Herbert Motter

Regional Handeln – ein immerwährendes Gebot

Dezember 2020

Es wirkt wie ein verzweifelter Appell in Corona-Zeiten und sollte doch nichts anderes als das permanente Abrufen unseres Hausverstandes sein:
Ein dauerhaftes „Ja!“ zu Produkten aus dem Vorarlberger Handel. Jetzt mehr denn je.

Das Weihnachtsgeschäft steht unmittelbar vor der Tür. Doch die Handelsgeschäfte müssen seit zwei Wochen geschlossen halten. Öffnung ist zwar in Sicht, doch diese verordnete Zwangspause ist besonders für jene fatal, für die die Vorweihnachtszeit die mit Abstand umsatzstärkste Zeit des Jahres darstellt – beispielsweise für den Uhren- und Schmuckhandel, den Modehandel, die Parfümerien, den Buchhandel und vor allem für den Spielwarenhandel. Das Weihnachtsgeschäft schafft für viele Handelsbetriebe jenes Polster, das sie über das Jahr hinweg benötigen, um ihr Existenz zu sichern.
Eindringlich sind die Appelle der vergangenen Tage. Handels-Spartenobfrau Carina Pollhammer hofft „auf die Solidarität der Bevölkerung und deren Treue zum Vorarlberger Handel. Die Geschäfte sind zwar geschlossen, viele Händlerinnen und Händler sind aber auf elektronischem Weg oder ganz einfach per Telefon zu erreichen.“ Der Einkauf in den regionalen Geschäften lohne sich auch deswegen, weil damit die Vielfalt unseres Landes, das Service, die Dienstleistungsqualität, die Freundlichkeit, die die Fachgeschäfte bieten, erhalten bleibt. „Letztlich nützt das Einkaufen in Vorarlberg auch jenen, die nicht direkt im Handel beschäftigt sind. Denn Handelsumsätze sind Wertschöpfung vor Ort. Damit werden Steuern und Sozialabgaben bezahlt, zum Nutzen der gesamten Bevölkerung“, erklärt Pollhammer.

Solidarität und Vertrauen

Petra Kreuzer, Vizepräsidentin der Wirtschaftskammer Vorarlberg, verweist auf Zeichen des Vertrauens und der Solidarität: „Für unsere gesamte regionale Wirtschaft ist das (über)lebenswichtig. Wenn wir jetzt erst recht regional und regional digital einkaufen, unterstützen wir unsere innovativen Unternehmerinnen und Unternehmer und sichern dadurch die Arbeitsplätze von uns allen.“ Mit der Gefährdung der Existenz der Geschäfte in den Innenstädten und in den Einkaufszentren stehe Lebensqualität auf dem Spiel. 
„Ein gutes, gelingendes Leben hängt auch wesentlich von funktionierenden regionalen und lokalen Handels- und Wirtschaftsstrukturen ab. Es kommt nun auf uns alle an, diese Strukturen zu stärken und zu entwickeln“, schließt sich WKV-Vizepräsident Stefan Hagen an. Die Präsidiumskollegen Wilfried Hopfner und Edi Fischer formulieren es noch deutlicher: „Die stark betroffenen Branchen Tourismus und Handel brauchen gerade jetzt unsere Solidarität. Kaufen wir bitte im Land so viel wie möglich heimische Produkte und verbringen wir unsere Freizeitaktivitäten gerne auch hier“, sagt Hopfner. Und Fischer appelliert: „Machen wir die Online-Riesen nicht noch reicher, sondern erklären wir uns jetzt solidarisch mit der Vorarlberger Wirtschaft.“ 
Die KMU Forschung Austria rechnet vor: Im Zuge dieses zweiten Lockdowns müssen die betroffenen Einzelhandelsbranchen einen weiteren Umsatzentgang von mindestens 65 Millionen Euro hinnehmen. Und das, obwohl im Vergleich zum Vorjahr mehr Vorarlberger planen, im Land Weihnachtsgeschenke einzukaufen. 91 Prozent geben an, Geschenke im Wert von durchschnittlich 350 Euro zu kaufen. Durchschnittlich werden pro Weihnachtsgeschenk 60 Euro ausgegeben. Unter dieser Annahme würden etwa 129.000 kaufwillige Vorarlberger einen Umsatz im Wert von 7,7 Millionen Euro generieren. Der Bruttowertschöpfungseffekt läge bei 10,2 Millionen Euro.
Jeder Euro, der ins Ausland abfließt, geht an Wertschöpfung verloren und gefährdet Arbeitsplätze. Darum haben die Wirtschaftskammer und das Land Vorarlberg „Einkaufen am liebsten in Vorarlberg“ gestartet und pochen auf den Zusammenhalt in der Bevölkerung in diesen schweren Zeiten. 

Jeder Euro, der ins Ausland abfließt, geht an Wertschöpfung verloren und gefährdet Arbeitsplätze. Darum haben die Wirtschafts­kammer und das Land Vorarlberg „Einkaufen am liebsten in Vorarlberg“ gestartet und pochen auf den Zusammenhalt in der Bevölkerung in diesen schweren Zeiten.

Vorsichtige Prognose

Wie sehr der aktuelle Lockdown der österreichischen Wirtschaft schadet und welche langfristigen Folgen er haben wird, darüber wagt Susanne Forstner, Wirtschaftsforscherin am Institut für Höhere Studien (IHS) in Wien, eine erste vorsichtige Prognose. „Eine zentrale Frage ist immer, ob es möglich ist, Produktion, Verkauf und Dienstleistungen zu einem späteren Zeitpunkt nachzuholen”, sagt Forstner und erklärt damit einen wesentlichen Unterschied zwischen den Branchen. „Manche Dienstleistungen können zeitlich nicht gut nachgeholt werden. Wenn ich zum Beispiel einmal nicht zum Friseur gehen kann, dann schneidet er mir beim nächsten Mal nicht zweimal die Haare”, formuliert Forstner salopp. Also klassisch verlorenes Geschäft. Dafür gebe es bei Dienstleistern weniger Gefahr, dass Kunden in die Online-Welt wechseln und dort mitunter dauerhaft bleiben, wie dies im Handel der Fall sei. Jedoch seien im Handel Nachholeffekte im großen Umfang möglich.
Wichtig sei, die Kunden jetzt mit lokalen Online-Angeboten zu erreichen, um Riesen wie Amazon etwas entgegenzusetzen und die Konsumentenbeziehung aufrecht zu erhalten. Im Umfeld der direkt betroffenen Branchen gebe es einige Wirtschaftszweige, die in weiterer Folge den Nachfrageeinbruch spüren werden, erklärt Forstner: „Es geht vor allem um die, die in eine Produktions- und Lieferkette eingebunden sind. Denn wenn zum Beispiel die Geschäfte geschlossen sind, braucht es niemanden, der die Waren in die Geschäfte bringt.” 
Wichtig werde sein, was nach den Lockdown-Wochen passiert – also ob die Infektionszahlen so stark sinken, dass Handel und Gastronomie wieder öffnen können. Eine andere große Frage sei, wie die Konsumenten längerfristig reagieren werden – wie sich ihr Vertrauen in die Zukunft entwickeln wird, ihr Sparverhalten, ihr Umgang mit Unsicherheit, ihr Konsumverhalten. „Wenn sich herausstellt, dass auch 2021 ein sehr hartes Jahr für viele Menschen sein wird, ändert sich das Verhalten der Menschen – dann sind alle Bereiche betroffen”, betont Susanne Forstner. 
Umso dringlicher erscheint es jetzt mehr denn je, Vernunft walten zu lassen und regional zu kaufen.

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