Christian Keuschnigg

Geboren am 9.  Jänner 1959 in St.  Johann in Tirol, ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität St. Gallen. Von Juni 2012 bis Oktober 2014 war der Tiroler Direktor am Institut für Höhere Studien. Keuschnigg ist Vorsitzender des finanzwissenschaftlichen Ausschusses des „Vereins für Social­politik“, Herausgeber des „FinanzArchivs“, Mitherausgeber der „European Economic Review“ und Mitglied in mehreren Forschungsnetzwerken.

(Foto: © Lukas Ilgner)

Steuerautonomie der Bundesländer für eine Politik näher am Bürger

Dezember 2015

Die Beseitigung wesentlicher fiskalischer Fehlanreize und die Einführung einer Steuerautonomie der Bundesländer könnten deutliche Wohlfahrtsgewinne für Österreich ermöglichen.

Wettbewerb in Sport, Wissenschaft und Wirtschaft bringt bessere Leistungen. Genauso kann der fiskalische Wettbewerb dazu führen, dass die Bundesländer ihre Politik mit einem besseren „Preis-Leistungs-Verhältnis“ stärker auf die Anliegen der Bürger und Unternehmen zuschneiden. Wirtschaftsstarke Ballungsgebiete haben andere Bedürfnisse und müssen andere Aufgaben erledigen als ländliche Randgebiete.

In Österreich können Länder und Gemeinden derzeit fast keine Steuern autonom festlegen. Weil die Einnahmen mit dem fixen Verteilschlüssel der gemeinschaftlichen Steuern festgezurrt sind, können sie weder höhere Ausgaben im Interesse des Landes selbst finanzieren noch können sie größere Einsparungen in Form von Steuersenkungen an die eigenen Bürger weitergeben. Das hebelt die Sparanreize aus und nimmt den Ländern eines der wichtigsten Instrumente der Politik. Wie könnte mehr Steuer­autonomie konkret umgesetzt werden?

Für einen Steuerwettbewerb eignen sich am besten die Lohn- und Einkommen- sowie die Körperschaftsteuer. Über sie könnten die Länder ausreichende Einnahmen erzielen, um ihre Ausgaben vollständig selber zu finanzieren. Die Steuerautonomie könnte wie folgt verwirklicht werden: Der Bund senkt seine Steuersätze und lässt die Länder einen – überall gleich hohen – Zuschlag einheben. Über diese Einnahmen können die Länder dann frei verfügen. In einem zweiten Schritt würden die Länder auch die empfangenen Zuweisungen und Zuschüsse für zugewiesene Aufgaben durch eigene Steuern ersetzen, was zu einer entsprechenden Entlastung des Bundes und der anderen zahlenden Gebietskörperschaften führt.
Mit einem einheitlichen Zuschlag würden wegen unterschiedlich großer Steuerbasis (viele oder wenige Gutverdiener, viele oder wenige Unternehmen) die einzelnen Länder mehr oder weniger einnehmen. Ähnliches gilt für die Zuweisungen und Zuschüsse, die sich in manchen Ländern mehr als in anderen konzentrieren. Der aktuelle Finanzausgleich verteilt versteckt um, ohne dass dies klar ausgewiesen wäre. Nach unseren Berechnungen erhalten das Burgenland und Kärnten derzeitig deutlich mehr, als sie selber mit bundesweit einheitlichen Steuersätzen und Zuschlägen an Einnahmen erzielen könnten. Umgekehrt ist es in den reichen Ländern. Bereits heute sind also Wien (–434 Euro pro Einwohner und Jahr), Vorarlberg (–189 Euro), Salzburg und Tirol Nettozahler und Kärnten (+585 Euro pro Einwohner) und das Burgenland Nettoempfänger. Es braucht einen Finanzausgleich, um auf eine angemessene Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse hinzuwirken. Das Problem ist jedoch, dass weder die Bürger und Wählerinnen noch die Politik wissen, wie viel tatsächlich umverteilt wird.

