Zehn Thesen zum modernen Leistungsstaat
Globalisierung, Alterung und technologischer Wandel bei Verschuldung und ausbleibenden Reformen erfordern, dass der Staat seine Rolle überdenkt und neu definiert. Welche Rolle soll ein moderner Staat in der Marktwirtschaft einnehmen, welche Rahmenbedingungen setzen, und wo soll er eingreifen und wo nicht? Dazu habe ich am Forum Alpbach zehn Thesen formuliert.
1. Den Umfang der Staatstätigkeit auf das Notwendige begrenzen
Wohlstand ohne staatliche Leistungen wie Bildung, Rechtssicherheit und Infrastruktur ist nicht denkbar. Ohne angemessene Umverteilung ist ein belastbarer Zusammenhalt nicht möglich. Aber die Steuern machen uns zweimal arm – wir müssen sie ans Finanzamt überweisen, und wir verdienen weniger, weil sie das Wachstum hemmen. Wenn die Steuern steigen, müssen wir das private Budget sanieren und jede Ausgabe auf ihr Preis-Leistungs-Verhältnis abklopfen. Das sollten wir auch bei den Staatsausgaben tun.
2.Wachstum inklusiv gestalten
Wohlstand entsteht durch Bildung, Wettbewerb und Innovation. Bildung beugt auch Arbeitslosigkeit und Armut vor und fördert den sozialen Aufstieg. Wettbewerb spornt zu Höchstleistungen in der Wirtschaft an und verhindert Monopolgewinne und eine Konzentration der Einkommen und Vermögen. Ein investiver Staat setzt auf Chancengleichheit und Leistungsanreize für sozialen Aufstieg und tätigt jene Investitionen, die stoßende Ungleichheit und soziale Risiken möglichst gar nicht erst entstehen lassen.
3. Armut und Reichtum differenziert behandeln
Es gibt den Reichtum durch Innovation, der viele Jobs schafft und allen nützt, und den Reichtum durch Übervorteilung und Monopolgewinne, der anderen schadet. Diesen bekämpft man nicht mit Vermögensteuern, sondern mit Wettbewerbspolitik und einem starken Rechtsstaat. Es gibt Armut als Schicksal und Armut mangels Anstrengung. Es ist nicht fair, alle gleich zu behandeln. Ohne Leistung kann es daher nur wenig Sozialgeld geben, mehr bei Teilnahme an Schulungen oder bei gemeinnütziger Arbeit.
4. Umverteilung gezielt und nur in eine Richtung betreiben
Umverteilung mit progressiven Steuern und Einkommenszuschüssen darf nur von oben nach unten gehen. Die vielen Steuerausnahmen führen aber zu Intransparenz und sind unfair. Die einen können sie nutzen, die anderen nicht, und schon zahlen Personen mit gleichem Einkommen unterschiedlich viel Steuer. Preiseingriffe sind für Umverteilung ungeeignet. Warum sollen nur die Familien im Mieterschutz profitieren und andere nicht? Ein korrektes Verhältnis zum Staat braucht Transparenz und Gleichbehandlung.
5. Versicherung von Umverteilung trennen
Umverteilung beruht auf Solidarität, Versicherung ist ein Geschäft. In der Pensionsversicherung sollte jeder im Durchschnitt nur so viel herausholen, wie er einzahlt. Die Pensionen werden jedoch aus dem Steuertopf zu einem Viertel von anderen bezahlt. Das führt zu versteckter Umverteilung von reich zu arm, von Männern zu Frauen, zulasten der Zukunft und zwischen Regionen mit unterschiedlichem Pensionsalter. Die Bürger wissen nicht, was wohlerworbene Rechte sind und was Unterstützung durch andere.
6. Leistungsfreundlich, fair und einfach besteuern
Steuern sollen fair, leistungsfreundlich und einfach sein. Die Einkommen- und Mehrwertsteuer sollen ohne Ausnahmen bleiben, damit die Steuersätze fallen und der Steuerwiderstand abnimmt. Das Leistungsfähigkeitsprinzip soll nicht nur für Lohn-, sondern auch für Kapitaleinkommen gelten. Es sollen jedoch nur Einkommen und nicht die Einkommensquellen selbst besteuert werden. Vermögen- und andere Substanzsteuern sind damit nicht vereinbar. Sie fallen auch an, wenn das Kapitaleinkommen null ist.
7. Auf Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit achten
Die Eltern geben ein Vermögen aus, um die Kinder für die Zukunft zu rüsten. Der Staat darf nicht das Gegenteil tun. Die Staatsschulden müssen niedrig bleiben. Wir dürfen nur so viele Pensionsansprüche ausgeben, dass die Beitragssätze auch morgen noch reichen, um alle Versprechen einzulösen. Der Staat muss kräftig in Bildung, Forschung und Umwelt investieren, damit die Wirtschaft wachsen und auch den Kindern noch hohe Löhne zahlen kann. So bleibt die Verteilung zwischen den Generationen ausgewogen.
8. Mehr dezentralisieren für eine Politik näher am Bürger
Stadt und Land, Industrie- und Tourismusgebiete haben unterschiedliche Ansprüche an die Politik. Dezentralisierung hilft, die Politik auf die lokalen Bedürfnisse von Familien und Unternehmen zuzuschneiden. Zuerst braucht es eine massive Kompetenzentflechtung im föderalen Staat. Die Politik muss an allen Hebeln drehen und nicht nur mit hohen Ausgaben, sondern auch mit niedrigen Steuern punkten können. Wie sonst sollen sich die Bürger ein Bild vom Preis-Leistungs-Verhältnis ihrer Region machen?
9. Mehr direkte Demokratie und bessere öffentliche Kontrolle realisieren
Der Staat ist für die Bürger da, nicht umgekehrt. Um sich informieren und den Auftrag an die Politik kontrollieren zu können, brauchen sie Berichterstattung von unabhängigen Forschungsinstituten, Rechnungshof und Medien. Die Bürger sollen in direkten Abstimmungen öfter ein Machtwort sprechen, zuerst in den Gemeinden, dann bis zum Bund. Es braucht Dezentralisierung, denn vor Ort haben die Bürger den größten Einfluss. Die Demokratie in Vorarlberg nimmt nicht zu, wenn zu viel in Wien entschieden wird.
10. Ein korrektes Verhältnis der Bürger zum Staat pflegen
Transparente Umverteilung und Kostenwahrheit erlauben den Bürgern eine klare Unterscheidung zwischen selbst erworbenen Ansprüchen und Leistungen aus Solidarität. Transparenz und Information sind die Basis für ein korrektes Verhältnis zum Staat und schaffen Vertrauen. Wenn Vertrauen da ist, das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt und die Bürger mehr demokratische Kontrolle und Einfluss auf die staatlichen Leistungen haben, sind Kooperation, Steuerehrlichkeit und Zusammenhalt am ehesten gewährleistet.
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