Herbert Motter

Strahlkraft in Milliardenhöhe

November 2021

Das Gastgewerbe und der Tourismus sind durch die Beschränkungen in Folge der Corona-Pandemie in besonderer Weise betroffen. Kaum eine andere Branche rückte derart in den Mittelpunkt, als es um die Krisenbewältigung ging. Jetzt in den ersten Phasen der Erholung richtet sich der Blick auf die künftige strategische Ausrichtung.
Zwei Studien liefern wertvolle Erkenntnisse über die Bedeutung des Tourismus für Vorarlberg.

Wir haben jetzt die Chance, etwas zu verändern. Die Zeit ist reif, gemeinsam Dinge anzustoßen und die Schienen in eine gute Zukunft zu legen“, gibt Tourismus-Spartenobmann Markus Kegele die Richtung vor. Potenziale des Tourismus für eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung gelte es zu nutzen, ohne die möglicherweise damit verbundenen Risiken zu vergessen. Dabei seien das Management natürlicher Ressourcen, Mobilität und Digitalisierung, der Schutz der Artenvielfalt, des Klimas zentrale Elemente. Es gehe aber auch um Themen wie Aus- und Weiterbildung im Tourismussektor und um die Zusammenarbeit mit den lokalen Gemeinden bei der wirtschaftlichen Entwicklung vor Ort.
Kegele: „Vor gut zehn Jahren wurde die Tourismusstrategie 2020 von einer breiten Partnerschaft ins Leben gerufen. Die damals bereits verankerten Grundpfeiler Gastfreundschaft, Regionalität und Nachhaltigkeit werden nun weiter vertieft sowie mit geeigneten Strukturen noch stärker in die Umsetzung gebracht.“ Rückenwind bekommt die Branche von zwei wesentlichen Bausteinen für die Weiterentwicklung der Strategie: Eine Erhebung der Tourismusgesinnung und eine Studie zur Wertschöpfung der Branche. Eines wurde dabei sehr deutlich: Der Tourismus ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, der zu Wachstum und Beschäftigung beiträgt, und das wird auch von einem Großteil der Befragten so gesehen.

Tourismus-Einstellung

Beginnen wir mit der Gesinnung. Über 1300 Personen in Vorarlberg wurden im Zeitraum 24. April bis 17. Mai dieses Jahres befragt. Dabei stimmten 91,3 Prozent der 1329 Befragten der Aussage zu, dass die Tourismusbranche ein wichtiger Arbeitgeber ist. 88,8 Prozent sehen im Tourismus einen bedeutenden Wirtschaftszweig, vor allem für die Talschaften (85,1 Prozent), der die Kaufkraft steigert und zum Wohlstand des Landes beiträgt (Zustimmung: 79,9 Prozent)“, erklärt Studienautor Peter Vogler. Für Tourismuslandesrat Christian Gantner ist die Tatsache, dass zwei Drittel der Bevölkerung dem Tourismus in Vorarlberg positiv gegenüber stehen, eine sehr erfreuliche Basis, auf der sich aufbauen lässt. „Dieser hohe Zuspruch gründet vor allem auf der Art und Weise, wie wir Tourismus in Vorarlberg leben. Nämlich authentisch und qualitätsvoll. Bei uns ist Gastgeben keine plumpe Inszenierung, keine Schein- und Zauberwelt, und wir haben keine ,Ressort-Ghettos‘. Unser touristisches Angebot entsteht aus der DNA der Region und der Menschen, die dort leben. Für uns ist jeder Gast Mitbewohner auf Zeit“, betont Gantner. Für Kegele werde aber auch klar aufgezeigt, „dass wir noch einige Arbeit vor uns haben, um die Bedeutung des Tourismus im Bewusstsein der Bevölkerung zu verankern.“ Die Zustimmung zu den positiven Faktoren des soziokulturellen Beitrags des Tourismus ist mit 53 Prozent am höchsten. Mehrheitlich positive Auswirkungen auf die ökologische Entwicklung durch den Tourismus sehen 44,1 Prozent, vor allem aufgrund der Urlaubsmöglichkeiten in unberührter und idyllischer Natur (76,7 Prozent), der Pflege von Ortskernen, Naturräumen und Erholungsgebieten (61,5 Prozent) sowie dem Profit der Landwirtschaft durch den Tourismus (59,4 Prozent). Eine Minderheit von 18 Prozent sieht die ökologischen Auswirkungen kritisch, 11,6 Prozent sehr kritisch, und 27 Prozent sind bei dieser Frage mit „teils/teils“-Antworten unentschieden.

Erstaunlich große Wertschöpfung

Eine parallel durchgeführte Wertschöpfungsstudie bestätigt nicht nur die überwiegend gute Stimmung gegenüber dem Tourismus, sondern liefert gleich einige überraschende Zahlen mit. Die vorliegende Studie wurde unter Leitung von Friedrich Schneider von der Gesellschaft für Angewandte Wirtschaftsforschung (GAW) im Rahmen des Prozesses zur Entwicklung der Tourismusstrategie 2030 erstellt. Die wohl wichtigste Kennzahl daraus: 3,8 Milliarden Euro. Auf soviel beläuft sich nämlich das Bruttoregionalprodukt des Vorarlberger Tourismus im Vor-Corona-Jahr 2018/2019. Das sind 20 Prozent der gesamten Wertschöpfung im Land.
85 Prozent dieses Gesamteffektes fielen direkt in Vorarlberg an. „Dabei werden in Summe rund 31.000 Arbeitsplätze geschaffen, 26.543 davon entfallen auf das Bundesland Vorarlberg. „In Summe fließen dadurch mehr als 1,5 Milliarden Euro in Form von Steuern, Abgaben und Sozialversicherungsbeiträgen in die öffentlichen Budgets“, fasst Friedrich Schneider die fiskalischen Effekte zusammen. Für Schneider sind diese Zahlen äußerst beeindruckend und in keiner anderen Region Österreichs ähnlich hoch.
Insbesondere ländliche Regionen profitieren von den direkten, indirekten und induzierten Wertschöpfungseffekten durch den Nächtigungstourismus. In diesem Bereich sind die Wirkungen auf die Gesamtwirtschaft überproportional günstig. Dies lässt sich mit der direkten Wertschöpfung in touristischen Betrieben erklären. „Betrachtet man die einzelnen Destinationen Vorarlbergs genauer, lässt sich feststellen, dass besonders positive Wirkungseffekte die Destinationen Bodensee Vorarlberg mit 944 Millionen Euro/8151 Arbeitsplätzen, der Bregenzerwald (265 Millionen Euro/2667 Arbeitsplätze) und die Alpenregion Bludenz (261 Millionen Euro/2551 Arbeitsplätze) generierten“, erläutert Friedrich Schneider.
„Die Studien beweisen es! Der Tourismus ist eine Schlüsselbranche mit einer landesweiten Strahlkraft und enormer gesamtwirtschaftlicher Bedeutung. Wie kaum ein anderer Wirtschaftszweig schafft der Tourismus direktes und indirektes Einkommen und sichert gerade im ländlichen Raum wirtschaftliche Existenzen. Ohne Tourismus wären ganze Täler und Regionen entvölkert“, betont Spartenobmann Kegele und sagt weiter: „Uns dieser Stellung bewusst zu werden und unsere dahin gehenden Aufgaben wahrzunehmen, wird eine unserer Herausforderungen im Laufe der nächsten Jahre, im speziellen in Zusammenhang mit der Tourismusstrategie 2030, sein.“

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