau, Chemie, Verteidigung, Textil, Energie, Finanz) über 2700 Mitarbeiter befragt. 
Die Befragungen drehten sich insbesondere um Netzwerke in Unternehmen, persönliche Eigenschaften, Personaldaten und Arbeitsplatzzufriedenheit. Netzwerke erfassten wir mit der Frage, an wen sich jemand bei beruflichen Fragen wendet. Die Antworten darauf lassen erkennen, wie stark die Kommunikation in einer Abteilung ist, wer mit wem intensiver spricht und ob die jeweilige Führungskraft in diesen Netzwerken eine Rolle spielt. Die persönlichen Eigenschaften erhoben wir durch sogenannte Experimente, in denen die Teilnehmer Entscheidungen treffen mussten und dafür in Abhängigkeit ihrer Entscheidungen bezahlt werden. Beispielsweise haben wir die Wettbewerbsbereitschaft unserer Studienteilnehmer gemessen. Dazu mussten diese Rechenaufgaben lösen. Dabei konnten sie wählen, ob sie für jede Rechenaufgabe einen bestimmten Geldbetrag pro korrekter Antwort bekommen wollten oder ob sie lieber in einen Wettbewerb mit anderen Mitarbeitern treten wollten. Im letzteren Fall bekam man pro korrekter Antwort einen doppelt so hohen Betrag, aber nur, wenn man insgesamt besser abschnitt als eine andere Person. Wenn man schlechter abschnitt, bekam man gar kein Geld.
Im Rahmen der Befragung erhoben wir auch Personaldaten, zum Beispiel wie lange jemand schon im Unternehmen war, ob jemand Personalverantwortung hatte, welche Ausbildung jemand hatte, und so weiter. Für unsere Studie definierten wir jemanden als Führungskraft, der Personalverantwortung hat. Das können also Abteilungsleiter, Fachgruppenleiter, aber auch Vorstandsmitglieder sein. Zuallererst interessierte uns, ob weibliche Führungskräfte gleiche Eigenschaften wie ihre männlichen Kollegen haben. Das war nicht der Fall. Weibliche Führungskräfte sind deutlich weniger wettbewerbsfreudig und weniger risikofreudig als männliche, dafür haben sie höhere emotionale Intelligenz und weniger konservative Rollenbilder über die Aufgaben von Männern und Frauen in Unternehmen. Das hat uns deswegen ein wenig überrascht, weil häufig ja argumentiert wird, dass man es als Frau nur nach oben schaffen könne, wenn man betont männliche Verhaltensweisen an den Tag lege. Das war zumindest für unsere 24 türkischen Unternehmen nicht der Fall.
Das Geschlecht der Führungskraft hatte in unserem Fall aber einen starken Einfluss auf die beruflichen Netzwerke in den Unternehmen. In Abteilungen mit männlichen Führungskräften zeigte sich, dass bei beruflichen Problemen Männer fast ausschließlich andere Männer konsultierten, Frauen hingegen wenige Ansprechpartner bei beruflichen Fragen hatten. Im Falle weiblicher Führungskräfte änderte sich dieses Bild vollständig, indem erstens Männer auch Frauen (und insbesondere ihre weiblichen Führungskräfte) bei beruflichen Fragen konsultierten, und zweitens Frauen in den Abteilungen dichtere Netzwerke hatten.
Die Fluktuation von weiblichen Mitarbeitern reduzierte sich auch im Falle weiblicher Führungskräfte, während für Männer das Geschlecht der Führungskraft keinen Einfluss auf deren Wahrscheinlichkeit hatte, das Unternehmen zu verlassen. Interessanterweise war aber die Arbeitsplatzzufriedenheit von Frauen im Falle weiblicher Führungskräfte deutlich geringer als jene von Männern, und das war besonders stark der Fall, wenn Abteilungsmitarbeiterinnen ihre (weibliche) Führungskraft als wenig unterstützend wahrnahmen. Für Männer und deren Arbeitsplatzzufriedenheit spielte das keine Rolle. Unser Ergebnis ist konsistent mit anderen Ergebnissen in der Arbeitsmarktliteratur, die davon spricht, dass Frauen an Frauen als Führungskräfte höhere Erwartungen als an männliche Führungskräfte stellen. Wenn diese Erwartungen dann enttäuscht werden (was bei höheren Erwartungen leichter der Fall ist), dann steigt die Unzufriedenheit. Aus Sicht der Unternehmen dürften aber die positiven Effekte weiblicher Führungskräfte (dichtere berufliche Netzwerke und geringere Fluktuation) diesen negativen Effekt überwiegen.

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