Herbert Motter

Ohne Verkehr findet Wirtschaft nicht statt

Mai 2015

Eine flächendeckende Lkw-Maut wäre ein Anschlag auf die Regionen und eine Massensteuer, die am Ende des Tages die Bürgerinnen und Bürger zu zahlen hätten. Laut Experten fehlt der Argumentation der Befürworter das wirtschaftliche Grundverständnis.

Vorarlberg wird von rund 800 Kilometern Landesstraßen und rund 3000 Kilometern Gemeindestraßen durchzogen, ganz Österreich hat etwas mehr als 110.000 Kilometer niederrangiges Straßennetz. Geht es nach den Plänen der Landesverkehrsreferenten, sollen diese Straßen künftig für Lkw ebenfalls mautpflichtig sein. Die Länder brauchen mehr Geld für die Straßen­sanierung. Eine Arbeitsgruppe tagt. Unser Landesrat für öffentlichen Verkehr und Mobilitätsmanagement, Johannes Rauch, geht indes in dieser Frage noch weiter. Er fordert eine Mautpflicht auch für Klein-Lkw und spricht vom Ende eines unerwünschten Ausweichverkehrs.

Ebenfalls ein Ende, aber das der Nahversorgung und der lokalen Wirtschaft, erwartet die heimische Transportwirtschaft durch solch eine Regelung. Der Wunsch der Menschen nach mehr Regio­nalität wäre mit einem Schlag gefährdet, heißt es.

Verdeckte Massensteuer

Endkunden wären von solch einer Maut wie durch eine Art versteckte Massensteuer betroffen, denn die entlang von Wertschöpfungsketten anfallenden direkten und indirekten Mautzusatzkosten würden, soweit möglich, auf Produkt­ebene weiterverrechnet werden.

Eine Studie im Auftrag der Arbeiterkammer will nun zeigen, dass Lebensmittel nicht spürbar teurer würden. Laut Vertretern der Wirtschaft widerspreche diese Sicht der AK jedem wirtschaftlichen Grundverständnis. Gewerbebetriebe, die in Stückgut produzieren, kalkulieren ihre Kosten bis auf den kleinsten Cent-Betrag herunter. Unternehmen aller Branchen werden sich daher genau überlegen, ob der Betriebsstandort in einer abgelegenen Region noch rentabel ist.
Auch der Verkehrsökonom Sebastian Kummer von der Wirtschafts-Uni Wien sieht das so: „Die AK ist in dieser Hinsicht verblendet und kommt ihrer Funktion, die Arbeitnehmer zu schützen, nicht richtig nach.“ Auch der Vergleich mit der Schweiz sei schon allein deswegen unzulässig, weil mit Einführung der Maut das höchstzulässige Lkw-Gesamtgewicht in der Schweiz von 20 auf 40 Tonnen erhöht worden ist. Die Zeche zahle eindeutig der Verbraucher. Das dürfe nicht verschwiegen werden. „Die Kosten pro Endkonsument liegen bei 55 bis 80 Euro jährlich. Das mag jetzt nicht so dramatisch klingen. Aber schauen Sie mal, was teurer wird – sicher nicht Laptops, auch nicht die Luxusautos. Teurer werden vor allem Lebensmittel, womit niedrigere Einkommensschichten von der flächendeckenden Maut sehr viel stärker betroffen sind als die höheren“, sagt der Verkehrsexperte.

Hohe Umstellungskosten

Letztlich bedinge eine flächendeckende Maut eine Systemumstellung von der bestehenden Mikrowellentechnologie hin zur Satellitentechnologie, verbunden mit hohen Kosten, die einen Großteil der Mauteinnahmen „schlucken“ würden. Laut einer Studie der WU Wien ist mit Umstellungskosten von mindestens 350 Millionen Euro sowie laufenden jährlichen Systemkosten von über 100 Millionen Euro zu rechnen.

Insgeheim wird vermutet, mit der Maut neue Einnahmequellen zum Stopfen von Budgetlöchern erschließen zu wollen. „Klar ist aber“, sagt Kummer, „dass der gesamte Straßenverkehr viel mehr zahlt, als der Staat für die Straßeninfrastruktur ausgibt.“ Jährlich lukriert der Staat elf bis zwölf Milliarden an Einnahmen aus dem Straßenverkehr. Diese Zusatzbelastungen sind aus verkehrspolitischer Sicht gar nicht notwendig, wie auch Alexander Klacska, Obmann der Bundessparte Transport und Verkehr, betont: „Die Länder argumentieren ihre Forderung nach einer flächendeckenden Maut mit fehlenden Mitteln – doch der Blick in die Budgets zeigt: Eigentlich sind diese Gelder da.“ Den Bundesländern stehen die Mittel aus den Einnahmen der Mineralölsteuer nach wie vor zur Verfügung, auch wenn sie jetzt nicht mehr zweckgebunden sind. Klacska: „Die Gesamtausgaben der Bundesländer stiegen in den letzten zehn Jahren um 46 Prozent, die Ausgaben für Straßenbau nahmen in den Bundesländerbudgets jedoch um zwei Prozent ab. Das zeigt: Wie auch im Bund haben wir in den Ländern kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem. Und die Wirtschaft will nicht zum Stopfen von Löchern zur Verfügung stehen, die sie gar nicht verursacht hat.“

Selbst Landeshauptmann Markus Wallner hat sich gegen die Verkehrsreferenten der Bundesländer gestellt: Vorarlberg habe es nicht nötig, auf diese Weise die „leeren Kassen“ zu füllen. Wie er auf die jüngsten Vorstöße seines grünen Landesrats reagiert, bleibt abzuwarten. Ein Regierungskonflikt in dieser Frage zeichnet sich jedenfalls ab.

Kommentare

To prevent automated spam submissions leave this field empty.