Nach unseren Berechnungen sollte der einheitliche, effektive Satz der Länder für die Lohn- und Einkommensteuer bei etwa 7,3 Prozentpunkten liegen. Der Bund würde seinen Steuersatz um denselben Betrag senken. Bei der Körperschaftsteuer würden der Bund 20 Prozentpunkte und die Länder 5 Prozentpunkte einheben. Am Ende dieser Umstellungsphase zahlen alle Haushalte und Unternehmen gleich viel Steuern. Bund und alle Länder erzielen gleich hohe Einnahmen. Mehr- und Mindereinnahmen der einzelnen Länder werden mit den Zahlungen aus dem Finanzausgleich kompensiert, die nun nicht mehr versteckt, sondern transparent und offen erfolgen. Damit gibt es zunächst keine Gewinner und Verlierer der Steuerautonomie.

Danach kann ein Bundesland seine Aufschläge verringern, wenn die Wähler nach einer niedrigeren Steuerbelastung verlangen, und damit seine Standortattraktivität für Betriebe, Familien und Arbeitnehmer steigern. Genauso gut könnten Länder mit einem konkurrenzfähigen Gesamtpaket ihre Zuschläge erhöhen, um etwa große Projekte zu finanzieren. Für die Steuerzahler ist die Steuerbelastung nicht das einzige Kriterium für die Wahl des Betriebsstandorts bzw. Wohnorts: Eine gute Verkehrsanbindung, eine verlässliche Gesundheitsversorgung, Kindergartenplätze und Ähnliches sind ebenfalls wichtige Faktoren.

Mit einer echten Steuerautonomie können die Länder Einsparungen an die eigene Bevölkerung zurückgeben, statt sie wie derzeit mit allen anderen Ländern teilen zu müssen, und sie können mit eigenen Steuern gezielt die Standortattraktivität und die Wachstumsbedingungen in der Region verbessern. Mit einem Simulationsmodell haben wir berechnet, dass der effektive Steuersatz in allen neun Bundesländern sinken würde. Vorarlberg käme demnach mit einer um 1,3 Prozentpunkte niedrigeren Steuerbelastung aus. Im Schnitt könnten die Steuersätze um etwa 1,5 Prozentpunkte sinken. Zwar kann ein Simulationsmodell auch mit noch so viel Aufwand nicht alle Anpassungsmöglichkeiten einfangen, aber solche Änderungen kann man im Hinblick auf die Erfahrungen anderer Staaten mit hoher Wahrscheinlichkeit erwarten.

Nachdem in Österreich die Steuerbelastung überdurchschnittlich hoch ist und der Steuerwiderstand progressiv mit der Steuerbelastung ansteigt, kann man auch von moderaten Steuersenkungen günstige Auswirkungen auf Leistungsbereitschaft, Standortattraktivität und Wachstum erwarten. Oft sind es die kleinen Länder, die im Steuerwettbewerb obenaus schwingen und ihre Standort­attraktivität steigern können. Auch in unseren Szenarien könnten das Burgenland und Kärnten überdurchschnittlich gewinnen. Vorarlberg käme auf ein Plus von 1,4 Prozent, Wien auf etwa 0,75 Prozent. Nicht zuletzt wegen der verbesserten Wettbewerbsfähigkeit gegenüber dem Ausland würden alle neun Bundesländer eine höhere Wirtschaftsleistung erzielen. Im Durchschnitt könnten die Einkommen gemessen am BIP pro Kopf dauerhaft um 1,7 Prozent zunehmen.

Die bestehende Form des österreichischen Föderalismus verursacht hohe Kosten. Zwar kann auch eine Steuerautonomie der Bundesländer nicht alle Probleme der heimischen Finanzpolitik lösen. Angesichts der derzeit bestehenden Fehlanreize im österreichischen Föderalismus erscheint jedoch eine grund­legende Reform mit einem Systemwechsel sehr empfehlenswert.

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